Verbändereport AUSGABE 7 / 2009

Wikis als Kommunikations- und Arbeitsplattform in der Verbandsarbeit

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„Wer kennt Wikipedia?“ Eigentlich sollte die Frage lauten: „Wer kennt es nicht?“ Wikipedia hat den Informationsfluss im Web weltweit neu definiert und ist in den letzten Jahren zu der Informationsquelle im Internet überhaupt geworden. Auch durch diesen Erfolg haben sich Wikis als Plattform für Kommunikation und Zusammenarbeit schnell verbreitet. In diesem Beitrag wird auf dieses neue Medium eingegangen und verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie Wikis effektiv in der Verbandsarbeit eingesetzt werden können.

Back to Basics: „Was ist ein Wiki?”

Wikis (wiki = hawaiianisch für „schnell“) sind ein Synonym für einfache Zusammenarbeit im Internet. Ein Wiki ermöglicht es dem einzelnen Nutzer nicht nur, die Inhalte zu lesen, sondern sie auch auf einfachste Weise selbstständig online zu ändern oder zu ergänzen. Ziel eines Wikis ist im Allgemeinen die Sammlung und Bereitstellung von Informationen durch Beiträge vieler Autoren. Wikipedia hat hier auf eindrucksvolle Weise das Potenzial verdeutlicht.

Aus technischer Sicht ist das Konzept hinter einem Wiki relativ einfach. Ein Klick auf den Editierknopf und schon ist der Text der Seite bereit zum Bearbeiten. Ein weiterer Klick auf Speichern, und der neue Text ist im Wiki über das Internet verfügbar. Wenn die Technik an sich so einfach ist, was hat den Erfolg von Wikis ausgemacht? Zum einen gerade diese Einfachheit, zum anderen handelt es sich um einen fundamentalen Philosophiewechsel. Die traditionelle Redaktion einer Webseite tritt in den Hintergrund. Ihre Aufgabe wechselt von der Freigabe jedes einzelnen Artikels hin zur Moderatorenrolle. Der Nutzer selbst schreibt nun die Artikel und platziert sie in der Navigation.

Ein weiteres Beispiel neben Wikipedia für diese neue Art der Zusammenarbeit ist das ZUM-Wiki (Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet). Hier kooperieren Lehrer bundesländerübergreifend und tauschen sich zu neuem Lehrmaterial und neuen innovativen Lehrmethoden aus. Bedenkt man, wie viel Zeit beim Rückgriff auf bereits vorhandenes Wissen und auf kreative Ideen hier gespart werden kann, so stellt dies für Lehrer eine sehr effektive Art der Zusammenarbeit dar.

Losgelöst vom Internet, wurde dieses erfolgreiche Konzept auch als neue Möglichkeit innerhalb von Unternehmen erkannt. Diese setzen zunehmend Wikis in ihrem Intranet ein und bilden darüber beispielsweise Wissensmanagement, Projektarbeit, Qualitätsmanagement und internes Social Networking ab.

Einsatz in der Verbandsarbeit

Ein Verband besitzt beste Voraussetzungen, um ein Wiki sinnvoll einzusetzen. Ist er doch ein sehr heterogenes Ökosystem mit einer großen Anzahl an Stakeholdern. Die Mitglieder sind oft überregional verteilt. Zentraler Anlaufpunkt für alle Aktivitäten ist meist die Geschäftsstelle. Allzu oft versinkt diese in Anfragen und Koordinationsarbeit, da dort gewöhnlich alle Fäden zentral zusammenlaufen. Dabei sind helfende Hände gar nicht so weit entfernt. Dazu ist nur ein wenig Umdenken nötig.

Wird den Mitgliedern die Möglichkeit gegeben, auch unabhängig von einer zentralen Stelle zu agieren, können sie sich in vielen Bereichen selbstständig koordinieren. Wichtigstes Hilfsmittel hierfür ist eine Plattform, auf die alle jederzeit Zugriff haben. Ein Wiki kann hier Abhilfe schaffen. Die Einsatzzwecke sind vielseitig und abhängig von Kreativität und Engagement der Beteiligten. Der Geschäftsstelle kommt hier eine moderierende Rolle zu: Mitglieder motivieren und Ideen einbringen, wie das neue Medium genutzt werden kann.

Das Wiki bietet zum Beispiel die Möglichkeit, Dokumente wie Anträge oder Positionspapiere gemeinsam zu erarbeiten. Mitglieder können ihre Kommentare abgeben und so Einfluss auf die Entwicklung nehmen. Besonders hilfreich ist das Wiki, wenn es im Verband eine Vielzahl von aktiven Arbeitskreisen oder Initiativen gibt. Hier werden oft Themen in einer Gruppe erarbeitet. Das Wiki bietet hier die Möglichkeit, die entsprechenden Inhalte in Form von Text, Dateien, Bildern und Links gemeinsam zu erarbeiten und zu hinterlegen. Eine integrierte Schlagwortsuche sorgt hinterher für ein leichtes Auffinden aller Dokumente. Wichtige Informationen verteilen sich jetzt nicht mehr in verschiedenen E-Mail-Postfächern, sondern sind zentral für alle Beteiligten verfügbar.

Hierzu ist es wichtig, dass sich die Mitglieder auf der Plattform gegenseitig (er-)kennen und in Interaktion treten können. Dabei hilft die Hinterlegung eines kleinen Profils, schon können die einzelnen Akteure kommunizieren und gemeinsam agieren. Oft ist den Teilnehmern gar nicht bewusst, welche Fähigkeiten in ihren eigenen Reihen schlummern – ein Resultat von geringer Kommunikation der Mitglieder untereinander. Hier können völlig neue Potenziale im Verband freigesetzt werden.

Wiki-Einführung am Praxisbeispiel Innovationszentrum Niedersachsen

Das Innovationszentrum Niedersachen vernetzt verschiedene Innovations-Initiativen des Landes und umfasst mehr als 230 Einrichtungen von regionalen Initiativen über Universitäten bis hin zu Ministerien. Diese sind aktiv in den Bereichen Innovationsförderung, Technologietransfer und -beratung. Im Netzwerk werden sie vertreten durch circa 350 Personen.

Bisherige Instrumente der Kommunikation und Zusammenarbeit umfassten hier physische Treffen wie Veranstaltungen zu innovativen Technologien, Expertenrunden, Arbeitskreise und Workshops. Ergänzt wurden diese durch eine zentral gepflegte Homepage sowie einen E-Mail-Newsletter als Onlinemedien.

Zu den Treffen kommen die Mitglieder in regelmäßigen Abständen zusammen und gestalten so aktiv die Innovationslandschaft in Niedersachsen mit. Aufgrund der weiten räumlichen Verteilung müssen die Partner für Veranstaltungen oft lange Anreisen auf sich nehmen. Zwischen den offiziellen Terminen ergibt sich somit eher selten die Möglichkeit des persönlichen Austausches in der gesamten Gruppe. Durch die Einführung eines Wikis wurde genau diese quasi verlorene Zeit zwischen den Terminen besser nutzbar, was zu einer höheren Aktivität innerhalb des Innovationsnetzwerkes führt.

Neben der Verbesserung der internen Zusammenarbeit und Kommunikation können die Mitglieder nun auch den öffentlichen Auftritt aktiv mitgestalten und Inhalte sowie News selbstständig verfassen.

Der Einführungsprozess eines solchen Tools stellt das Projektteam vor einige Herausforderungen. Diese resultieren unter anderem aus der Heterogenität der Nutzer und der sich daraus ergebenen unterschiedlichen Anforderungen an das System. Wichtig war vor allem, die unterschiedlichen Gruppen frühzeitig zu integrieren und das weitgehend offene Konzept des Wikis nachhaltig gegen Bedenken zu verteidigen. Nur so konnte der eigentliche Austausch auf der Plattform gefördert und damit Nutzwert generiert werden.

Vor dem Going Live wurde das Wiki schon für ausgewählte Benutzer verfügbar gemacht. Diese haben sowohl kleine Anpassungen angeregt als auch die ersten Inhalte eingestellt. Der breite Nutzerkreis begann somit nicht in einem leeren Wiki, sondern bekam bereits einen guten Eindruck über die Möglichkeiten. Die erfahrenen Nutzer der ersten Stunde standen zudem später bereit, den Neuen Hilfestellung bei den ersten Schritten im Wiki zu geben.

Im Wiki des Innovationszentrums werden eine Kombination von Projekträumen, gemeinsamem Wissenspool, Newsblogging sowie ein Networking-Bereich bereitgestellt. Durch die gemeinsame Wiki-Plattform ist nun auch der Austausch zwischen Netzwerkpartnern, die an ähnlichen Fragestellungen, jedoch in unterschiedlichen Arbeitsgruppen des Innovationszentrums arbeiten, möglich geworden.

Beispiel: Die beiden Arbeitsgruppen Mobilität und Energie

Beide Gruppen arbeiten inhaltlich mit thematischer Überschneidung, sehen sich jedoch kaum auf Arbeitskreistreffen. Jetzt arbeiten sie im Wiki in offenen Projekträumen und haben einen gegenseitigen Einblick in den Projektverlauf. Hierdurch eröffnen sich äußerst interessante Synergieeffekte durch Zusammenarbeit in bestimmten Teilbereichen. Unnötige Doppelarbeit lässt sich so vermeiden.

Aus der regelmäßigen Arbeit im Wiki ergibt sich nun fortlaufend Feedback durch die Nutzer. Dieses wird sehr ernst genommen und für die Weiterentwicklung des Wikis genutzt. Viel wichtiger als diese technischen Maßnahmen ist jedoch die Betreuung des Wikis auf inhaltlicher Ebene. Ausgewählte Mitarbeiter des Innovationszentrums betreuen die Nutzer und unterstützen bei der Beantwortung von Fragen. Gerade diese Betreuung in der Anfangszeit ist sehr wichtig, um das große Potenzial von Wiki-Projekten langfristig voll auszuschöpfen.

Fazit

Ein Wiki bietet gute Möglichkeiten, die Zusammenarbeit und Kommunikation in Verbänden zu unterstützen. Wie im Anwendungsfall gezeigt, wird ein Wiki keine Präsenztermine ersetzen. Es füllt vielmehr Lücken, die bisher noch weitgehend unbesetzt sind. Bei richtigem Einsatz kann es ungeheure Potenziale unter den Mitgliedern freisetzen. Die neuen Möglichkeiten und Arbeitsweisen werden dabei sehr unterschiedlich von den Beteiligten wahrgenommen und setzen sich erfahrungsgemäß langsam, aber stetig durch. Hierbei ist es wichtig, das Wiki gut zu betreuen sowie die Beteiligten individuell abzuholen und entsprechend an das System heranzuführen.

Das Wiki ist mehr als nur ein gewöhnliches Tool. Es verkörpert vielmehr eine neue Philosophie der Zusammenarbeit.

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