80 Jahre Bodenreform: Unrecht bleibt bis heute unaufgearbeitet
(Berlin) - Am 3. September jährt sich zum 80. Mal der Beginn der sogenannten Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone. Unter der Parole „Junkerland in Bauernhand“ begann damals – getarnt als Wirtschaftsreform – die größte entschädigungslose Konfiskation von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen in der deutschen Geschichte. Tausende Familien verloren Haus und Hof, viele wurden verhaftet und in Speziallager deportiert. „Dieses menschenrechtswidrige Unrecht ist bis heute nicht konsequent aufgearbeitet“, erklärt Dr. Eberhardt Kühne, Vorsitzender der AfA.
Historische Dimension des Unrechts
Die Bodenreform traf alle Betriebe über 100 Hektar. Insgesamt wurden 7.160 landwirtschaftliche Unternehmer enteignet. Ihre Familien wurden allein aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit als „Junker“ gebrandmarkt und wie NS-Täter behandelt. Wer nicht sofort interniert wurde, musste Haus und Hof mit dem verlassen, was er tragen konnte.
Zusätzlich wurden 4.537 Betriebe mit weniger als 100 Hektar enteignet – angeblich wegen NS-Belastung, ohne Möglichkeit, diese Vorwürfe zu entkräften. Insgesamt wechselten 3,2 Mio. Hektar land- und forstwirtschaftliche Flächen entschädigungslos den Besitzer. Der Wert allein der landwirtschaftlichen Nutzflächen beträgt nach heutiger Berechnung ca. 8,2 Mrd. Euro.
Viele der Betroffenen wurden in Speziallager wie Torgau, Buchenwald, Sachsenhausen oder auf Rügen deportiert. Dort wurde nicht nach Internierungsgrund unterschieden. Nach Schätzungen westlicher Historiker waren 160.000 bis 180.000 Menschen in diesen Lagern interniert, über ein Drittel überlebte nicht. Ihrer ist bis heute zu gedenken.
Darüber hinaus gehörten Vermögenseinziehung, Vertreibung, Berufsverbote, Wahlrechtsentzug und öffentliche Verunglimpfung zum Instrumentarium der Behörden. Diese handelten auf Weisung nicht demokratisch legitimierter KPD-Funktionäre. Nach stalinistischer Strafrechtsdoktrin waren die Maßnahmen bewusste Strafaktionen gegen den „Klassenfeind“ mit existenzvernichtender Wirkung. Bis heute hat niemand in Politik oder Justiz untersucht, wer auf deutscher Seite als Täter, Mittäter oder Beteiligter Verantwortung trägt. Unser Gemeinwesen verharmlost dieses Unrecht noch immer als Teil einer Wirtschaftsreform – eine umfassende Aufarbeitung hat auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht stattgefunden.
Folgen bis heute spürbar
Noch vor der Wiedervereinigung erhielten die Neubauern durch das sog. Modrow-Gesetz ihr aus der Bodenreform stammendes Land als frei verfügbares und vererbliches Volleigentum. Die Ergebnisse des Unrechts der Bodenreform wurden 1990 im Einigungsvertrag verfassungsfest anerkannt. Das zwischen 1945 und 1949 konfiszierte Vermögen – rund 3,2 Millionen Hektar im Wert von etwa 8,2 Milliarden Euro – wurde nicht zurückgegeben, auch nicht teilweise. Alteigentümer konnten im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms nur Bruchteile ihrer früheren Flächen zurückkaufen. Große Teile gingen an die sogenannten LPG-Nachfolgegesellschaften und deren Gesellschafter oder wurden an Investoren ohne Bezug zur Landwirtschaft verkauft. Viele LPG-Genossen wurden bei ihrem Ausscheiden aus den LPG bei den an sie nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz zu zahlenden Abfindungen übervorteilt. Die Erben der Neubauern, die im März 1990 nicht in der Landwirtschaft tätig waren, mussten 1992 ihr aus der Bodenreform stammendes Land 1992 an die Bundesländer abtreten.
„Im Zuge der Privatisierung profitierten nur wenige, während viele Menschen in den Dörfern und Gemeinden die Lasten tragen mussten“, betont Erimar von der Osten, stellvertretender Vorsitzender der AfA. „Es hätte nahegelegen, die Bevölkerung vor Ort einzubeziehen und Alteigentümern größere Rückerwerbsmöglichkeiten einzuräumen – statt Wald, Acker und Grünland an Investoren zu verkaufen, die weder aus der Region stammten noch eine Verbindung zur Landwirtschaft hatten. Folge von alledem sind noch größere Betriebe als vor der Bodenreform. Viele der denkmalgeschützten alten Herrenhäuser und Hofanlagen sind seit 1990 endgültig dem Verfall Preis gegeben. Den Dörfern fehlen ihre lebendigen historischen Mittelpunkte.“
Forderung nach Aufarbeitung
Anlässlich des 80. Jahrestags fordert die AfA:
• Umfassende Rehabilitierung der Alteigentümer, die dem NS-Regime keinen Vorschub geleistet haben
• Thematisierung im Geschichtsunterricht, um die Boden- und Industriereform nicht fälschlich unter Übernahme der Propaganda der SED als Sozialreform darzustellen
• Unverzügliche Aufhebung wettbewerbsverzerrender Verfügungsverbote, Nutzungsbeschränkungen und Zweckbindungen für zurückerworbenes Alteigentum
• Uneingeschränkte Erfüllung der nach dem Ausgleichsleistungsgesetz noch bestehenden Erwerbsansprüche von Alteigentümern durch den Bund
• Erleichterung der Rückgabe von während der Bodenreform (und später in der DDR) enteigneten Kulturguts, insbesondere sind die Antragsfristen für die Rückgabe von Mobiliar und Kulturgütern wiederzueröffnen
• Gleichstellung von Beutekunst aus SBZ und DDR mit NS-Raubkunst im Rahmen der staatlichen Provenienzrecherche
„Es ist höchste Zeit, dass das Unrecht der Bodenreform als solches anerkannt und die Opfer konsequent rehabilitiert werden“, so Kühne.
Hintergrund
Die Bodenreform 1945–1949 in der Sowjetischen Besatzungszone war eine Bestrafungsaktion gegenüber einer Bevölkerungsgruppe als Ganzer nach stalinistischer Strafrechtsdoktrin. Neben der entschädigungslosen Enteignung von Millionen Hektar Land gingen damit Vertreibungen, Berufsverbote, Wahlrechtsentzug und öffentliche Verunglimpfungen einher. Deutsche Behörden handelten dabei auf Weisung nicht demokratisch legitimierter KPD-Funktionäre.
Bis heute hat es in Politik und Justiz keine umfassende Aufarbeitung dieser Unrechtsakte gegeben. Täter auf deutscher Seite wurden nie benannt oder zur Verantwortung gezogen.
Quelle und Kontaktadresse:
Familienbetriebe Land und Forst e.V. (FaBLF), Claire-Walldoff-Str. 7, 10117 Berlin, Telefon: 030 2463046-0