Analyse des IMK / Alternative Konsolidierungs-Strategie für mittelfristigen Schuldenabbau
(Düsseldorf) - Der Wechsel zu einer gesamtwirtschaftlich ausgerichteten, antizyklischen Konsolidierungs-Strategie könnte die deutschen Staatsschulden reduzieren und zugleich Konjunktur und Beschäftigung fördern. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Der aktuelle Konsolidierungskurs sei gescheitert, konstatieren die Autoren PD Dr. Gustav Horn und Dr. Achim Truger in der neuen Ausgabe der WSI-Mitteilungen. Der Versuch, in einer Phase konjunktureller Schwäche durch Ausgabenkürzungen in den Haushalten unterhalb der EU-Defizitgrenze zu bleiben, habe unter anderem die öffentlichen Investitionen auf nur noch 1,4 Prozent des Bruttoninlandsproduktes (BIP) gedrückt - weit unter den europäischen Durchschnitt von 2,5 Prozent. Vor allem wurde die konjunkturelle Entwicklung dadurch weiter gebremst.
Die Alternative sehen die IMK-Wissenschaftler darin, die Chancen der Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu nutzen und sich an den positiven Erfahrungen der antizyklischen amerikanischen Finanzpolitik in den neunziger Jahren zu orientieren. Diese Konsolidierungsstrategie stelle in Rechnung, dass sich der staatliche Haushalt nur bei deutlichem Wirtschaftswachstum und stabiler Binnennachfrage sanieren lässt. In Schwächephasen sei es ratsam, die Konjunktur zu stützen und dafür vorübergehend ein höheres Defizit und damit temporär auch eine steigende Schuldenstandsquote in Kauf zu nehmen.
Im Zentrum des IMK-Vorschlags steht ein mittelfristig angelegter Ausgabenpfad für die öffentlichen Haushalte. Um die Schulden nachhaltig zurückzuführen, halten die Wissenschaftler einen jährlichen Zuwachs für sinnvoll, der leicht unterhalb des durchschnittlichen nominalen BIP-Wachstums liegt. Aktuell sollte der Zuwachs nach Berechnung des IMK etwa zwei Prozent betragen. Dieser Pfad muss so lange eingehalten werden, bis der Schuldenstand unterhalb eines gewünschten Referenzwertes liegt, etwa von 60 Prozent des BIP. Diese Vorgabe gilt nur für konjunkturunabhängige Ausgaben, die der Staat tatsächlich kontrollieren kann, und für die er damit auch wirklich verantwortlich ist. Die öffentlichen Investitionen als konjunkturunabhängiger Ausgabenposten sollten so lange von der Beschränkung ausgenommen werden, bis ihr Anteil wieder im europäischen Durchschnitt liegt.
Aktuell bedeutet ein solcher Vorschlag sogar, dass Mehrausgaben für Investitionen von bis zu 13 Milliarden Euro möglich sind. Zur Finanzierung führt das IMK zwei denkbare Strategien an: Zum einen können die Mehrausgaben vorübergehend über eine höhere Verschuldung gedeckt werden. Alternativ kann die Finanzpolitik Steuern erhöhen oder Subventionen abbauen. Möglichkeiten dazu gebe es einige, etwa eine breitere Bemessungsgrundlage bei der Einkommensteuer, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, eine effektivere Kapitaleinkommensbesteuerung oder auch eine stärkere Vermögensbesteuerung, so das IMK. Höhere Mehrwertsteuersätze oder eine Anhebung anderer indirekter Steuern seien dagegen der falsche Weg: Dies würde den Konsum belasten.
Quelle und Kontaktadresse:
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