Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt: Wirtschaftlichen Aufschwung für weitergehende Reformen nutzen
(Berlin) - Deutschland erlebt derzeit einen wirtschaftlichen Aufschwung: Das Wachstum wird auch in diesem Jahr über 2 Prozent liegen, die Beschäftigung nimmt zu, die Steuereinnahmen sprudeln und die Sozialversicherungen erzielen Überschüsse. Nach den Erfahrungen der vorangegangen Jahre, die von Stagnation und wachsender Arbeitslosigkeit geprägt waren, ist diese Entwicklung erfreulich.
Der aktuelle wirtschaftliche Aufschwung ist jedoch kein Selbstläufer. In der jetzt anstehenden zweiten Hälfte der Legislaturperiode erwartet die deutsche Wirtschaft von der Bundesregierung eine wachstumsorientierte Politik und weitere intensive Reformanstrengungen. Stillstand und Stagnation wären ein fataler Fehler, welche die gute wirtschaftliche Entwicklung leichtfertig aufs Spiel setzen würden. Ich appelliere mit allem Nachdruck an die Bundesregierung, den konjunkturellen Rücken-wind jetzt für weitere, intensive Reformen zu nutzen.
An erster Stelle muss die Bundesregierung ihr Ziel aus dem Koalitionsvertrages verwirklichen, die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer dauerhaft unter 40 Prozent zu senken. Bisher ist das noch nicht gelungen. So sind in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung die Beitragssätze 2007 entweder erneut gestiegen oder es sind Steigerungen angekündigt. Umso dringender muss jede Chance genutzt werden, die Sozialversicherungsbeiträge zu senken. Beispielsweise kann der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung noch in diesem Jahr um einen vollen Prozentpunkt auf 3,2 Prozent reduziert werden.
Auf dem Arbeitsmarkt müssen vor allem Langzeitarbeitslose wieder zurück in reguläre Beschäftigung gebracht werden. Milliardenschwere künstliche Beschäftigungsprogramme, wie sie die Bundesregierung zuletzt aufgelegt hat, sind dafür ungeeignet. Sie sind nichts anderes als die alten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in neuem Gewand. Sie verschlechtern sogar die Integrationschancen von Langzeitarbeitslosen. Stattdessen müssen Fehlanreize zum Verharren in Arbeitslosigkeit abgeschafft werden, dies gilt insbesondere für die Zuschläge zum Arbeitslosengeld II nach dem Bezug von Arbeitslosengeld.
Die Öffnung des Arbeitsmarktes für Fachkräfte aus den osteuropäischen Mitgliedsländern der Europäischen Union sollte nicht unnötig hinausgezögert und die bestehenden Übergangsregelungen nach 2009 nicht mehr generell verlängert werden. Die Freizügigkeit in der erweiterten Union darf nicht von der Einführung von Mindestlöhnen als Vorbedingung abhängig gemacht werden. Eine Ausweitung des Entsendegesetzes kann nur in Betracht kommen, wenn soziale Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt durch Entsendearbeitnehmer nachgewiesen werden und ein zuvor nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemein verbindlich erklärter Mindestlohntarifvertrag vorliegt. Derzeit sind diese Voraussetzungen für keine Branche gegeben.
Die Vorschläge der großen Koalition zur Änderung des Arbeitnehmerentsendegesetzes und des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen lehne ich ab. Durch staatliche Lohnfestsetzung soll massiv in die positive und negative Koalitionsfreiheit eingegriffen werden. Eine staatliche Anordnung, welcher von mehreren konkurrierenden Tarifverträgen gelten soll, wäre darüber hinaus ein verfassungs-rechtlich hoch problematischer Eingriff in die Tarifautonomie. Ich lehne auch jede Form gesetzlich festgelegter Mindestlöhne ab, weil diese gerade im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze vernichten, erklärte Hundt.
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