Auf dem Sprung ins internationale Spitzenfeld
(Frankfurt a.M.) - Deutschland kommt dem Ziel, der führende Standort für Biotechnologie in Europa zu werden, immer näher. "Wir sind in diesen Wettlauf schlecht gestartet. Aber nach einer zähen Aufholjagd haben wir im Europacup Anschluss gefunden und kämpfen uns jetzt an die Spitze", erklärte Dr. Dieter Wißler, Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), in Frankfurt vor Journalisten.
Dass die deutschen Biotechfirmen im internationalen Wettbewerb inzwischen gut mithalten können, belegen viele Faktoren: So geben zum Beispiel die Patentanmeldungen für Arzneimittel, bei denen biotechnische Methoden eine wichtige Rolle spielen, einen Hinweis darauf, wie erfolgreich die Forschung betrieben wird. Im globalen Vergleich dominierten 1999 nach Angaben der DIB zwar klar die USA mit 660 Patentanmeldungen, aber in Europa lag Deutschland mit 176 (+36 Prozent) in Führung.
In den letzten fünf Jahren hat sich der Anteil Deutschlands bei der weltweiten Bilanz von Patentanmeldungen in diesem Bereich von 10 auf über 14 Prozent erhöht. Auch die Arbeitsfelder der kleinen Biotechfirmen mit maximal 500 Mitarbeitern zeigen klar, dass die Branche weiter an Substanz gewinnt. Lag der Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit früher eindeutig bei der Verfahrensentwicklung und Auftragsforschung für große Pharmakonzerne, widmen sie sich jetzt zunehmend selbst der Entwicklung von Produkten. An erster Stelle stehen dabei neue Medikamente zur Krebstherapie, gefolgt von Arzneimitteln zur Stabilisierung des Immunsystems, vor allem im Zusammenhang mit Transplantationen.
Weiterhin spielen Produkte zur Behandlung von Infektionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine wichtige Rolle. "Dieser Trend ist typisch für alle Länder, deren Biotech-Branche eine gewisse Reife erreicht hat", so Wißler. Die kleinen Biotech-Unternehmen, die sich nach Ansicht der DIB gut als Indikator für die "Performance" des Standortes heranziehen lassen, haben sich im letzten Jahr besonders erfreulich entwickelt. In den letzten zwei Jahren betrug ihr Umsatzwachstum jeweils rund 30 Prozent, der Zuwachs bei den Beschäftigten rund 40 Prozent. Die Forschungsaufwendungen stiegen in den letzten beiden Jahren jeweils um über 50 Prozent. Zum Ende des Jahres 1999 beschäftigten die 279 mittelständischen Unternehmen (1998: 222) über 8.000 Mitarbeiter und gaben rund 640 Millionen Mark für die Forschung aus. Der Umsatz überschritt erstmals 1 Milliarde Mark.
Nachholbedarf
"Diese positiven Trends sollten jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass Deutschland in der Biotechnologie immer noch einen erheblichen Nachholbedarf gegenüber den USA hat", betonte der DIB-Vorsitzende. Wie die Unternehmensberatung Ernst & Young berichtet, haben die deutschen Biotechnologieunternehmen zurzeit knapp 30 Medikamente im entscheidenden Entwicklungsstadium der klinischen Prüfung - weniger als ein Zehntel im Vergleich zu den rund 350 Präparaten der Biotech-Firmen aus den USA. Insbesondere unter steuerpolitischen Gesichtspunkten sind Hightech-Unternehmen in Deutschland gegenüber Firmen in anderen Ländern benachteiligt. Das betrifft unter anderem die Besteuerung von Aktienoptionen für Mitarbeiter. Im Wettbewerb um hochqualifizierte Experten hat die Beteiligung über Stock-Options vor allem für junge Wachstumsunternehmen mit dünner Kapitaldecke eine große Bedeutung. Daher hat die DIB zusammen mit Verbänden anderer Higtech-Branchen einen Vorschlag erarbeitet, der die Nachteile beseitigen würde.
Biotechnologie in der Landwirtschaft
Unverändert schwierig ist die Situation in ganz Europa, was die Anwendung der Biotechnologie in der Landwirtschaft betrifft. Seit mehr als zwei Jahren ist in der EU keine Zulassung mehr für gentechnisch veränderte Pflanzen erteilt worden. Diese Blockade ist rechtlich fragwürdig. Die DIB hofft, dass mit dem Beschluss des Europaparlamentes vom April zur so genannten Freisetzungsrichtlinie nun eine Aufhebung der Zulassungssperre in Sicht ist. "Die Mehrheit der Abgeordneten hat mit ihrer Abstimmung ein klares Signal dafür gegeben, dass sie der grünen Gentechnik in Europa eine Chance geben will", unterstrich Wißler. Es liege nun in der Hand des Umweltministerrates, die fnderungen des Parlamentes zu übernehmen und damit den Weg für eine rasche Verabschiedung der Richtlinie freizumachen.
Dass Deutschland dringend Rechtssicherheit und praxisbezogene Regelungen auf diesem Gebiet braucht, zeigt auch der politische Schaukampf um den Bt-Mais: Die Bundesregierung hatte die 1997 erteilte Zulassung für die gentechnisch veränderte Maissorte widerrufen - aus Sicht der DIB eine Entscheidung aus rein politischem Kalkül vor dem Hintergrund zweier Landtagswahlen. Fundierte wissenschaftliche Argumente gebe es dafür nicht.
In den USA wird diese Maissorte, die durch den Einbau eines bakteriellen Gens in das Erbgut ein Eiweiß produziert, mit dem sie sich gegen Fraßschädlinge eigenständig wehren kann, seit mehreren Jahren auf einigen Millionen Hektar ohne Probleme angebaut. Auf massiven Protest der DIB und des betroffenen Unternehmens hat die Bundesregierung ihre Entscheidung teilweise zurückgenommen. "Ein solcher Vorgang", warnte Wißler, "darf sich unter keinen Umständen wiederholen." In diesem Zusammenhang begrüßte der DIB-Vorsitzende die Initiative des Bundeskanzlers, gemeinsam die Auswirkungen des Groß flächigen Anbaus gentechnisch optimierter Pflanzen in Deutschland zu untersuchen.
Gegenstand der Gespräche zwischen Bundesregierung und DIB , die im September starten sollen, ist ein dreijähriges Forschungs- und Beobachtungsprogramm. Die DIB sieht den Verhandlungen optimistisch entgegen. Wißler: "Wir sehen hierin eine Chance, Information und Transparenz zu verbessern und so Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. "Die DIB ist die Biotechnologie-Vereinigung des Verbandes der Chemischen Industrie und seiner Fachverbände. Sie vertritt die Interessen von über 150 deutschen Biotech-Unternehmen.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie e.V. (DIB), Manfred Ritz
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