Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Berlin

Auftakt der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Stuttgart / Städte fordern Schutzschirm wegen Schuldenbremse der Länder - Vorfahrt für Energieerzeugung der Stadtwerke

(Berlin) - Der Deutsche Städtetag hat zum Auftakt seiner Hauptversammlung in Stuttgart die besondere Rolle der Städte für politische Stabilität und sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt hervorgehoben. "Eine familienfreundliche Gesellschaft, Bildung, Integration, Klimaschutz, eine umweltfreundliche Energiewende und die nachhaltige Entwicklung unseres Landes sind nur mit starken Städten zu verwirklichen", sagte heute in Stuttgart die Präsidentin des kommunalen Spitzenverbandes, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. Bund und Länder könnten mit den Städten rechnen, wenn es darum gehe, die Zukunft zu sichern. Umgekehrt benötigten die Städte kommunalfreundliche Entscheidungen der Bundesregierung und der Landesregierungen, um handlungsfähig zu sein und den Menschen wie der Wirtschaft gute Lebensbedingungen und eine gute Standortqualität bieten zu können.

Die alle zwei Jahre tagende Hauptversammlung des Deutschen Städtetages, an der mehr als 1.000 Delegierte und Gäste aus allen Teilen der Bundesrepublik teilnehmen, steht in Stuttgart unter dem Motto "Zusammenhalt und Zukunft - nur mit starken Städten". Am Mittwoch wird als prominentester Gast Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel erwartet. In fünf Foren diskutieren die Delegierten mit externen Fachleuten über Bildung als Investition in die Zukunft, nachhaltige Stadtentwicklung, Personalwirtschaft, Kommunalfinanzen vor dem Hintergrund der Schuldenbremse und über die weltweite Rolle der Städte für Entwicklung und Zusammenhalt.

Finanzlage vieler Städte weiter dramatisch

Zur Finanzlage der Kommunen sagte Städtetagspräsidentin Petra Roth: "Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die immer stärker gewordene Belastung der Städte mit Aufgaben sind in den kommunalen Haushalten deutlich sichtbar. Die Finanzlage vieler Städte ist nach wie vor dramatisch. Die Kommunen hatten 2010 mit 7,7 Milliarden Euro das zweithöchste Defizit seit Bestehen der Bundesrepublik zu verzeichnen. Gleichzeitig hilft der Aufschwung schneller als gedacht und bringt vielen Städten wieder höhere Steuereinnahmen, vor allem dank der Gewerbesteuer - das ist eine gute Nachricht."

Nach einem Anstieg der Gewerbesteuer um 10 Prozent im Jahr 2010 betrage der Zuwachs im ersten Quartal 2011 nach einer Umfrage des Deutschen Städtetages bei fast 100 Städten 23 Prozent. Dieses starke Plus werde sich im weiteren Jahresverlauf nicht fortsetzen, da es sich um einen Nachholeffekt gegenüber dem krisenbedingt sehr schwachen ersten Quartal 2010 handele. Doch der Aufwärtstrend zeige, dass die Gewerbesteuer eine gute Steuer sei und sich nach der Krise rasch erhole.

Trotz Aufschwung spürten die Menschen aber vor Ort, dass Angebote der Städte zum Teil ausgedünnt werden und die Infrastruktur leidet. Im öffentlichen Nahverkehr zum Beispiel herrsche ein Sanierungsstau von 2,4 Milliarden Euro, der jährlich um 300 Millionen Euro wachse.

Ursache für die tiefgreifenden strukturellen Finanzprobleme der Kommunen, so Präsidentin Roth weiter, sei vor allem die jahrzehntelange Praxis von Bund und Ländern, den Kommunen immer mehr Aufgaben, besonders im Sozialbereich, zu übertragen, ohne dass dafür hinreichende Finanzmittel bereitgestellt wurden: "Die Verschuldung der Städte ist dadurch in den vergangenen Jahren in schwindelerregende Höhen gewachsen, vor allem bei den kurzfristigen Kassenkrediten. Diese Kredite der Kommunen, mit denen immer mehr laufende Ausgaben auf Pump finanziert werden müssen, liegen inzwischen bei über 40 Milliarden Euro. Das ist doppelt so viel wie im Jahr 2004."

Schlussfolgerung: Die Kommunen benötigen einen Schutzschirm, der sie davor bewahrt, dass die Länder unter dem Konsolidierungsdruck durch die Schuldenbremse die Finanzlage der Kommunen noch verschärfen und Verschuldung auf die Städte verlagern. Petra Roth: "Wir brauchen in der Bundesrepublik in den Ländern ein kommunales Existenzminimum. Das heißt, eine finanzielle Mindestausstattung der Kommunen als absolute Untergrenze. Denn so sinnvoll die Schuldenbremse für Bund und Länder auch sein mag: Sie führt vor allem die Länder in die Versuchung, bei ihren Finanzmitteln für die Kommunen zu sparen, statt den unbequemen Weg des Aufgabenabbaus und der Deregulierung einzuschlagen." Bisher komme eine hinreichende finanzielle Mindestausstattung der Kommunen nicht zustande, weil die Länder immer wieder auf ihre begrenzte finanzielle Leistungsfähigkeit verweisen.

Lob für die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund

Ausdrückliches Lob sprach die Städtetagspräsidentin Bund und Ländern für die Zusage aus, die Kommunen schrittweise von den Ausgaben der Grundsicherung im Alter zu entlasten: "Angesichts der Rekordhöhe der kommunalen Sozialausgaben von inzwischen 42 Milliarden Euro freuen wir uns über die angekündigte spürbare Entlastung bei der Grundsicherung, die bis zum Sommer als Gesetz verabschiedet werden soll. Dieser Posten macht derzeit rund ein Zehntel der Sozialausgaben aus und wird längerfristig weiter dynamisch anwachsen. Die Kommunen sind keine Rentenkasse. Deshalb ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Menschen im Alter ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit zu bieten, beim Bund richtig angesiedelt." Es sei auch der Arbeit des Deutschen Städtetages zu verdanken, dass das Kernproblem der Kommunalfinanzen, die hohen Sozialausgaben, ins Bewusstsein der Bundespolitik gerückt sei.

Optimistisch äußerte sich Petra Roth zur Gewerbesteuer, die von der Koalition in Berlin auf den Prüfstand und von der FDP grundsätzlich in Frage gestellt worden war: "Die wichtigste Steuer der Städte wird nicht abgeschafft, sondern bleibt erhalten. Dafür haben die Städte gemeinsam gekämpft, die finanzstärkeren und die finanzschwächeren, die Städte in den alten und den neuen Ländern. Wir setzen darauf, dass in den nächsten Wochen in der Schlussphase der Arbeit der Gemeindefinanzkommission die Gewerbesteuer auch nicht geschwächt wird." Alle Beteiligten wüssten, dass die Städte einmütig an den Hinzurechnungen von Mieten, Zinsen, Pachten und Leasingraten zur Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer festhalten, die der Steuervermeidung durch Unternehmen entgegenwirkten. Der Deutsche Städtetag baue auf die Zusagen der Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers, keine Reform gegen die Kommunen durchzusetzen.

Ohne massive Hilfe der Länder gelingt Ausbau der Kinderbetreuung nicht

An die Länder richtete die Städtetagspräsidentin den eindringlichen Appell, den Ausbau der Kinderbetreuung finanziell stärker zu unterstützen: "Die Städte unternehmen große Anstrengungen, um den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige voranzutreiben." Es gebe beachtliche Fortschritte, aber es fehlten nach den letzten bisher verfügbaren Zahlen noch rund 280.000 Plätze, um bundesweit auf 750.000 Plätze zu kommen.

"Es wird äußerst schwer, im Jahr 2013 den Rechtsanspruch auf Betreuung umzusetzen. Ohne massive Hilfe der Länder können die Städte auch bei allergrößter Anstrengung den vollständigen Ausbau nicht bewältigen", so Petra Roth weiter. Sie erinnerte an das Urteil des höchsten Gerichts in Nordrhein-Westfalen aus dem Herbst 2010, in dem klargestellt wurde, dass das Land entsprechend dem Konnexitätsprinzip "Wer bestellt, bezahlt" nach Abzug der Bundesmittel die vollen Kosten für den gesetzlich vorgeschriebenen Ausbau tragen muss.
Appell zur Energiepolitik

Auch in der aktuellen Debatte um die künftige Energiepolitik melden sich die deutschen Städte zu Wort. Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, sagte in der Auftakt-Pressekonferenz des Deutschen Städtetages zur Hauptversammlung, die Städte begrüßten, dass die sieben ältesten Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet sind und die im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke erneut zur Diskussion steht.

Christian Ude: "Die Städte und ihre Stadtwerke sind ein starker Partner für eine umweltfreundliche Energiewende, für eine Energieerzeugung, die sicher ist und das Klima schont. Die Stärken der Städte und der kommunalen Unternehmen für eine verlässliche und dezentrale Energieversorgung sollten besser genutzt werden, wenn jetzt in der Energiepolitik in Deutschland umgesteuert wird. Wir appellieren an Bund und Länder: Erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung durch lokale und regionale Energieversorger müssen Vorfahrt erhalten."

Um Klimaschutz und erneuerbare Energien weiter voranzutreiben, benötigten die Stadtwerke faire Wettbewerbsbedingungen, gerade auch im Vergleich zu den großen Konzernen. Die klaren wirtschaftlichen Vorteile der Konzerne durch die im vergangenen Jahr beschlossene Laufzeitverlängerung seien vom Deutschen Städtetag immer kritisiert worden, weil dadurch die Investitionen der Stadtwerke in erneuerbare Energien unrentabler würden.

Kritik an Kürzung der Städtebauförderung

Vizepräsident Ude kritisierte die Kürzungen des Bundes bei der Städtebauförderung, die vor allem das Programm "Soziale Stadt" schwer treffen. Die Eckpunkte des Bundeshaushaltes 2012 ließen befürchten, dass die Städtebauförderung nach einer erheblichen Kürzung im Jahr 2011 auf 455 Millionen Euro erneut drastisch auf 265 Millionen Euro reduziert werden soll.
"Kahlschlag bei der Sozialen Stadt ist kontraproduktiv", so Ude: "Gerade dieses Programm hilft, benachteiligte Stadtviertel zu stabilisieren und in Integration und den lokalen Arbeitsmarkt zu investieren. Dringend notwendige Zukunftsinvestitionen dürfen hier nicht ausgebremst werden, weil sie helfen, Stadtviertel familien- und altengerecht umzubauen und energetisch zu optimieren." Der Deutsche Städtetag appelliere deshalb an Bundesregierung und Bundestag, die Städtebauförderung für 2012 auf keinen Fall erneut zu kürzen, sondern mindestens auf dem Niveau von 2010 in Höhe von 535 Millionen Euro zu erhalten.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag, Hauptgeschäftsstelle Berlin Pressestelle Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin Telefon: (030) 377110, Telefax: (030) 37711999

(tr)

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