Austausch und Zusammenhalt statt Distanzierung
(Berlin) - DL-Präsident Stefan Düll zum Protest von Eltern an einem Gymnasium gegen die vorübergehende Einquartierung einer beruflichen Schule in leerstehenden Räumen des Gebäudes:
In einem Artikel der FAZ in der Rhein-Main-Ausgabe vom 21.07.2025 wird geschildert, wie Eltern von Schülerinnen und -Schülern an einem Gymnasium in Frankfurt/Main sich mit Petitionen dagegen organisieren, dass eine Berufsschule während der dringend anstehenden Sanierung ihrer asbestbelasteten Gebäude die leerstehenden Gebäudeteile der ehemaligen „Neuen Börse“ im Ortsteil Bockenheim nutzt, in denen auch zwei Gymnasien ansässig sind. Die Eltern fürchten einen angeblichen schlechten Einfluss der älteren Berufsschüler auf die jüngeren Kinder und Jugendlichen der im Aufbau befindlichen Gymnasien.
Der Mitgliedsverband BvLB des Deutschen Lehrerverbands, der die Lehrkräfte an beruflichen Schulen vertritt, wendet sich entschieden gegen die Haltung dieser Eltern. Die BvLB-Vorsitzenden Pankraz Männlein und Sven Mohr betonen: „Berufsschülerinnen und Berufsschüler sind keine Problemfälle – sie sind Teil der Lösung. Sie tragen Verantwortung im Berufsalltag, sie stemmen Versorgung, Transport, Pflege und Organisation. Sie halten, oft unsichtbar, unsere Gesellschaft am Laufen – jetzt und in Zukunft. Ihre berufliche Ausbildung ist ein Pfeiler unseres Bildungssystems sowie unseres Wohlstands.“
Der Deutsche Lehrerverband steht solidarisch an der Seite seines Mitgliedsverbandes BvLB. DL-Präsident Stefan Düll betont: „Die Beruflichen Schulen sind eine wichtige und wesentliche Säule des Schul- und Bildungswesens in Deutschland. Berufsschulen bilden in systemrelevanten Berufen aus, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktioniert. Gymnasien haben hier keine Berührungsängste – und die Eltern von gymnasialen Schülerinnen und Schülern sollten auch keine haben. Viele Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen haben übrigens Abitur und haben sich für eine berufliche Ausbildung anstelle eines Studiums entschieden. In der heutigen Zeit braucht es mehr gesellschaftliche Kommunikation, Austausch und Zusammenhalt statt Distanzierung.
Ich bin selbst Schulleiter an einem Gymnasium in Neusäß, das sich das Gelände mit einer Realschule und einem beruflichen Schulzentrum, das mehrere berufliche Schulformen vereint, teilt. Seit Jahren haben wir Lernende aus den beruflichen Schulen auch in unseren Gebäuden. Während der gerade abgeschlossenen Sanierung meiner Schule waren wir zu Gast in ehemaligen Gebäudeteilen der beruflichen Schule. Die organisatorische Zusammenarbeit der Kolleginnen und Kollegen und das Miteinander der Schülerinnen und Schüler aller Schulformen ist bereichernd und unproblematisch. Es finden gemeinsame Veranstaltungen statt, und das berufliche Schulzentrum stellt uns immer wieder ihre große Aula zur Verfügung. Wer etwas braucht, bekommt die Unterstützung der anderen Schulen. Im vorliegenden Fall in Frankfurt ermutige ich alle Beteiligten, aufeinander zuzugehen und einander kennenzulernen. Im Übrigen: Alle Berufsschüler waren einmal in der 5. und 6. Klasse, und die Fünftklässler werden einmal ältere Teenager und junge Erwachsene sein.“
Der BvLB fordert in seiner Pressemitteilung Begegnung, Miteinander und Respekt statt Bildungsdünkel und sozialer Distanzierung: „Unsere pluralistische Demokratie lebt von Durchlässigkeit, von gegenseitiger Wertschätzung – und von der Anerkennung, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertig sind. Wer das ignoriert, untergräbt nicht nur das Selbstwertgefühl hunderttausender junger Menschen in der Berufsausbildung, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt.“ Die BvLB-Vorsitzenden unterstreichen: „Lassen wir uns nicht von diffusen Ängsten oder diffamierenden Äußerungen leiten. Statt Mauern zu errichten, sollten wir Brücken bauen – zwischen Schulformen, Lebenswegen und Milieus. Denn nur so funktioniert eine demokratische, inklusive und zukunftsfähige Gesellschaft.“
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Lehrerverband (DL), Dominicusstr. 3, 10823 Berlin, Telefon: 030 70094776