Pressemitteilung | ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.

Automobilindustrie Deutschland: starkes Wachstum bei schwacher Produktivitätsentwicklung

(München) - Die deutsche Automobilindustrie ist mit einem Umsatz von 279,3 Mrd. Euro (2004) und einem Anteil von knapp 20 Prozent am Verarbeitenden Gewerbe die größte Industriegruppe der deutschen Wirtschaft, und sie wuchs in den letzten zehn Jahren überdurchschnittlich stark. Überlagert wurde das Wachstum von einer Reihe struktureller Verschiebungen, die zu einer Verringerung der Fertigungstiefe und einer relativen Verschlechterung der Beschäftigtenproduktivität (reale Bruttowertschöpfung pro Erwerbstätigem) im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe führte.

Während der Umsatz des Verarbeitenden Gewerbes im letzten Jahrzehnt um nominal 36 Prozent (real 23 Prozent) wuchs, stieg der Umsatz der Automobilindustrie um 108 Prozent (real 80 Prozent) an. Der Abstand zur Nummer zwei - dem Maschinenbau - vergrößerte sich deutlich. Im Jahr 1995 lagen diese beiden Branchen noch nahe nebeneinander: 12,8 Prozent des Umsatzes im Verarbeitenden Gewerbe gehörten der Automobilindustrie, 12,4 Prozent dem Maschinenbau. Heute liegen die entsprechenden Anteilswerte bei 19,8 Prozent (Automobilindustrie) und 12,0 Prozent (Maschinenbau). Der Umsatzanstieg fand hauptsächlich beim Auslandsabsatz statt. Die Exportquote der Automobilindustrie liegt mittlerweile (2004) bei 58,3 Prozent.

Die Fertigungstiefe (Anteil der Bruttowertschöpfung am eigenen Output) ist in den letzten Jahren sowohl im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt als auch in der Automobilindustrie deutlich gesunken. Der Rückgang der Fertigungstiefe war allerdings in der Automobilindustrie erheblich stärker ausgeprägt als im Rest des Verarbeitenden Gewerbes. Während die Fertigungstiefe im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt von 1995 bis 2004 von 36,5 Prozent auf 33,4 Prozent fiel, nahm sie in der Automobilindustrie gar von 33,4 Prozent auf 26,7 Prozent ab. Zugleich nahm die Wertschöpfung der Automobilindustrie relativ zum Bruttoinlandsprodukt zu. Der Anteil der Automobilindustrie am BIP stieg von 2,4 Prozent im Jahr 1995 auf 2,9 Prozent im Jahr 2004. Ähnlich wie es im Export im Allgemeinen der Fall ist, stieg also die Wertschöpfung der exportintensiven Automobilindustrie überdurchschnittlich schnell, und pro Einheit Wertschöpfung wurde ein immer größerer Materialdurchfluss realisiert.

Die Entwicklung ging mit unterschiedlichen Bewegungen bei der Beschäftigung einher. Während die Zahl der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt von 1995 bis 2003 um 8,2 Prozent schrumpfte - was einem Rückgang der vollzeitäquivalenten Beschäftigung um 12,7 Prozent entsprach - nahm die Beschäftigtenzahl in der Automobilindustrie um 22,6 Prozent zu. Die reale Beschäftigtenproduktivität lag in der Automobilindustrie im Jahr 2003 (61.800 Euro pro Beschäftigten) fast unverändert auf dem Niveau des Jahres 1995 (61.400 Euro).

Die genannten Informationen belegen, dass sich Deutschland in zunehmendem Maße auf die industriellen Endstufen der Industrieproduktion spezialisiert. Die volkswirtschaftliche Bewertung der Entwicklung ist ohne eine gleichzeitige Beurteilung der Lohn- und Arbeitsmarktsituation offen. Die Spezialisierung entspricht in qualitativer Hinsicht sowohl einer gesunden Anpassung an die Kräfte der Globalisierung (Verbesserung der internationalen Arbeitsteilung) als auch dem Wirken des sogenannten pathologischen Exportbooms (übermäßige Steigerung der Wertschöpfung und Beschäftigung im Export zu Lasten der Binnensektoren im Verein mit einer übermäßig raschen Abnahme der Fertigungstiefe).

Quelle und Kontaktadresse:
ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Annette Marquardt, Pressesprecher Poschingerstr. 5, 81679 München Telefon: (089) 92240, Telefax: (089) 985369

(sk)

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