Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

BDA und DGB zur geplanten Gesundheitsreform / Für die Beibehaltung der Beitragsautonomie

(Berlin) - Der von der Bundesregierung geplante Gesundheitsfonds löst kein einziges der zentralen Probleme in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Er schafft keine tragfähige Finanzierungsgrundlage, sorgt nicht für mehr Qualitäts- und Kostenwettbewerb, führt nicht zu einem effizienteren Einsatz der Mittel und kann damit auch die Ausgabendynamik nicht begrenzen. Das Ziel der Rationalisierung des Beitragseinzugs wird zwar geteilt, aber dazu bedarf es nicht der Einrichtung eines Gesundheitsfonds.

BDA und DGB sprechen sich dafür aus, auf den von der Bundesregierung geplanten Gesundheitsfonds zu verzichten und die Beitragssouveränität in vollem Umfang bei den gesetzlichen Krankenkassen zu belassen.

Für weitergehende Strukturreformen und mehr Wettbewerb
Die Eckpunkte der Bundesregierung sehen eine ganze Reihe von grundsätzlich sinnvollen Strukturmaßnahmen vor.

Dazu zählen vor allem:
die Einführung einer Kosten-/Nutzenbewertung von Arzneimitteln,
die Verlängerung der Anschubfinanzierung der Integrierten Versorgung,
die Einbeziehung der Pflege in die Integrierte Versorgung,
die Ermöglichung einer Wahl zwischen mehreren Versorgungsformen,
die Erweiterung der Vertragsmöglichkeiten von Kassen mit Leistungserbringern einschließlich Ausschreibungen und Rabattverhandlungen sowie
ein verbessertes Schnittstellenmanagement zwischen Akutversorgung,
Rehabilitation und Pflege.

Diese Ansätze sind allerdings zu zaghaft und müssen im Gesetzgebungsverfahren deutlich ausgebaut werden.

DGB und BDA erwarten insbesondere mehr Mut bei der Überwindung der Trennung des Gesundheitswesens in Versorgungssektoren und bei der Schaffung eines echten Qualitäts- und Kostenwettbewerbs. Außerdem sollte der Gesetzgeber Krankenkassen und Leistungs¬erbringern größtmögliche Freiheiten bei der Ausgestaltung neuer Versorgungsformen (z. B. Hausarztmodell) überlassen, statt den Wettbewerb um die beste Versorgungsform durch gesetzliche Vorgaben zu behindern.

Für eine Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs
Damit ein fairer Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen möglich wird, ist die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs zu einem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich nötig. Dieser gewährleistet, dass es keinen Wettbewerb um gute Risiken gibt, sondern Wettbewerb um gute Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Die Eckpunkte sind an dieser Stelle nicht konkret genug und sprechen nur von einem Risikostrukturausgleich, der Krankheit berücksichtigt. Auch in den ersten Gesetzesplänen fehlen Regelungen zur Verbesserung der Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs.

DGB und BDA setzen sich dafür ein, dass der Risikostrukturausgleich zeitnah morbiditätsorientiert weiterentwickelt wird.

Für eine verlässliche Steuerfinanzierung
In den Eckpunkten sind für die gesetzliche Krankenversicherung für 2008 und 2009 Steuermittel von 1,5 Mrd. Euro bzw. 3 Mrd. Euro vorgesehen. Dies bleibt weit hinter dem Notwendigen zurück und ist ein Rückfall hinter die derzeitige Steuerfinanzierung in Höhe von 4,2 Mrd. Euro.

Die von der Bundesregierung bewusst in Kauf genommene Anhebung der Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen um 0,5 Beitragspunkte im Jahr 2007 wird von DGB und BDA abgelehnt. Die Anhebung wäre weitgehend vermeidbar, wenn die Mittel aus der Tabaksteuer für die GKV nicht zurückgefahren würden und wenn Mehrkosten durch die Anhebung der Mehrwertsteuer nicht entstünden. Es ist nicht vertretbar, dass der Staatshaushalt auf Kosten der Beitragszahler saniert wird.

BDA und DGB setzten sich dafür ein, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung angemessen und verlässlich über Steuermittel finanziert werden.

Für eine sachgerechte Finanzierung der Prävention
Das Ziel, die Prävention zu stärken und die Voraussetzungen für eine Vernetzung und Kooperation der verschiedenen Akteure im Bereich der Prävention zu verbessern, ist richtig und wird von DGB und BDA unterstützt. Die vorgesehene weitgehende Finanzierung von Präventionsmaßnahmen aus Beitragsmitteln ist aber verfehlt.

BDA und DGB fordern daher, Präventionsmaßnahmen, die keinen Bezug zum Versichertenverhältnis haben und der Allgemeinheit zu Gute kommen, nicht über Sozialversicherungsbeiträge, sondern aus Steuermitteln zu finanzieren. Außerdem muss sichergestellt sein, dass der geplante Ausbau der Prävention innerhalb der Sozialversicherung nicht durch die weitere Rückführung von Präventionsanstrengungen der Gebietskörperschaften konterkariert wird.

Für eine selbstverwaltete Krankenversicherung
Die Vorschläge der Regierungskoalition bedeuten eine Beschneidung der Selbstverwaltung und eine Ausweitung des Staatseinflusses. So soll die Entscheidung über die Höhe des Beitragssatzes den Krankenkassen genommen und auf das Bundesgesundheitsministerium übertragen werden. Außerdem sollen die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses künftig nicht mehr autonom durch die Selbstverwaltung, sondern nur mit Zustimmung des Bundesgesundheitsministeriums berufen werden. Dies stellt eine nicht zu akzeptierende Schwächung der Selbstverwaltung dar und lässt die Interessen der Beitragszahler in den Hintergrund treten. Der Gemeinsame Bundesausschuss darf keine nachgeordnete Behörde des Bundesgesundheitsministeriums werden.

Schließlich sehen die Gesetzespläne einen gesetzlich geregelten „Spitzenverband Bund der Krankenkassen“ vor. Nach dem Prinzip der Selbstverwaltung sollte dies durch einen freiwilligen Zusammenschluss und nicht durch gesetzliche Vorgabe erfolgen. Andernfalls besteht auch durch diesen gesetzlich verordneten Dachverband die Gefahr eines verstärkten Staatseinflusses zu Lasten der Selbstverwaltung, insbesondere wenn der Dachverband zur Durchsetzung staatlicher Vorhaben und Maßnahmen zweckentfremdet wird.

DGB und BDA fordern, die staatsferne und versichertennahe Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten und zu stärken.

Für einen konstruktiven Dialog
BDA und DGB stellen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und fordern die Große Koalition zu einem konstruktiven Dialog mit den relevanten Akteuren im Gesundheitswesen und insbesondere mit den Sozialpartnern auf. Dann kann es gelingen, sinnvolle Ansätze weiter auszubauen und Fehlsteuerungen rechtzeitig zu vermeiden.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Bundesvorstand Hilmar Höhn, Leiter, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Telefon: (030) 24060-0, Telefax: (030) 24060324

(sk)

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