BDI-Präsident Thumann: Licht und Schatten im neuen Energie-Binnenmarktpaket der EU-Kommission
(Berlin) - Das Vorhaben der EU-Kommission, mit ihrem neuen Legislativpaket den Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten voranzubringen und den Weg für einen integrierten europäischen Binnenmarkt für Strom und Gas zu bereiten, wird vom BDI begrüßt. Mit ihren Entflechtungsvorgaben habe die Kommission allerdings das Mandat des europäischen Rates einseitig ausgelegt, erklärte BDI-Präsident Jürgen R. Thumann. Der Rat hatte sich zwar für eine effektive Trennung von Energieerzeugung und Verteilung ausgesprochen, zunächst aber auf eine konsequente Anwendung der bereits bestehenden Vorschriften gedrängt. Die wettbewerbspolitischen Vorzüge einer Entflechtung seien natürlich nicht von der Hand zu weisen, sagte Thumann. Nichtsdestotrotz werfe ein solcher Schritt erhebliche praktische Probleme auf. Das betreffe insbesondere die in Deutschland vorhandene privatwirtschaftliche Netzstruktur, die unter besonderem Schutz unserer Verfassung stünde. „Langjährige Rechtsstreitigkeiten können wir uns jedenfalls in einem so investitionsbedürftigen Sektor nicht leisten“, so Thumann.
Besonders kritisch sehe der BDI auch die Ungleichbehandlung von staatlichen und privaten Unternehmen. Während private Unternehmen rechtlich oder de facto enteignet werden, sieht die Kommission für staatliche Energieanbieter lediglich eine rein institutionelle Neuzuordnung zu verschiedenen Ministerien vor. Mit dem Ergebnis, dass Unternehmen in staatlichem Eigentum weitestgehend unangetastet bleiben. Sollten die betroffenen Staaten nicht gleichzeitig zu einer Privatisierung entweder der Energieerzeugung oder des Netzbetriebes veranlasst werden, läuft für diese Märkte eine eigentumsrechtliche Entflechtung faktisch ins Leere. Staatsunternehmen werden daher eindeutig begünstigt, was den erkennbaren Trend zu staatlicher Einmischung in den Markt (Protektionismus) bis hin zu einer faktischen Renationalisierung von Unternehmen nur noch verstärkt. Spanien und Frankreich haben dafür jüngst Beispiele geliefert. Diese Tendenz einhergehend mit einer Abschottung vor Investitionen aus Drittstaaten wirkt dem erklärten Ziel des Binnenmarktpaketes, einen integrierten europäischen Strom- und Gasmarkt zu schaffen, entgegen.
„Nach wie vor sind private wie staatliche Energieanbieter in der Bringschuld, einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten und ausreichende, vor allem auch grenzüberschreitende Netzkapazitäten zur Verfügung zu stellen“, betonte der BDI-Präsident. Neueste Anläufe, wie die Schaffung eines Deutschland, Frankreich und die Benelux Staaten umfassenden regionalen Marktes bis 2009 sowie die Einrichtung regionaler Netzbetreiber stimmten ihn optimistisch.
„Wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise sind für unsere Wirtschaft und vor allem für energieintensive Unternehmen von hoher bis existenzieller Bedeutung. Was wir jetzt brauchen, sind pragmatische Lösungen, die das geltende Recht verstärken sowie die konsequente Anwendung bereits vorhandener Instrumente zur Marktregulierung“, forderte der BDI-Präsident. Die Vorschläge der Kommission zur Stärkung der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden und zur Schaffung einer gemeinschaftlichen Institution für grenzüberschreitende Fragen seien daher zu begrüßen. Deutschland habe auf nationaler Ebene mit der Bundesnetzagentur, der Kraftanschlussverordnung und der künftigen Anreizregulierung neue Instrumentarien geschaffen, die Diskriminierungen beim Netzzugang und bei der Preisgestaltung verhindern sollen, so Thumann. Sie müssten nunmehr Gelegenheit haben, sich zu entfalten, bevor mit neuen, stark in die Marktstruktur eingreifenden Vorschriften Anbieter wie Verbraucher verunsichert werden.
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