Bei Modernisierung des Strafverfahrens Kinderrechte stĂ€rker in den Fokus rĂŒcken
(Berlin) - Das Deutsche Kinderhilfswerk begrĂŒĂt anlĂ€sslich der heutigen Bundestagsdebatte zur Modernisierung des Strafverfahrens das Vorhaben der Bundesregierung, die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Justizverfahren zu stĂ€rken. Zugleich plĂ€diert die Kinderrechtsorganisation fĂŒr weitergehende Ănderungen, um eine kindgerechte Justiz nach den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention zu garantieren. DafĂŒr sollte ein eigenstĂ€ndiges Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Strafverfahren mit minderjĂ€hrigen Opferzeuginnen und -zeugen in der Strafprozessordnung festgeschrieben werden, um dem Kindeswohlvorrang gemÀà der UN-Kinderrechtskonvention in Strafverfahren Rechnung zu tragen.
AuĂerdem fordert das Deutsche Kinderhilfswerk eine bundesweite Verpflichtung zur Fortbildung fĂŒr alle Richterinnen und Richter, die in ihren Verfahren mit Kindern zu tun haben. Dabei sollen die fĂŒr den kindgerechten Umgang mit minderjĂ€hrigen Opferzeuginnen und -zeugen erforderlichen Kompetenzen vermittelt werden, denn vom Verhalten der vernehmenden Richterinnen und Richter hĂ€ngt entscheidend ab, wie Kinder das Verfahren erleben. Bisher gibt es eine Fortbildungspflicht lediglich in drei BundeslĂ€ndern (Baden-WĂŒrttemberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt). Zudem sollten richterliche Videovernehmungen bei minderjĂ€hrigen Opfern von Sexualdelikten und anderen schweren GewalttatbestĂ€nden zum bundesdeutschen Standard werden.
"MinderjĂ€hrige Opferzeuginnen und -zeugen sind besonders schutzbedĂŒrftig. Der Staat hat deshalb in besonderem MaĂe darauf zu achten, dass durch das Strafverfahren Kinder und Jugendliche nicht erneut zum Opfer gemacht werden. Deshalb brauchen wir ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot, durch das die Belastungen eines Strafverfahrens so weit wie möglich minimiert werden, natĂŒrlich unter Wahrung des Rechts des oder der Angeklagten auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren. TatsĂ€chlich dauern viele Verfahren derzeit zu lang, nicht selten mehrere Jahre. Das muss sich Ă€ndern, auch um zu garantieren, dass kindliche Opferzeuginnen und -zeugen so frĂŒh wie nötig mit einer Therapie beginnen können. Denn davon wird wĂ€hrend eines andauernden Strafverfahrens hĂ€ufig abgeraten, um die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeuginnen und Zeugen nicht zu gefĂ€hrden. Das aber ist ein VerstoĂ gegen die Kinderrechte", betont Anne LĂŒtkes, VizeprĂ€sidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.
"Wir sehen in der Praxis, dass nur an wenigen Gerichten von der Möglichkeit der richterlichen Videovernehmung von kindlichen Opferzeuginnen und -zeugen im Ermittlungsverfahren Gebrauch gemacht wird. Es besteht mithin ein gravierendes Umsetzungsdefizit der bisher als Soll-Vorschrift ausgestalteten Regelung. Zumeist sind noch nicht einmal die technischen und rĂ€umlichen Voraussetzungen geschaffen, um eine solche Vernehmung durchzufĂŒhren. Deshalb ist es richtig und wichtig, hier eine Muss-Vorschrift zu verankern und diese auch mit entsprechenden Mitteln zu hinterlegen. Diese Muss-Vorschrift sollte sich nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes nicht auf Sexualdelikte beschrĂ€nken, sondern auch weitere schwere GewalttatbestĂ€nde umfassen", so LĂŒtkes weiter.
Neben der bundesweiten Verpflichtung zur Fortbildung fĂŒr alle Richterinnen und Richter, die in ihren Verfahren mit Kindern zu tun haben, tritt das Deutsche Kinderhilfswerk dafĂŒr ein, Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Schwerpunktgerichte fĂŒr Jugendschutzverfahren bei der Strafjustiz zu schaffen. Denn bei mehr als 750 Amts- und Landgerichten kann nicht jede Richterin oder jeder Richter in allen Spezialgebieten zu Hause sein. Durch die Spezialisierung bestimmter Gerichte muss nicht jedes einzelne Amts- und Landgericht die Ressourcen fĂŒr die Videovernehmung und die Schulungen der Richterinnen und Richter aufbringen. Daher wĂ€re es ratsam, diese Verfahren ĂŒber Gerichtsbezirksgrenzen hinweg zu konzentrieren - wie man es aus dem Wirtschaftsstrafrecht oder bei Staatsschutzsachen kennt.
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