Pressemitteilung | Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP)

Beirat der Angehörigen im CBP fordert unbürokratische Hilfen für Flüchtlinge mit Behinderung aus der Ukraine

(Berlin) - Mit Entsetzen verfolgen wir immer noch täglich die Entwicklungen im Krieg in der Ukraine. Wir sind fassungslos angesichts des Leids, dass der Überfall von Russland über die Bevölkerung in der Ukraine gebracht hat. In besonderer Weise betroffen sind dabei Menschen mit Behinderung sowie alte und pflegebedürftige Menschen. Wir haben selbst Kinder und Angehörige mit Behinderung und für uns bedeutet die Vorstellung, mit unseren Kindern über hunderte von Kilometern durch ein Kriegsgebiet flüchten zu müssen, der blanke Horror.

Wir hören von Zügen mit blinden Kindern, die mit verhängten Scheiben nur nachts im Schritttempo zur polnischen Grenze fahren, um nicht beschossen zu werden, wir sehen Bilder von Waisenkindern mit geistiger und mehrfacher Behinderung, die Pritsche an Pritsche im Keller die Bombardierungen über sich ergehen lassen müssen und wir können uns sicher nicht ansatzweise vorstellen, welche Schrecken diese Kinder erdulden müssen und welche Traumata sie erleiden.

Um so wichtiger ist es, dass die Hilfe, medizinische Versorgung, Unterbringung und Betreuung bei uns in Deutschland schnell und weitgehend unbürokratisch erfolgt.

Hier aber gibt es scheinbar immer wieder erhebliche Probleme. Da wird auf bestehende Standards und auf die Einhaltung von Vorschriften verwiesen, die eine schnelle und adäquate Hilfe erschweren. Obwohl die Europäische Union den Flüchtlingen aus der Ukraine einen besonderen Schutz- und Hilfestatus zubilligt, verweisen Kostenträger mitunter und immer noch auf Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und verweigern Leistungen der Eingliederungshilfe.

Dabei sind diese Menschen auf eine sofortige medizinische Versorgung angewiesen, etwa bei der Verordnung von Medikamenten bei Epilepsie, oder auf eine Unterbringung und Betreuung in gewohnten Gruppen. Bei Letzterem muss das schnelle Finden von Lösungen und nicht die Einhaltung von Baustandards im Vordergrund stehen. Auch die Beschäftigung und der Einsatz von ukrainischen Flüchtlingen zur Betreuung kann nicht vom Vorliegen eines Impfpasses oder der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses abhängig sein. Gerade ukrainische Flüchtlinge, die ihrerseits anderen helfen wollen, können den Kindern und jungen Erwachsenen mit Behinderung Halt und Geborgenheit in all der Unsicherheit und dem Schrecken, den sie verarbeiten müssen, geben. Sie als Freiwillige oder in Anstellung einzusetzen, überwindet zudem Sprachbarrieren, was in der Betreuung von unschätzbarem Wert ist. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen, die der schnellen und sachgerechten Hilfe im Wege stehen können oder diese unnötig erschweren.

Wir wollen hier nicht der Absenkung von Standards das Wort reden. Aber es steht die Abwendung und Milderung von erheblicher Not im Vordergrund, was unkonventionelle Lösung erfordert, bei denen auch mal "Fünfe gerade sein" sein müssen. Trauen wir den Einrichtungen der Behindertenhilfe zu, dass sie hier pragmatische und gute Lösungen finden!

Wenn Helmut Schmidt bei der Flutkatastrophe in Hamburg in den sechziger Jahren ebenfalls nur auf die Vorschriften geachtet hätte, wären damals sicher viel mehr Menschen ums Leben gekommen. Deshalb: Nehmen wir uns auch an ihm und seinem Tun ein Beispiel!

Und ein weiterer Punkt ist uns in diesem Zusammenhang wichtig: Die Flüchtlinge mit Behinderung aus Waisenhäusern kommen in Gruppen und diese gewohnten Gruppen dürfen bei der Verteilung nicht getrennt werden. Die Menschen erfahren in der Gruppe Halt, was in der völlig ungewohnten Situation, in der sie sich befinden, und nach all dem Schrecken, den sie erleben mussten, von größter Wichtigkeit ist. Viele von ihnen haben keine Eltern mehr oder mussten den Vater und auch Teile ihrer Betreuer in der Ukraine zurücklassen. Sie sind deshalb ungeeignet für das Zuweisungsverfahren durch die Kommunen, das diese Gruppen auseinanderreißen kann. Auch die Unterbringung in Sammelunterkünften ist für diese Menschen ungeeignet.

Abschließend sind wir all denen, die sich engagieren, den vielen Freiwilligen, den Einrichtungen der Behindertenhilfe, "unserem" CBP, den Verantwortlichen in Politik und bei den Kostenträgern dankbar, die die besondere Situation, in der sich die Menschen mit Behinderung befinden, erkennen und entsprechen handeln. Wir appellieren an weitere Einrichtungen der Behindertenhilfe und an die Kostenträger, die hier vielleicht noch zögern, ebenfalls Betreuungs- und Wohnplätze zur Verfügung zu stellen und pragmatische, ggf. auch unkonventionelle Lösungen zu ermöglichen.

Die Not und der Bedarf sind unverändert groß! Allein in Lviv warten noch tausende Kinder und junge Erwachsenen mit geistiger Behinderung auf ihre Evakuierung.

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein reiches Land und es darf nicht der Eindruck entstehen, dass uns die Einhaltung von Vorschriften wichtiger ist als die schnelle, tatkräftige und umfassende Hilfe für Menschen, die unsagbares Leid erlitten und Alles in ihrem Leben verloren haben.

Quelle und Kontaktadresse:
Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) Pressestelle Reinhardtstr. 13, 10117 Berlin Telefon: (030) 284447-822, Fax: (030) 284447-828

(mw)

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