Pressemitteilung | Reporter ohne Grenzen e.V. (RSF)

Belarus: Weitere Schläge gegen die freie Presse

(Berlin) - Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die erneuten Schläge der belarussischen Behörden gegen die Pressefreiheit im Land. Nachdem sie in den vergangenen Tagen mehrere Journalistinnen und Journalisten zu Arreststrafen verurteilt hatten, nahmen sie am Montag erneut tut.by ins Visier, das wichtigste unabhängige Nachrichtenportal in Belarus. Die Behörden durchsuchten die Wohnungen von tut.by-Beschäftigten und nahmen die Seite vom Netz.

RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kritisiert das Vorgehen als inakzeptabel: "Es zeigt vor allem eines: Das Lukaschenko-Regime betrachtet eine freie Presse als Hindernis, das es zu beseitigen gilt. Wir verurteilen dieses Vorgehen aufs Schärfste, auch wenn es uns leider nicht überrascht. Vor allem tut.by als größtes noch verbliebenes unabhängiges Medium soll unter fadenscheinigen Argumenten und mit fingierten Vorwürfen mundtot gemacht werden."

Die Behörden haben bereits mehrfach versucht, Druck auf das größte und bekannteste belarussische Nachrichtenportal auszuüben. Anfang 2019 war tut.by-Chefredakteurin Maryna Solatawa verklagt worden, im Dezember 2020 verlor die Nachrichtenseite endgültig den Status als Massenmedium. Immer wieder haben die Behörden gedroht, die Seite zu sperren. Anfang März verurteilte ein Gericht Kazjaryna Barysewitsch zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe von 2900 Rubeln (umgerechnet rund 940 Euro) für die angebliche Verletzung des Arztgeheimnisses. Die tut.by-Journalistin hatte zum Tod eines Oppositionellen recherchiert, der in Polizeigewahrsam unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen war. Gestern ist Barysewitsch aus dem Gefängnis entlassen worden.
Medienschaffende berichten von Misshandlungen
Gegen kritische Journalistinnen und Journalisten geht die Regierung mit Härte vor. Am Samstag, 15. Mai, war Alexander Burakow (Aljaksandr Burakou) wegen der "wiederholten Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung" zu 20 Tagen Arrest verurteilt worden. Burakow arbeitet als freier Journalist auch für die Deutsche Welle. Gemeinsam mit seinem Kollegen Uladsimir Lapzewitsch war er am 12. Mai in Mahiljou festgenommen worden. Sie hatten über Gerichtsprozesse gegen Oppositionelle schreiben wollen. Beide berichten über Misshandlungen. Burakow sagte vor Gericht aus, er sei über mehrere Nächte hinweg am Schlafen gehindert und gezwungen worden, sich in einem Flur der Arrestanstalt nackt auszuziehen. Beide Journalisten haben nach eigenen Angaben einen Hungerstreik begonnen.

Derzeit sind mindestens 16 Journalistinnen und Journalisten in Belarus inhaftiert. Die tut.by-Reporterin Ljubou Kaspjarowitsch wurde am 14. Mai in Minsk festgenommen, als sie über die Gerichtsverhandlung gegen Studierende berichtete. Ein Gericht verurteilte sie wegen der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration zu 15 Tagen Arrest. Einen Tag zuvor war die Fotografin Tazjana Kapitonawa festgenommen und mit dem gleichen Vorwurf zu zehn Tagen Arrest verurteilt worden. Kapitonawa arbeitet ebenfalls für tut.by.
Regierung will kritische Berichte komplett unterdrücken
Bereits am 4. Mai ist der frei arbeitende Kameramann Andrej Fralou festgenommen worden. Ein Gericht verurteilte ihn drei Tage später zu einer Strafe von 300 Euro und 15 Tagen Arrest. Die Anklage gegen ihn lautete auf "illegale Produktion und Verbreitung von Medieninhalten", zudem habe er sich der Polizei widersetzt.

Der Status der Pressefreiheit in Belarus hat sich nach der Präsidentschaftswahl vom August 2020 noch einmal dramatisch verschlechtert. Die Behörden ließen Dutzende journalistische Webseiten sperren und im Laufe des Jahres mehr als 400 Medienschaffende festnehmen, die meisten von ihnen vorübergehend. Sie hatten über die Massenproteste nach der umstrittenen Wahl berichtet. Präsident Lukaschenko versucht, kritische Berichte über die Lage im Land komplett zu unterdrücken.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Belarus auf Platz 158 von 180 Ländern. Weitere Informationen finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/belarus.

Quelle und Kontaktadresse:
Reporter ohne Grenzen e.V. (ROG) Pressestelle Friedrichstr. 231, 10969 Berlin Telefon: (030) 609 895 33 - 0, Fax: (030) 202 15 10 - 29

(tr)

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