Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Beschäftigungseffekte eines Vorschlags zur Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe

(Berlin) - Der aktuelle Wochenbericht 19/2003 des DIW Berlin zeigt die Beschäftigungseffekte eines Vorschlags zur Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Dieser Vorschlag besteht aus drei Komponenten: 1. Der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe; 2. einer deutlichen Reduktion der Sozialhilfe für „arbeitsfähige“ Leistungsempfänger, die weder im regulären Arbeitsmarkt noch im öffentlichen Beschäftigungssektor eine Tätigkeit aufnehmen wollen; 3. verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten für Sozialhilfeempfänger bei Aufnahme einer regulären Beschäftigung.

Die Reduktion des Sozialhilfeniveaus für „arbeitsfähige“ Personen, die keine Beschäftigung aufnehmen wollen, ist bereits gesetzlich vorgesehen. Für die Abgrenzung der Arbeitsfähigkeit gibt es bislang aber keine allgemein akzeptierte Definition. In der vorgeschlagenen Reform wird davon ausgegangen, dass alle Personen zwischen 18 und 65 Jahren, die nicht schwer behindert sind, sich in keiner Vollzeitausbildung oder in Mutterschutz befinden, im Prinzip arbeitsfähig sind. Von dieser Personengruppe wird in jedem Haushalt eine Person ausgeschlossen, falls Kinder im Alter bis 14 Jahren oder schwer behinderte Angehörige im Haushalt betreut werden.

Um für die Hilfeempfänger einen größeren Arbeitsanreiz zu schaffen, muss die Transferentzugsrate bei der Arbeitslosen- und Sozialhilfe gesenkt werden. Jeder durch Arbeit hinzuverdiente Euro würde dann nicht mehr in vollem Umfang von der Arbeitslosen- oder Sozialhilfe abgezogen werden. Da in Deutschland das soziale Existenzminimum im Vergleich zum mittleren Erwerbseinkommen hoch ist, würde aber durch die Reduzierung der Transferentzugsrate auch ein erheblicher Teil der bereits Beschäftigten subventionsberechtigt werden. Dieses „Sozialstaatsdilemma“ lässt sich nur vermeiden, wenn das Sozialhilfeniveau deutlich gesenkt wird. Der hier präsentierte Reformvorschlag sieht eine Kürzung der Regelsätze um 50 Prozent vor. Da die Wohnungskosten in bisheriger Höhe weiter voll von den Sozialämtern übernommen werden würden, beliefe sich die tatsächliche Kürzung des Sozialhilfeniveaus auf durchschnittlich etwa 70 Prozent des bisherigen Niveaus.

Die Beschäftigungseffekte des untersuchten Reformvorschlags liegen bei rund 300 000 Personen im ersten Arbeitsmarkt. Insbesondere für die neuen Bundesländer ist dadurch keine entscheidende Reduktion der Massenarbeitslosigkeit zu erwarten. In etwa einem Drittel der von einer Kürzung der Sozialhilfe bedrohten knapp 900 000 Haushalte in Deutschland würde entweder der Haushaltsvorstand oder dessen Partner eine Vollzeittätigkeit im öffentlichen Beschäftigungssektor aufnehmen. Mit anderen Worten: Zwei Drittel der betroffenen Haushalte würden nach der hier vorgelegten Schätzung eine Kürzung der Sozialhilfe akzeptieren, um der Arbeitsverpflichtung zu entgehen.

Dies beeinflusst in nicht unerheblichem Ausmaß auch die fiskalischen Effekte der Sozialreform. Der größte Effekt ergibt sich durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Je nachdem, ob und in welchem Umfang die Beiträge zur Rentenversicherung für ehemalige Bezieher von Arbeitslosenhilfe weiter subventioniert werden, ergeben sich hier jährliche Einsparungen zwischen 9 und 12 Milliarden Euro. Diesen Einsparungen, die vor allem den Bundeshaushalt entlasten, stehen zusätzliche Ausgaben bei der Sozialhilfe und dem Wohngeld gegenüber. Diese betragen etwa 3,5 Milliarden Euro pro Jahr, falls tatsächlich zwei Drittel der betroffenen Haushalte die Kürzung der Sozialhilfe akzeptieren, um einer Arbeitsverpflichtung zu entgehen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Königin-Luise-Str. 5, 14195 Berlin Telefon: 030/897890, Telefax: 030/89789200

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