„Bildung bei Föderalismus-Streit nicht in Geiselhaft nehmen“ / Kultusminister müssen mit Schulstruktur-Tabu brechen
(Frankfurt am Main) – „Die Bundesländer sollen aufhören, beim Machtpoker im Föderalismus-Streit Bildung in Geiselhaft zu nehmen“, sagte Marianne Demmer, Schulexpertin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), am 06. Dezember in Frankfurt a.M.. „Bei dem Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern darf es keinen faulen Kompromiss zu Lasten der Bildung geben.
„Wir brauchen mehr gemeinsame Ziele und Bildungsplanung von Bund und Ländern – und nicht weniger“, sagte Demmer. Angesichts der erneut schlechten PISA-Ergebnisse sei es grotesk, dass die Länder den Bund fast vollständig aus der Bildungspolitik verdrängen wollen. „Die Länder hatten 50 Jahre Zeit, ein leistungsfähiges Schulsystem aufzubauen, in dem Chancengleichheit herrscht. Die Folgen können wir heute bestaunen: In kaum einem anderen OECD-Staat klafft eine so große Leistungslücke zwischen den Regionen. Die Lerndifferenz gleichaltriger Schüler liegt zwischen den Bundesländern bei mehr als zwei Jahren.“ Bei der Leistung spiele Deutschland in der zweiten Liga. In fast keinem anderen OECD-Staat sei der schulische Erfolg so sehr vom sozialen Status der Eltern abhängig wie in der Bundesrepublik. „Die Ungerechtigkeit im Schulsystem ist sogar noch größer geworden – das gilt auch im Vergleich zwischen den Ländern. Fast ein Viertel ‚Risikoschüler’ pro Jahrgang sind ein Armutszeugnis für das deutsche Schulwesen“, betonte die Gewerkschafterin.
Sie wies darauf hin, dass große schulpolitische Innovationen vor allem vom Bund oder der Bund-Länder-Kommission (BLK) angestoßen worden seien. „Ohne das SINUS-Projekt der BLK zur Förderung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenz der Schüler wären die PISA-Ergebnisse vielleicht noch schlechter ausgefallen. Erst mit der Vier-Milliarden-Euro-Finanzspritze des Bundesbildungsministeriums ist endlich Bewegung in den pädagogisch und gesellschaftlich sinnvollen Ausbau der Ganztagsschulen gekommen“, sagte Demmer.
Sie mahnte die Kultusminister, endlich mit dem Tabu zur Schulstrukturfrage zu brechen. Allein „besserer Unterricht“ behebe strukturelle Probleme nicht. „Erst wenn die Lehrer nicht mehr von Amts wegen gezwungen sind, Kinder zu sortieren und abzuschieben, können individuelle Förderprogramme und neue Lehr- und Lernkonzepte greifen“, sagte Demmer. Sie schlug in diesem Zusammenhang ein bundesweites Fortbildungsprojekt „Lehren und Lernen in heterogenen Lerngruppen“ sowie ein Sprachförderprogramm vor.
Die Vorschläge mancher Wissenschaftler, die den Kultusministern soufflieren, seien weder neu noch hilfreich. „Seit 30 Jahren wird das gegliederte Schulwesen ‚optimiert’, sollen die Hauptschulen ‚gestärkt’ werden. Das Ergebnis: Die Schwächsten werden immer weiter abgehängt und die Stärkeren liegen mit ihren Leistungen im Mittelfeld“, unterstrich die Schulexpertin.
Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt
Telefon: 069/78973-0, Telefax: 069/78973-201
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