Pressemitteilung | DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

Braun: Wirtschaft kann keine mehrjährige Reformpause brauchen! / "Sofort-Agenda 05/06" des DIHK führt 20 Ansatzpunkte auf

(Berlin) - "Die Politik zeigt keine Kraft, tief greifende Strukturreformen anzupacken", bilanziert Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die schon zu mehr als der Hälfte abgelaufene aktuelle Wahlperiode.

"Die Bundesregierung will sich auf das Controlling der bisher eingeleiteten Reformen beschränken", so der DIHK-Präsident. Doch wisse jeder Unternehmer: "Controlling ist gut und notwendig, reicht aber nicht aus."
Die großen Reformbaustellen - Steuersystem, Arbeitsmarkt, Gesundheit - müssten weiter bearbeitet werden, mahnt Braun. Wenn dazu Elan und Zeit für den Rest dieser Wahlperiode nicht mehr ausreichten, gebe es dennoch aus Sicht der deutschen Wirtschaft eine Fülle sinnvoller Maßnahmen, die noch vor der Bundestagswahl 2006 umgesetzt werden könnten.

Braun: "Die Unternehmen am Standort Deutschland können eine mehrjährige Reformpause nicht gebrauchen. Denn Globalisierung und internationaler Wettbewerb nehmen keine Rücksicht auf deutsche Wahltermine und Wahltaktik."

Der DIHK plädiere deshalb mit Nachdruck dafür, die nächsten zwei Jahre nicht untätig verstreichen zu lassen – wenn schon nicht im Großen, wie eigentlich erforderlich, dann zumindest 20-mal im "Kleinen".

Die DIHK-Sofort-Agenda 2005/2006 zeigt dazu die Ansatzpunkte auf:

1. Kapitalbesteuerung in Deutschland attraktiver gestalten:
Deutschland braucht eine Quellensteuer mit Abgeltungswirkung: Der Steuersatz darf maximal 25 Prozent betragen, um dem internationalen Vergleich standzuhalten. Bei der Erbschaftsteuer sollte die Steuer auf Betriebsvermögen nach einer Fortführung des Betriebs von zehn Jahren entfallen.

2. Solidarpakt-II-Mittel investiv verwenden:
Für die Zahlungen aus dem Solidarpakt II an die ostdeutschen Bundesländer muss eine vollständig investive Verwendung gesetzlich sichergestellt werden. Eine reine Berichtspflicht reicht nicht.

3. Nationalen Stabilitätspakt verbindlich machen:
Nötig ist ein nationaler Stabilitätspakt, der den Gebietskörperschaften exakte Verschuldungsgrenzen auferlegt und Einhaltung der EU-Defizitkriterien garantiert. Verstöße gegen den nationalen Stabilitätspakt sind mit einem – an den europäischen Pakt angelehnten – mehrstufigen Sanktionssystem zu sichern.

4. Förderung für Existenzgründung straffen:
Der Existenzgründungszuschuss ("Ich-AG") und das Überbrückungsgeld sind zu einem einzigen Förderinstrument zusammenzufassen. Das Nebeneinander zweier Förderszenarien führt zu Ineffizienzen und Mitnahmeeffekten.

5. Tempo beim Bürokratieabbau erhöhen:
Innovationsregionen müssen mit Experimentierklauseln von bundesgesetzlichen Regelungen abweichen dürfen. Der Gesetzgeber sollte künftig in der Pflicht sein, bei neuen Gesetzesvorlagen die gesamtgesellschaftlichen Bürokratiekosten abzuschätzen und auszuweisen.

6. Wettbewerb auf Postmärkten stärken:
Schon vor dem Wegfall des Briefmonopols zum Jahresende 2007 muss den Wettbewerbern das Einsammeln, Vorsortieren und Einspeisen von Briefsendungen in das Netz der Deutschen Post AG erlaubt werden. Die Befreiung der Post von der Mehrwertsteuer ist aufzuheben.

7. Infrastruktur schneller bereitstellen:
Die nur in Ostdeutschland geltenden Regelungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz sind ein Erfolg. Sie sollten deshalb auf ganz Deutschland übertragen werden.

8. Marke Deutschland im Ausland unter einem Dach bewerben:
Die Aktivitäten aller Wirtschaftsförderungs-Institutionen im Ausland sind zu zersplittert. Sie sollten unter dem Dach der Auslandshandelskammern zusammenarbeiten, um schlagkräftig für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu werben.

9. Europa bei Innovation und Bildung an die Spitze führen:
Zur Stärkung des Forschungs- und Bildungsstandortes Europa sollten europäische Spitzenuniversitäten und -forschungseinrichtungen geschaffen werden. Das europäischen MIT muss Wirklichkeit werden. Zudem sollten deutsche Berufsabschlüsse (Aus- und Weiterbildung) im geplanten EU-Qualifikationsrahmen angemessen eingestuft werden

10. Hochschulen unternehmerisch führen:
Schulen und Hochschulen brauchen mehr Autonomie für Lehrpläne, Organisation, Personal und Finanzen. In einem Schritt ist das Verbot von Studiengebühren aufzuheben. Der Beamtenstatus für Lehrkräfte ist nicht mehr zeitgemäß und sollte daher abgeschafft werden.

11. Nachhaltigkeit in der Rentenversicherung erhöhen:
In der Rentenversicherung muss der Nachhaltigkeitsfaktor konsequent zur Anwendung kommen. Darüber hinaus ist es an der Zeit, Anreize zur Frühverrentung auf Kosten der Solidargemeinschaft zu beseitigen. Hierzu sollten die Abschläge bei vorzeitigem Rentenbezug von 0,3 Prozent auf 0,5 Prozent erhöht werden.

12. Gesetzliche Unfallversicherung modernisieren:
Als Einstieg in eine Reform könnten Selbstbehalte und Eigenbeteiligungen eingeführt werden. Eine lebenslange Unfallrente sollte es künftig erst ab einer Erwerbsminderungsquote von 30 Prozent geben.

13. "Gewerbeordnung 21" schaffen:
Angesichts der aus Brüssel zu erwartenden Dienstleistungsrichtlinie muss jetzt konzeptionell gehandelt werden, um spätestens nach 2006 das zersplitterte deutsche Gewerberecht zu erneuern und europafähig zu machen.

14. Ladenöffnungszeiten freigeben:
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verweist die Gesetzgebungskompetenz in Sachen Ladenschlusszeiten an die Bundesländer. Der entsprechende Gesetzesentwurf des Bundesrates liegt dem Deutschen Bundestag vor. Der DIHK fordert die schnellstmögliche Verabschiedung des Gesetzes. Die Bundesländer sollten dann eine möglichst einheitliche Regelung finden und den Ladenschluss an Werk- und Samstagen komplett freigeben.

15. Modernes Akkreditierungssystem schaffen:
Das Akkreditierungs- und Zertifizierungssystem in Deutschland wird gegenwärtig neu geordnet. Das geplante Akkreditierungsgesetz darf keine zusätzliche Bürokratie für die Unternehmen schaffen.

16. Umwelthaftung neu ordnen:
Nach Verabschiedung der EU-Umwelthaftungsrichtlinie besteht Anlass, das Umweltschadensrecht neu zu gestalten. Dabei muss das in Deutschland bestehende Umweltschadensrecht in die Novellierung einbezogen werden. Haftung sollte auch in Zukunft vom Verschulden der Unternehmer abhängen. Da die Umsetzung rechtlich sehr kompliziert ist, sollte das Vorhaben sehr schnell begonnen werden.

17. Übersoll beim Antidiskriminierungsgesetz verhindern:
Der DIHK setzt sich dafür ein, dass sich der Gesetzgeber auf die Umsetzung der zwingenden Vorgaben aus Brüssel beschränkt. Die von der Bundesregierung bislang vorgesehene Beweislastumkehr würde zu einem inakzeptablen Kosten- und Verwaltungsaufwand führen. Die Regelungen sind zudem derart unbestimmt, dass sie zu großer Rechtsunsicherheit führen würden.

18. Geplantes Formular zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung verhindern:
Das vorgesehene Formular war derart kompliziert, dass es praktisch von keinem Kleinunternehmer oder Existenzgründer ohne steuerliche Beratung hätte ausgefüllt werden könnten. Nur durch massive Intervention der IHK-Organisation konnte dieser bürokratische Irrsinn zunächst gestoppt werden. Der Gesetzgeber muss nun handeln und das Formular gänzlich beseitigen.

19. Systemwechsel bei Rundfunkgebühren einleiten:
Die Teilnahme am Rundfunk steigt mit der Zahl der Nutzer, aber nicht mit der Zahl der Geräte. Folglich ist es auch nicht gerechtfertigt, dass zum Beispiel Hotels und Krankenhäuser für alle Geräte in den Zimmern Gebühren entrichten. Das Gleiche gilt für internetfähige PCs in Unternehmen. Die Rundfunkgebühr sollte deshalb künftig an Personen und Haushalten anknüpfen.

20. Bei der Föderalismusreform am Ball bleiben:
Die Bundesstaatskommission hat an vielen Punkten einigungsreife Vorschläge erarbeitet. Diese gute Grundlage muss nun im neuen Jahr für einen neuen Anfang zur Modernisierung der föderalen Ordnung in Deutschland genutzt werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Breite Str. 29, 10178 Berlin Telefon: 030/203080, Telefax: 030/203081000

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