Pressemitteilung | DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

Bürger setzen auf Reformen – und auf sich selbst / Wirtschaftsjunioren präsentieren die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung 2005/ Bundesbürger sind zu Opfern bereit und vertrauen vor allem auf sich selbst

(Berlin) - Die Bundesbürger sehen ihre private finanzielle Situation wieder deutlich entspannter. Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen hält ihren Arbeitsplatz für sicher. Zugleich wächst die Bereitschaft, für die Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes Opfer zu erbringen. Und: Die Bürger wollen vor allem für langlebige Güter und Altersvorsorge mehr Geld ausgeben. – Das sind zentrale Ergebnisse aus der Bevölkerungsbefragung 2005 der Wirtschaftsjunioren Deutschland. „Die Botschaft ist angekommen“, so Thorsten Westhoff, Bundesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren Deutschland, bei der heutigen Vorstellung der Studie in Berlin: „Jeder muss und kann an seinem Platz das Nötige tun, um die Basis unseres Wohlstandes zu halten und für die Zukunft zu sichern.“

Dabei sehen die bundesweit mehr als 8000 befragten Bürger auch die wirtschaftliche Gesamtsituation wieder etwas entspannter. Nur noch jeder Vierte geht davon aus, dass die konjunkturelle Fahrt weiter bergab geht. Um den Arbeitsplatz zu sichern, ist jeweils rund die Hälfte der Befragten bereit, unregelmäßige oder längere Arbeitszeiten zu akzeptieren. Sogar Lohneinbußen sind für rund 22 Prozent ein annehmbarer Preis. Allerdings denkt nur noch jeder Achte ernsthaft über eine Zukunft als Unternehmer nach.

Die härtesten Wettbewerber sehen die Deutschen vor allem in den Billiglohnländern – in China und den neuen EU-Ländern. Drei Fünftel sehen ihr Land als Verlierer der Globalisierung. An ihrer eigenen Qualifikation zweifeln sie darum nicht: Fast zwei Drittel sind der Auffassung, dass sie „gut“ oder „sehr gut“ ist. Die Ausbildungsreife des Nachwuchses allerdings bewerten jeweils rund 20 Prozent mit „mangelhaft“ und „ausreichend“.

Immerhin glaubt fast die Hälfte der Bundesbürger inzwischen wieder, dass sich Leistung in Deutschland lohnt. Umso entschiedener vertrauen sie auf sich selbst: Nur jeder Zehnte sieht bei den gewählten Volksvertretern noch die notwendige Kompetenz zur Lösung der Probleme. Könnten die Bürger direkt über den Haushalt entscheiden, würden drei Viertel Bildung und Forschung, zwei Drittel die Familienpolitik höher budgetieren. Für ein einfacheres Steuersystem würden fast 45 Prozent auf sämtliche Subventionen verzichten.

Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung 2005
Die Bundesbürger sehen die wirtschaftliche Gesamtsituation wieder etwas entspannter. Zwar erwarten nur noch 20,7 Prozent ein definitives Anziehen der Konjunktur (nach 22,5 Prozent im Vorjahr). Zudem liegt die Zahl der Pessimisten bereits zum dritten Mal höher als die Zahl der Optimisten. Doch der Abstand hat sich deutlich verringert: Nur noch jeder Vierte geht davon aus, dass es weiter bergab geht (Vorjahr: jeder Dritte).

Noch positiver beurteilen die Bundesbürger ihre private finanzielle Situation. Nur noch 28 Prozent befürchten, in 12 Monaten schlechter gestellt zu sein als heute (2004: 41 Prozent). Zugleich glaubt nun jeder Fünfte, dass er sich verbessern wird (2004: jeder Sechste). Ein wichtiger Faktor dabei: Inzwischen hält wieder mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz für sicher (54 Prozent gegenüber 44 Prozent im Vorjahr). Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes haben nur noch 28 Prozent (2004: 30 Prozent). Schwierig bleibt es allerdings in den neuen Bundesländern: Hier fürchten rund 38 Prozent um ihren Arbeitsplatz (alte Bundesländer: 22 Prozent), wodurch ein zusätzlicher Sog in Richtung Westen entsteht.

Insgesamt könnte die Trendumkehr damit aber geschafft sein. Zumal die Bürger in den vergangenen Jahren ihre eigene Situation stets sehr viel zurückhaltender beurteilten als die Lage der Volkswirtschaft, nun aber den eigenen, besser überschaubaren Bereich in helleren Farben sehen, dürfte sich die Grundstimmung deutlich gebessert haben.

Dass der private Konsum von der Stimmungswende profitiert, ist hingegen nicht zu erwarten. Die Botschaft, dass die Bürger verstärkt privat vorsorgen müssen, ist offenbar angekommen. Zwar wollen rund 75 Prozent der Befragten in den kommenden 12 Monaten mehr ausgeben als im Vorjahr. Rund 27 Prozent aber wollen mehr Geld in den bleibenden Wert von Haus oder Wohnung stecken, 26 Prozent gehen von wachsenden Ausgaben für ihre Gesundheit aus, 18 Prozent planen, ihre Sparquote ganz allgemein zu erhöhen, 14 Prozent steigern ihre Aufwendungen für die Altersvorsorge, zudem investieren 10 Prozent voraussichtlich in ihre Weiterbildung. Auto und kurzfristiger Konsum stehen mit 13 und 12 Prozent eher am unteren Ende der Prioritätenliste – lediglich der Urlaub ist 21 Prozent der Befragten eine deutliche Budgeterhöhung wert.

Ein zunehmendes Gefühl der eigenen Verantwortung für die Zukunftssicherung zeigt sich auch in der weiter wachsenden Bereitschaft, Opfer zu erbringen. Bereits die Mobilität der Deutschen hat sich leicht gebessert. Zwar sind immer noch mehr als 45 Prozent nicht bereit, einen Arbeitsplatz anzunehmen, der weiter als 50 Kilometer vom Wohnort entfernt liegt. Auch die klassische Pendlerentfernung von 51 bis 200 Kilometern wird weniger häufiger akzeptiert als im Vorjahr. Doch die Bereitschaft, sich überall in Deutschland, europaweit oder sogar weltweit einsetzen zu lassen, ist etwas gestiegen.

Noch deutlicher aber sind die Zuwächse im Bereich der Arbeitszeit und der Entlohnung. War im Vorjahr nur jeder Dritte bereit, zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes vorübergehend unregelmäßige Arbeitszeiten hinzunehmen, so ist es heute jeder Zweite. Auch die Akzeptanz längerer Arbeitszeiten ist deutlich gestiegen – von rund 49 auf rund 55 Prozent. Und sogar Lohneinbußen sind für rund 22 Prozent ein annehmbarer Preis für den Erhalt des Arbeitsplatzes (2004: 13 Prozent).

Dabei ist sogar ein Umschwung bei der „gefühlten Leistungsgerechtigkeit“ zu verzeichnen. Fast die Hälfte der Bundesbürger (47 Prozent) glaubt wieder, dass sich Leistung in Deutschland lohnt (2004: 40 Prozent). Umgekehrt sind nur noch rund 37 Prozent von dem Gegenteil überzeugt (2004: 43 Prozent). Wachsende Verteilungskämpfe und Ängste sind also auch von dieser Seite her nicht zu befürchten. Lediglich im Osten liegen die Werte mit rund 43 Prozent, die an der Leistungsgerechtigkeit zweifeln (West: 39 Prozent), und 39 Prozent, die sie bestätigen (West: 45 Prozent), noch etwas ungünstiger.

In der Selbständigkeit dagegen sehen wieder weniger Deutsche eine echte Option. Nicht einmal jeder Achte (11,8 Prozent) denkt ernsthaft über eine Zukunft als Unternehmer nach, darüber hinaus spielen nur noch 28 Prozent manchmal mit dem Gedanken (2004: 31 Prozent) und haben nur knapp 10 Prozent einmal Überlegungen angestellt. Dabei sehen die Arbeitslosen am häufigsten, die Beamten am seltensten Anlass, sich auf die eigenen Beine zu stellen. Wichtigster Hinderungsgrund ist nach wie vor das Risiko, gefolgt von fehlendem Kapital, Alter und Gesetzgebung. Zu viel Arbeit fürchten nur 3 Prozent.

Die etwas entspanntere Sicht der wirtschaftlichen Gesamtsituation zeigt sich ansatzweise auch bei der Frage nach Deutschlands Rolle in der Globalisierung – zumindest hat das Selbstbewusstsein der Bürger zum ersten Mal in den letzten fünf Jahren nicht mehr signifikant abgenommen. Mit 17,3 Prozent sehen sogar wieder mehr Bürger Deutschland auf der Gewinnerseite (2004: 15,7 Prozent). Doch noch immer sind 60 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass ihr Heimatland zu den Verlierern des weltweiten Wettbewerbs zählt.

Die härtesten Wettbewerber kommen nach Auffassung von 62 Prozent der Befragten aus China. Als zweitgrößte Bedrohung sehen sie die neuen EU-Länder (51 Prozent), als drittgrößte das sonstige Asien der kleineren „Tigerstaaten“ (23 Prozent). Japan wird nur noch von 17 Prozent der Deutschen als Konkurrenz gefürchtet.

Die Rangfolge der Wettbewerber zeigt deutlich, dass den meisten Bundesbürgern die hohen Lohnkosten als Standortnachteil bewusst sind; auch die Bereitschaft zu vorübergehendem Lohnverzicht spricht dafür. Doch an der Qualifikation der Arbeitnehmer zweifeln sie darum nicht: Rund 56 Prozent sind der Auffassung, dass sie „gut“ bis „sehr gut“ ist.
Weitere 32 Prozent halten sie immer noch für „befriedigend“. Allerdings besteht für die Zukunft auch hier Grund zur Sorge: Fast 20 Prozent bewerten die Ausbildungsreife der deutschen Schulabgänger mit „mangelhaft“, weitere gut 20 Prozent geben nur „ausreichend“. Lediglich knapp 15 Prozent halten die schulische Basis des unternehmerischen Nachwuchses für „gut“ (13,5 Prozent) oder sogar „sehr gut“ (1,3 Prozent).

Hinsichtlich der Frage, in welchen Bereichen die Bundesbürger die Politik in die Pflicht nehmen, ist zunächst einmal der Anteil derjenigen, die einen höheren Einfluss der Politik auf die Wirtschaft wünschen, gestiegen. Allerdings sähen immer noch 54 Prozent lieber einen geringeren (2004: 65 Prozent), nur 33 Prozent einen stärkeren Einfluss (2004: 25 Prozent). Bei näherer Betrachtung stellt man zudem fest, dass die Leistungsträger der Gesellschaft den Rückzug des Staates, die Leidtragenden der wirtschaftlichen Entwicklung dagegen einen stärkeren Staat fordern. Und: Nur jeder zehnte Bundesbürger geht überhaupt davon aus, dass die Politiker über die notwendige Kompetenz zur Lösung der Probleme unseres Landes verfügen. Rund vier Fünftel, in den alten ebenso wie in den neuen Bundesländern, gehen ausdrücklich davon aus, dass den Politikern diese Kompetenz fehlt.

Könnten die Bürger direkt über die Verwendung ihrer Steuergelder entscheiden, würden sie mit einer Mehrheit von drei Vierteln den Bereich Bildung und Forschung höher budgetieren. Fast 60 Prozent wünschen sich eine relative Erhöhung der Gelder, die für Familienpolitik zur Verfügung stehen. Immerhin noch 19 Prozent wollen die Mittel für Verkehr und Bau zu Lasten anderer Budgets aufstocken.

Die drohende Überalterung ist als Kernproblem unserer Gesellschaft mittlerweile erkannt. Großen Handlungsbedarf sehen jeweils rund zwei Drittel der Bürger vor diesem Hintergrund im Bereich des Renten- und des Gesundheitssystems. Immer noch mehr als die Hälfte meint, wir müssten uns besser auf eine längere Lebensarbeitszeit vorbereiten, rund 42 Prozent sehen das Problem der sinkenden Staatseinnahmen als vordringlich. In den neuen Bundesländern wird die Gefahr der regionalen Abwanderung deutlich höher wahrgenommen.

Schließlich zeigt sich der Prozess des Umdenkens in unserer Gesellschaft auch in der Frage der Subventionen. Wie im Vorjahr sind fast 74 Prozent der Deutschen bereit, auf Subventionen zu verzichten, wenn dadurch das Steuersystem einfacher wird. Fast 45 Prozent (2004: 41,6 Prozent) können sogar mit einem uneingeschränkten Subventionsabbau leben. Am größten ist die Verzichtsneigung in diesem Bereich bei den Selbständigen, am geringsten bei Arbeitern und Arbeitslosen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Breite Str. 29, 10178 Berlin Telefon: 030/203080, Telefax: 030/203081000

NEWS TEILEN: