Pressemitteilung | Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V.
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Bundeslagebild “Häusliche Gewalt 2024“ und „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2024“

(Berlin) - Heute stellen die Bundesminister Dobrindt, Prien und der Präsident des Bundeskriminalamtes Münch einmal mehr die Zahlen des zurückliegenden Jahres zur häuslichen Gewalt 2024 und geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten vor.

Anzuerkennen ist, dass zumindest im letzten Jahr erstmals erkannt und hervorgehoben wurde, dass in rund 50% aller Fälle Kinder zu den betroffenen Haushalten gehörten und dass die Kinder ganz erheblich mit von der Gewalt betroffen waren.

Doch reicht es aus, einmal mehr zu beschreiben, um wieviel Prozent die Zahlen wieder einmal gestiegen sind, dass sich das Anzeigeverhalten auch durch Kampagnen verbessert haben dürfte, um dann plakativ die eine oder andere Maßnahme vorzustellen und zur Tagesordnung überzugehen?

Reicht es aus, den Femizid zur Straftat zu machen und die elektronische Fußfessel für Gefährder einzuführen?

Die Deutsche Kinderhilfe sagt hierzu ganz eindeutig NEIN!

Anders als in vielen anderen europäischen Ländern ist häusliche Gewalt noch immer kein eigener Straftatbestand.

Dies führt mit dazu, dass es im Ermessen von Richtern liegt, ob es sich bei Angriffen gegen Partner, in überwiegenden Mehrzahl Frauen, um häusliche Gewalt handelt oder nicht.

In Deutschland gibt es keine Statistik, ob und in wie vielen Fällen die Täter zu welchen Strafen verurteilt wurden, weil die Zahlen der angezeigten HG-Delikte in die Statistiken über Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung, sexuelle Gewalt pp. einfließen und nie wieder herausgefiltert werden können.

Wie will man so Defizite in der Justiz und Nach-Steuerungserfordernisse für die Politik erkennen?

Und dann auf Kritik damit zu reagieren, indem man erklärt, dass der Kritiker ja keine validen Zahlen zur Verfügung hatte, passt dann wirklich nicht.

Aber es kommt noch schlimmer, wenn man versucht, die Zusammenhänge zu erfassen:

Denn wenn es sich bei den von Gewalt betroffenen Frauen auch noch um Mütter handelt, werden sie nicht selten ein weiteres Mal oder noch häufiger erneut Opfer.

Sie werden in den nach Gewalt erfolgenden familiengerichtlichen Verfahren, in denen es dann um Umgänge des Schlägers mit gemeinsamen Kindern geht oder gar um das Sorgerecht immer noch und immer noch zu oft Opfer struktureller Gewalt, was sich natürlich wieder nicht mit validen Zahlen unterlegen lässt, die ja noch immer nicht erhoben werden.

Immer wieder sind es angeblich nur bedauerliche Einzelfälle, höchstwahrscheinlich hunderte oder sogar etliche tausend, wenn man nur einmal erhebt, in wie vielen Fällen Gerichte Eltern das Sorgerecht entziehen.

Aber auch hierüber gibt es keine Zahlen, warum dies erfolgte und in wie vielen Fällen Müttern und auch Vätern die elterliche Sorge entzogen wurde und vor allen Dingen warum.

Es ist ein Skandal, dass Müttern, die oft auch von Seiten der Politik dazu aufgefordert werden, häusliche Gewalt anzeigen, oft unterstellt wird, sie wären dem anderen (schlagenden) Elternteil gegenüber bindungsintolerant, so dass ihnen die elterliche Sorge entzogen werden muss.

Es ist ein Skandal, dass ausgeblendet wird, dass die Betroffene sich sogar strafbar wegen einer Verletzung ihrer Fürsorgepflicht machen würde, wenn sie ihr Kind einem Schläger ausliefert und man ihr stattdessen vorhält, sie würde das Kind vom Schläger „entfremden“.

Es ist ein Skandal, wenn eine Gewalt belastete Beziehung bagatellisierend und beschönigend zu einer „hochstrittigen Beziehung“ umdefiniert wird, in der die Gewalt vor den Familiengericht keine Rolle mehr spielt.

Es ist ein Skandal, dass in der Regel nur Müttern unterstellt wird, dass sie ihr Kind manipuliert hätten, wenn es einen schlagenden Elternteil nicht mehr sehen möchte.

Es ist ein Skandal, Umgänge mit dem Schläger dann über juristische Spitzfindigkeiten sogar gegen das Familienverfahrensgesetz mit Zwang durchzusetzen.

Schließlich ist es ein Skandal, von Amts- oder sogar von Gerichts wegen zu behaupten, dass es einem Kind nicht schaden würde, wenn es miterlebt, dass ein Elternteil Gewalt gegen den anderen Elternteil ausübt, weil ja nur der andere Elternteil geschlagen wurde – in aller Regel die Mutter.

Im von Richtern anerkannten Jugendschutzgesetz geht man seit Jahrzehnten und unbestritten davon aus, dass bereits gespielte Gewalt der kindlichen Entwicklung schaden kann.

Wie kann es dann sein, dass tatsächlich ausgeübte Gewalt gegen den anderen Elternteil der kindlichen Entwicklung nicht schadet?

Liebe kann man sich nicht „erschlagen“ man kann sie allenfalls erschlagen und Liebe kann man genauso wenig auch nicht mit Hilfe des Jugendamtes oder des Gerichts erzwingen.

Dabei ist es naiv zu glauben oder zu behaupten, dass jedes Kind beide Elternteile braucht und dass es beide Elternteile liebt, ganz gleich, was sie ihm oder einander angetan haben.

Großbritannien hat sich gerade von diesem wissenschaftlich nicht belegtem Dogma abgelöst, um die Kinder in seinem Königreich zukünftig besser zu schützen.

Aus diesem Grund fordert die Deutsche Kinderhilfe e. V.

• dass über den Femizid hinaus häusliche Gewalt zukünftig ein eigener Straftatbestand im Strafgesetzbuch wird

• dass zukünftig valide Zahlen zu erheben sind, wie Verfahren wegen häuslicher Gewalt ausgegangen sind und warum in welchen Fällen wem und warum die elterliche Sorge entzogen wurde

• dass analog zu Großbritannien von Gesetzes wegen nicht mehr davon ausgegangen wird, dass Kinder obligatorisch Umgänge mit beiden Elternteilen brauchen

• dass jeglicher Zwang zur Durchsetzung von Kontakten mit einem schlagenden oder missbrauchenden Elternteil verboten wird

• dass analog zu Frankreich, Elternteilen die in Gegenwart der Kinder Gewalt gegen den anderen Elternteil ausüben, die elterliche Sorge entzogen werden kann

• dass im Bürgerlichen Gesetzbuch verbindlich festgelegt wird, dass häusliche Gewalt grundsätzlich eine Kindeswohlgefährdung ist

• dass analog zu Spanien Gewaltschutzanordnungen des Gerichts nicht befristet und begrenzt werden dürfen, da Gewalt keinen Zeitplan kennt

• dass für betroffene Frauen und ihren Kinder in Frauenhäusern in der jeweiligen Stadt oder Kommune obligatorisch Sozialwohnungen freizuhalten und zuzuweisen sind, damit sie nicht wegen Wohnungslosigkeit gezwungen sind, zum schlagenden Elternteil zurückzukehren

„Das deutsche Familienrecht und seine Regelungen sind für mich oftmals eher naiv und die familiengerichtliche Rechtsprechung ist für mich manchmal ebenso naiv bis hin zu frauenfeindlich.

Man kann häusliche Gewalt nicht erfolgreich bekämpfen, indem wir mittelbar über das Familienrecht die Täter schützen und unterstützen“, stellt Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe e.V. fest. “Deutschland wurde bereits zu Recht in der EU-Richtlinie 2024/1385 des Europäischen Parlaments und des Rates für seine mangelhafte Umsetzung der Istanbul Konvention zu Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt gerügt. Es wird Zeit, dass wir endlich anfangen, unsere Hausaufgaben zu machen“, schließt Becker.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V., Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin, Telefon: 030 24342940

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