Pressemitteilung | (bvse) Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.

Bundesregierung lehnt Exportbeschränkungen für Alttextilien ab / bvse: Altkleiderverbrennung ist soziale und ökologische Sackgasse

(Bonn) - Insbesondere in ländlichen Regionen Afrikas hat die Versorgung mit Secondhand-Kleidung für die Bevölkerung als Möglichkeit günstige Textilien zu kaufen eine große Bedeutung. Das betont die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und macht deutlich, dass sie Exportbeschränkungen für Altkleider in Entwicklungs- und Schwellenländer ablehnt.

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, bei der es um die Auswirkungen deutscher Altkleiderexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer geht und in der ein regulatorisches Eingreifen erwägt wird. "Dabei wird die soziale, ökologische und ökonomische Bedeutung der Gebrauchtkleidung leider verkannt", bedauert Michael Sigloch, Vorsitzender des Fachverbands Textilrecycling des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung.

Das zeigt auch die Antwort von Gudrun Kopp, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin des mit der Anfrage beauftragten Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Sie macht eine Vielzahl von Gründen für den Rückgang der lokalen Textilproduktion verantwortlich. Dieser sei nur zum Teil auf den Import von Alttextilien zurückzuführen, beruhe aber hauptsächlich auf den wirtschafts- und handelspolitischen Problemen des jeweiligen Entwicklungslandes. Insbesondere zählt die Bundesregierung dazu neben einer Reihe anderer Faktoren, schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die politische Situation, die mangelnde Produktivität der Betriebe sowie Wettbewerbsverzerrungen durch asiatische Billigtextilien.

Eine Haltung, die der bvse teilt: "Nicht die Wiederverwendung in Afrika ist die Ursache der schwachen Textilindustrie. Es ist vielmehr so, dass asiatische Textilhersteller den dortigen Markt mit billiger Kleidung regelrecht überschwemmt haben. Dieses weltweite Phänomen hat im Übrigen auch die europäische Textilindustrie getroffen", kommentiert Rainer Binger, stellvertretender Vorsitzender des Fachverbands Textilrecycling des bvse.

Auch Jutta Sundermann von der Organisation attac sprach kürzlich gegenüber dem NDR von einer komplizierten Problematik mit verschiedenen Ursachen. Zudem bezweifelt sie, dass eine heimische Textilindustrie die Menschen überhaupt versorgen kann. Die Textilien bewegten sich in einem Preissegment, das sich die meisten Menschen vor Ort überhaupt nicht leisten können. Dank der Altkleider könnten die Ärmsten in den Slums sich und ihre Kinder jedoch vernünftig kleiden, auch wenn das Einkommen dramatisch niedrig sei.


Secondhand-Textilien: bezahlbar, modisch und gut erhalten

Der bvse fordert daher eine sachliche Debatte und ruft zu einer differenzierten Betrachtung der Altkleiderexporte auf: Nur ein Bruchteil des Altkleideraufkommens wird von den Kleiderkammern in Deutschland benötigt. Für den Rest gibt es hier keine Verwendung. Secondhand-Kleidung ist aber oft nur wenige Monate getragen und damit aktuell und modisch. "Wie in Deutschland möchten auch die Menschen in Entwicklungsländern mit einem individuellen Kleidungsstil ihre Persönlichkeit unterstreichen, an Modetrends teilhaben und qualitativ gute Ware tragen", so Binger. Im Gegensatz zu Billigimporten aus Asien besteht Secondhand-Kleidung größtenteils aus Baumwolle und nicht aus Kunstfasern. Dies hat sowohl qualitative als auch hygienische Vorteile.


Gut gemeint, aber nicht zu Ende gedacht: Forderung nach kostenfreier Weitergabe von Alttextilien ist eine Sackgasse

Wer in dem Glauben, Gutes zu tun, die kostenfreie Weitergabe an Bedürftige in Entwicklungsländern propagiert, ignoriert die Leistung einer Branche, die Altkleider in einem Produktionsprozess verwertet und degradiert gleichzeitig die Kunden in den Entwicklungsländern zu Almosenempfängern.

"Und auch für die Menschen vor Ort ist es doch ein Unterschied, ob sie mit den Altkleidern Handel treiben und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können oder auf Spenden angewiesen sind", ist Sigloch überzeugt. Das war auch ein Ergebnis des Dialogprogramms, dass der Dachverband FairWertung e.V. in Afrika durchgeführt hat: Statt Hilfslieferungen möchten die Menschen gute Secondhand-Kleidung zu fairen Preisen und damit die Freiheit, den Kleiderkauf selbst zu bestimmen.

"Wer die Forderung nach kostenfreier Weitergabe von Alttextilien stellt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit nicht die Textilindustrie in den Entwicklungsländern stärkt, sondern nur dafür sorgt, dass wertvolle Alttextilien in Müllverbrennungsanlagen billig entsorgt werden. Das ist nicht nur eine soziale, sondern auch eine ökologische Sackgasse", betont Sigloch.

Die von der Bevölkerung gezielt in die Sammelcontainer eingeworfene oder in klassischen Haus- und Straßensammlungen erfasste Ware, ist sehr vielschichtig: Kleider, Schuhe, Tisch- und Haushaltswäsche jeglicher Couleur und Saison. Kirchliche und soziale Einrichtungen, die Textilsammlungen betreiben, können die schadlose Verwertung selbst in der Regel nicht leisten.

Deshalb setzen sie auf die Zusammenarbeit mit professionellen Recyclingunternehmen. Die Textilrecycler übernehmen oder leeren sogar die Container, sortieren in personalintensiven Prozessen die Materialien in aktuell 250 - 300 verschiedene Sorten und bereiten sie gezielt für die Vermarktung vor. Aussortiertes wird fachgerecht entsorgt.

"Dahinter steckt eine ungeheurere Logistik, Investitionen in Maschinen und auch Arbeitsplätze. Das wird ausschließlich durch den Anteil tragfähiger Bekleidung finanziert. Am Ende des Prozesses steht eine Ware, die ein weltweites Grundbedürfnis nach günstiger Bekleidung und textilen Rohstoffen befriedigt. Diese Branche basiert auf einer ökonomischen, ökologischen und nicht zuletzt auf einer sozialen Komponente - denn, ein nicht unerheblicher Teil des Erlöses aus dem Verkauf fließt zurück an die karitativen Auftraggeber. Aus der Sachspende wird so eine Geldspende, die die Organisationen für ihre Projekte dringend benötigen. Sichergestellt ist allerdings: Alles was tragfähig und marktfähig ist, wird auch weltweit als Kleidung weiterverwendet - ohne Kosten aber zum Nutzen der Allgemeinheit!" - erklärt Rainer Binger. Der Bedarf nach gut erhaltener Bekleidung ist enorm - 70 Prozent der Weltbevölkerung gebrauchen Second Hand Bekleidung - ist dieser Bedarf eigentlich ressourcenmäßig durch Primärproduktionen zu decken?" fragt Binger weiter.


Wiederverwendung von Kleidung spart CO2

Der Anbau von Baumwolle als Rohstoff für die Textilindustrie ist sehr wasserintensiv. Gerade in Regionen, in denen Wasser knapp ist, ist das problematisch. Die Weiterverwendung von gebrauchten Kleidern spart Ressourcen und ist deshalb nicht nur wie erwähnt ökonomisch und sozial, sondern auch ökologisch von zunehmender Bedeutung. Eine Studie aus Großbritannien kommt zu dem Schluss, dass durch den Wiedereinsatz eines T-Shirts drei Kilogramm CO2 eingespart werden können. Darüber hinaus benötigen die Baumwoll-Monokulturen oft einen hohen Pestizid-Einsatz.


Impuls für Arbeit und Einkommen

Nicht zu vergessen. Die große Nachfrage nach moderner und hochwertiger Kleidung zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis hat viele neue Verdienstmöglichkeiten in den afrikanischen Entwicklungsländern geschaffen. Tausende Menschen bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Handel von Altkleidern oder dem Umarbeiten von Kleidungsstücken auf länderspezifische Bedürfnisse. Hier finden deutlich mehr Menschen eine Beschäftigung, als je in der afrikanischen Bekleidungsindustrie gearbeitet haben, wie eine Studie des Fachverbands FairWertung schon 2005 aufzeigte.


Textilrecycler arbeiten transparent

Seriöse Textilrecycler geben ihre Kontaktdaten auf den Containern an und sind erreichbar. Telefonisch oder im Internet kann man erfahren, was mit den Altkleidern passiert. "Viele Unternehmen unseres Verbandes haben eine eigene Internetpräsenz. Dort kann man nachlesen, welchen Weg die Altkleider gehen", erläutert Binger.

Wie in allen Branchen gibt es leider auch unter den Textilsammlern schwarze Schafe, die unseriöse Sammelmethoden anwenden oder nicht identifizierbar sind. Davon distanzieren sich die Mitglieder des Fachverbands Textilrecycling im bvse. Das Textilrecycling und der Gebrauchtkleiderhandel sind sozial ausgewogen, ökonomisch richtig und ökologisch notwendig. Für den bvse ist die Sammlung von gebrauchten Textilien und deren Weiterverwendung daher alternativlos und sinnvoll.


Quellenangaben und Links:
Fachverband Textilrecycling
http: www.f-t-r.eu
10 Fragen und Antworten zum Textilrecycling
http://www.bvse.de/pdf/oeffentlich/Alttextil/Wie_geht_das/Textilrecycling_und_Altkleiderhandel.pdf
Jutta Sundermann im Interview mit dem NDR: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/die_reportage/hintergrund/altkleider139.html
Studie WRAP (CO2-Einsparung durch Wiederverwendung)
http://www.wrap.org.uk/downloads/Clothing_reuse_final1.f8abf004.11447.pdf
Dialogprogramm Gebrauchtkleidung in Afrika
http://www.fairwertung.de/info/exporte/afrika/index.html

Quelle und Kontaktadresse:
bvse Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. Jörg Lacher, Leiter, Politik und Kommunikation Hohe Str. 73, 53119 Bonn Telefon: (0228) 988490, Telefax: (0228) 9884999

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