CDU-Leitantrag / Behauptete Beschäftigungswirkungen widersprechen wissenschaftlichen Erkenntnissen
(Düsseldorf) - Die aktuellen Vorschläge der CDU zur Änderung des Kündigungsschutzes gehen an der Realität vorbei und schaffen faktisch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dabei scheint es die Union wenig zu stören, dass Studien und Untersuchungen bestätigen, dass dem Kündigungsschutz keine beschäftigungshemmende Wirkung zukommt.
Der Leitantrag der CDU sieht u. a. die Heraufsetzung der Wartezeit des Kündigungsschutzes auf drei Jahre vor. Darüber hinaus soll der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten beschränkt werden. Es gehe dabei, so die CDU, nicht um den Abbau von Arbeitnehmerrechten, sondern um die Beseitigung von Beschäftigungshemmnissen. Behauptungen, die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.
Das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) hat festgestellt, dass die Veränderung des Schwellenwertes zwischen 1996 und 1999 keinerlei Beschäftigungseffekte mit sich geführt hat. Auch nach der rot-grünen Reform hat sich das Einstellungsverhalten der betroffenen Betriebe nicht verändert. Dieses Ergebnis wird auch vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) bestätigt. Danach sind nicht Schwellenwerte, sondern Überstunden die maßgeblichen Beschäftigungshemmnisse. Auch das Projekt „Regulierung des Arbeitsmarktes“ (REGAM) des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung kommt in seiner Untersuchung der Personalpolitik von 2.000 repräsentativ ausgewählten Unternehmen der Privatwirtschaft aus dem Jahre 2003 zu ähnlichen Ergebnissen:
- Das Einstellungsverhalten von Unternehmen unterhalb der Anwendungsschwelle des Kündigungsschutzes unterscheidet sich nicht von solchen darüber.
- Der Kündigungsschutz beeinflusst notwendige Einstellungsentscheidungen in Betrieben nicht negativ.
- Die Kündigungen verursachen keine hohen, für die Betriebe untragbaren Kosten.
- Von den Betrieben geplante Kündigungen werden fast immer auch durchgeführt.
- Nur wenige Kündigungen ziehen eine Klage vor dem Arbeitsgericht nach sich.
Die Behauptung der CDU, es gehe nicht um den Abbau von Arbeitnehmerrechten, geht an den tatsächlichen Gegebenheiten weit vorbei. Die Beschränkung des Kündigungsschutzes auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten würde nach Hochrechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) insgesamt ca. 9 Mio. Beschäftigte vom geltenden Kündigungsschutz ausschließen. Das entspricht 33 Prozent der Beschäftigten in der alten Bundesrepublik und 39 Prozent der Beschäftigten in den neuen Ländern.
Die verlängerte Wartezeit dürfte sich ebenfalls für eine Mehrheit der Beschäftigten auswirken. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeit und Technik für die Jahre 1985-1997 hat gezeigt, dass der Anteil der Beschäftigten mit einer Betriebszugehörigkeit von unter drei Jahren bei Arbeitgeberkündigungen stets über 50 Prozent betrug. Angesichts der verschärften konjunkturellen Lage seit 1997 dürfte dieser Anteil bis heute mit Sicherheit nicht gesunken sein.
Die Meinungsumfragen, durch die der CDU-Vorstand zu der Annahme gelangt ist, eine Deregulierung des Kündigungsschutzes fördere Beschäftigung, sind als Grundlage für Politikentscheidungen ungeeignet. Solche Meinungsumfragen lösen die anerkannten sozialwissenschaftlichen Standards mangels Überprüfung der abgefragten Meinung mit dem tatsächlichen Handeln des Befragten nicht ein.
Quelle und Kontaktadresse:
Hans-Böckler-Stiftung
Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf
Telefon: 0211/77780, Telefax: 0211/7778120
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