Chance vertan / Politische Einigung zur Revision der Abfallrahmenrichtlinie im Umweltrat bedeutet Rückschritt im europäischen Abfallrecht
(Berlin) - Mit der gestern (28. Juni 2007) erreichten politischen Einigung zur Abfallrahmenrichtlinie haben die Umweltminister der EU-Mitgliedstaaten die mit der Revision der Richtlinie angestrebten Ziele nach Ansicht des BDE klar verfehlt. Mit dieser Revision sollte die Kreislaufwirtschaft als zentrales Element der europäischen Abfallpolitik gestärkt werden. Zur Erreichung dieses Zieles sollten klare Definitionen und anspruchsvolle Umwelt- und Qualitätsstandards geschaffen werden. Der nun verabschiedete Text dient in wesentlichen Teilen jedoch weder einer modernen Abfallpolitik noch führt er zu mehr Rechtssicherheit und -klarheit.
Mit der Einführung eines Hauptzweckkriteriums in die Verwertungsdefinition und der Verwässerung der Energieeffizienzformel, die zur Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung in Müllverbrennungsanlagen dienen soll, droht gar ein wesentlicher Rückschritt in der europäischen Abfallpolitik. Der eigentliche Zweck der Revision wird damit konterkariert. Gleichzeitig wird der Binnenmarkt durch immer weiter ausufernde Forderungen der Mitgliedstaaten nach nationalen Schutzklauseln bis zur Unkenntlichkeit beschnitten. Das eigentliche Ziel einer europäischen Abfallpolitik, die Schaffung einer europäischen Abfallwirtschaft mit hohen und einheitlichen Umweltstandards zum Nutzen von Umwelt und Wirtschaft, gerät völlig aus dem Blick.
Den Individualinteressen der Mitgliedstaaten war am Ende wesentlich mehr Gewicht beigemessen worden als der Entwicklung einer europäischen Umwelt- und Abfallpolitik. Deutschland hatte als Kernforderung an die Revision den Schutz nationaler Marktstrukturen ausgegeben. Durch die Beschränkung des Binnenmarktes sollen die öffentlichen Abfallentsorgungsstrukturen gestärkt werden. Trotz sich entwickelnder Überkapazitäten in Deutschland sprach man sich auch in der Tschechischen Republik und Dänemark für eine Beschränkung des Binnenmarktes für Verwertungsabfälle zur Verbrennung aus. Man befürchtete dort, zum Abfalllager Deutschlands zu werden. Solche Befürchtungen waren jedoch weder durch die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen noch durch die tatsächliche Marktentwicklung in Deutschland gedeckt.
Frankreich und Belgien lehnten die Effizienzformel als zu anspruchsvoll ab, hätte sie doch dazu geführt, dass die Mehrzahl der französischen und belgischen Verbrennungsanlagen nicht als Verwertungsanlagen klassifiziert werden können.
Am Ende hat sich nun die Kleinstaaterei durchgesetzt. Mit dem hierzu notwendigen Kompromiss hat man die Errungenschaft der europäischen Abfallpolitik verkauft. Anstatt die Weichen für eine zukunftsfähige europäische Abfall- und Ressourcenwirtschaft zu stellen, hat man Regelungen geschaffen, die weder der Umwelt noch der Wirtschaft dienen.
Der BDE setzt darauf, dass sich das Europäische Parlament als Garant einer zukunftsfähigen Abfallpolitik bewährt und in zweiter Lesung maßgebliche Korrekturen am Text anbringt und sich der Richtlinientext wieder dem ursprünglichen Kommissionstext und den vom Parlament vorgeschlagenen Änderungen annähert. Mit der Revision der Abfallrahmenrichtlinie muss es gelingen, den Rahmen für eine moderne europäische Abfallpolitik für die nächsten 10 Jahre aufzustellen. Diese wichtige Aufgabe sollte nicht durch Kleinstaaterei und Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen aufs Spiel gesetzt werden. Bleibt der heute (29. Juni 2007) gefundene Kompromiss bestehen, ist das europäische Abfallrecht am Ende des Revisionsprozesses ein Flickenteppich.
Die Abfallrahmenrichtlinie ist das Kernstück der europäischen Politik. Sie definiert die Grundprinzipien und Kernbegriffe des Abfallrechts und bestimmt damit auch wesentlich das deutsche Abfallrecht. Um bestehende Auslegungsschwierigkeiten zu beseitigen und die Richtlinie an die Bedürfnisse einer modernen Abfallpolitik anzupassen, hat die Kommission am 21. Dezember 2005 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie vorgelegt. Mit der heutigen (29. Juni 2007) Einigung im Umweltrat ist die 1. Lesung des hier einschlägigen Mitentscheidungsverfahrens im Wesentlichen abgeschlossen. Das Europäische Parlament hatte bereits am 13. Februar 2007 über seine Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag abgestimmt.
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