Pressemitteilung | IG BCE - Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - Bundesgeschäftsstelle

Chemie-Tarifrunde 2010 / Brücke für Beschäftigung / Schluss mit taktischen Spielereien

(Hannover) - Die ersten Verhandlungen in den Regionen sind im März ohne konkrete Ergebnisse geblieben, die Chemie-Tarifrunde 2010 für 550.000 Beschäftigte in 1900 Betrieben wird am 20. und 21. April in Würzburg auf Bundesebene fortgesetzt. Dazu erklärt Peter Hausmann, im geschäftsführenden IG-BCE-Hauptvorstand für die Tarifpolitik verantwortlich:

Die bisherigen Verhandlungen sind unter dem Strich so verlaufen, wie das zu erwarten war und wie sich das gehört. Doch die Chemie-Arbeitgeber haben auch ungewohnt scharfe Töne in die Tarifrunde 2010 gebracht. Sie halten es für opportun, uns eine "völlig abwegige Einschätzung der wirtschaftlichen Lage" sowie "fehlendes Krisenbewusstsein" vorzuwerfen. Zudem erneuern sie den Anwurf, der gewerkschaftliche Forderungskatalog sei von einer "Vollkasko-Mentalität" gekennzeichnet.

Diese Äußerungen sind in den Betrieben auf erheblichen Unmut gestoßen. Die Beschäftigten haben tiefe Einschnitte hingenommen, um die Krise zu bewältigen. Kurzarbeit ist notwendig, um Arbeitsplätze zu sichern. Aber Kurzarbeit ist zugleich verbunden mit Einkommenseinbußen. Zudem wurden im vergangen Jahr in 347 Betrieben mit über 130.00 Arbeitnehmern tarifliche Öffnungsklauseln in Anspruch genommen. Auch dies geht mit Einkommensverlusten einher.

Vor diesem Hintergrund liegen die Einlassungen der Chemie-Arbeitgeber voll neben der Spur. Der Einsatz und die Opferbereitschaft der Arbeitnehmer in der Krisenbekämpfung werden missachtet und verhöhnt. Wir weisen dies in aller Form zurück. Verbalradikale Ausfälle mögen Teilen der eigenen Klientel gefallen, verantwortungsbewusst und erfolgsorientiert geführten Tarifverhandlungen sind sie nicht dienlich.

Der Konjunkturhimmel über der deutschen chemischen Industrie hellt sich auf, die positiven Signale nehmen zu und werden kräftiger. Der Branche geht es erheblich besser als anderen Wirtschaftszweigen, die Spielräume für eine Einkommenserhöhung wachsen. Die Arbeitgeber wollen eine Nullrunde, das ist mit der IG BCE in keinem Fall zu machen. Für uns sind auch bereits getätigte Tarifabschlüsse in anderen Bereichen kein Maßstab, geschweige denn eine Blaupause. In der Chemie ist mehr drin.

Die einzelnen Elemente unseres Forderungskatalogs sind gleichrangig, es gibt keine Abstufungen. Wir fokussieren uns keineswegs ausschließlich auf Einkommenserhöhungen, Beschäftigungssicherung ist für uns ebenfalls ein herausragendes Thema. Das gilt auch für die Ausbildungsplätze.

Wir haben die Ausbildungsplatzzahlen per Tarifvertrag Jahr für Jahr gesteigert, das Niveau lag 2008 um 9,4 Prozent höher als 2003. 2009 ist dagegen die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze leicht zurück gegangen. Verstetigt sich diese Entwicklung, hätte dies fatale Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Die erreichte Stellung und Bedeutung auf dem Weltmarkt lässt sich nur mit gut ausgebildeten und hochqualifizierten Beschäftigten halten.

Als Folge der demografischen Entwicklung droht Deutschland ohnehin ein enormer Fachkräftemangel. Nach einer Studie der Prognos AG fehlen 2015 gut eine Million Fachkräfte mit Hochschulabschluss, für Beschäftigte mit einem Berufsabschluss wird die Lücke auf 1,3 Millionen geschätzt. Eine Studie des Unternehmensberaters McKinsey kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Deshalb fordern wir die Weiterentwicklung des Tarifvertrags "Zukunft durch Ausbildung". Jetzt müssen die Perspektiven für die Zeit nach der Krise entwickelt werden. In einigen Regionalverhandlungen haben die Arbeitgeber angekündigt, die Ausbildungskapazitäten herunterzufahren. Es ist absurd und in jeder Hinsicht kontraproduktiv, die jungen Leute auf die Straße zu setzen. Wir wollen, dass das erreichte Ausbildungsplatz-Niveau gehalten wird. Wir halten fest an den erreichten tariflichen Standards.

In diesen Zusammenhang gehört, dass die Übernahme nach der Ausbildung fair und mit Weitblick geregelt wird. Die Förderung der Übernahme ist ein Gebot der sozialen und ökonomischen Vernunft und zugleich ein Beitrag zu einer vorausschauenden Personalpolitik. Wir wollen eine branchenweit gültiges Modell auf den Weg bringen. Auch diejenigen Betriebe, die bislang nicht ausbilden, müssen in die Verantwortung genommen werden.

Auch unser vierter Forderungspunkt macht deutlich, dass wir in der Tarifrunde 2010 erneut unseren eigenen, chemiespezifischen Weg gehen wollen. Die Verhältnisse in der Branche sprechen nicht für einen langfristig angelegten Vertrag, ganz im Gegenteil. Wir brauchen keinen Marathon, die Laufzeit soll höchstens zwölf Monate betragen.

Insgesamt liegen die Positionen noch weit auseinander. Es ist dies jedoch nicht die Zeit für langwierige Taktierereien. Die Arbeitgeber sind aufgefordert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, konstruktiv und ergebnisorientiert zu verhandeln. Unsere Erwartung ist es nicht, am 20. und 21. April in Würzburg Scheingefechte zu führen oder Belanglosigkeiten auszutauschen.


Der gewerkschaftliche Forderungskatalog:
1. Arbeitsplätze erhalten und die Chancen für Beschäftigung nutzen - das sind die wichtigsten Aufgaben in der Krise. Betriebsbedingte Kündigungen haben wir bislang weitgehend ausschließen können. Diesen Weg wollen wir in der Tarifrunde 2010 fortsetzen.
2. Junge Menschen haben Anspruch auf einen guten Start in den Beruf. Wir fordern die Weiterentwicklung des Tarifvertrages "Zukunft durch Ausbildung". Jetzt müssen die Perspektiven für die Zeit nach der Krise entwickelt werden. Deutschland braucht gut ausgebildete Fachkräfte, erforderlich ist eine vorausschauende und nachhaltige Personalpolitik.
3. Wir fordern eine angemessene Einkommenserhöhung. Die Arbeitnehmer haben mit ihrer Leistung erheblich dazu beigetragen, dass die Unternehmen die Krise bewältigen können. Diese Leistung muss im Tarifabschluss 2010 berücksichtigt werden. Zudem ist eine stetige Entwicklung der Einkommen auch volkswirtschaftlich notwendig.
4. Wir fordern eine kurze Laufzeit, sie soll höchstens 12 Monate betragen.

Quelle und Kontaktadresse:
IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Bundesvorstand Pressestelle Königsworther Platz 6, 30167 Hannover Telefon: (0511) 7631-0, Telefax: (0511) 7631-713

(tr)

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