Pressemitteilung | IG Metall - Industriegewerkschaft Metall

Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, zur aktuellen Situation der EU-Richtlinie zur "Verbesserung der Arbeitsbedingungen Plattformbeschäftigter"

(Frankfurt am Main) - "Die Bundesregierung hat mit ihrer Enthaltung zum Richtlinienentwurf der EU zur Regulierung von Plattformarbeit einen wichtigen Schritt versäumt, um die Arbeitsbedingungen von Millionen Menschen in Europa zu verbessern. Das ist ein großer Fehler. Faire Regeln für Arbeit auf oder über Internetplattformen sind überfällig. Nur so können Beschäftigte von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren. Ein online-basierter Parallelarbeitsmarkt, auf dem Internetunternehmen gesetzliche und tarifliche Standards unterlaufen und Mitbestimmung umgehen, schadet allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dieser Missstand muss behoben werden. Dafür werden wir uns im anstehenden Beratungs- und Einigungsprozess weiter einsetzen. Wir wollen keine Amazonisierung der Arbeitswelt."

Weiterführende Informationen:

(Quelle: https://www.consilium.europa.eu/de/policies/platform-work-eu/)

Plattformarbeit ist eine Arbeitsform, bei der Organisationen oder Einzelpersonen über eine Online-Plattform mit anderen Organisationen oder Einzelpersonen in Kontakt treten, um gegen Bezahlung spezifische Probleme zu lösen oder um spezifische Dienstleistungen zu erbringen. Plattformarbeit gibt es in vielen Formen und unterschiedlichen Dimensionen; sie wird auch als Gig-Ökonomie bezeichnet. Das Wachstum der digitalen Plattformen hatte zwar sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucherinnen und Verbraucher Vorteile, hat aber dazu geführt, dass sich für viele Beschäftigte eine Grauzone in Bezug auf ihren Beschäftigungsstatus entwickelt hat.

In der EU arbeiten mehr als 28 Millionen Menschen über eine (oder mehrere) dieser digitalen Arbeitsplattformen. Im Jahr 2025 dürfte diese Zahl auf 43 Millionen steigen.

Die EU ist der erste Gesetzgeber der Welt, der spezifische Vorschriften für digitale Arbeitsplattformen ins Auge gefasst hat.

Mit der Richtlinie werden zwei wesentliche Verbesserungen eingeführt:
Sie trägt zur Bestimmung des korrekten Beschäftigungsstatus von Menschen, die für digitale Plattformen arbeiten, bei und sie regelt erstmalig auf EU-Ebene die Verwendung algorithmischer Systeme am Arbeitsplatz.

Neue EU-Vorschriften zur Plattformarbeit

Beschäftigungsstatus

Mit den neuen Vorschriften könnte gegen Fälle fälschlicher Einstufungen von Plattformbeschäftigten vorgegangen und der Weg dafür geebnet werden, dass diese Beschäftigten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingestuft werden, wodurch der Zugang zu ihren Rechten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach EU-Recht erleichtert würde.

Beschäftigte würden rechtlich gesehen als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer einer digitalen Plattform (im Gegensatz zu Selbstständigen) erachtet, wenn ihr Verhältnis zu der Plattform mindestens zwei der fünf in der Richtlinie festgelegten Kriterien erfüllt.

Dabei handelt es sich um folgende Kriterien:

Obergrenzen für die Vergütung, die Beschäftigte erhalten können
Überwachung ihrer Arbeitsleistung, auch mit elektronischen Mitteln
Kontrolle über die Verteilung oder die Zuweisung von Aufgaben
Kontrolle über die Arbeitsbedingungen und Beschränkungen bei der Wahl der Arbeitszeiten

Beschränkungen ihrer Freiheit zur Organisation der eigenen Arbeit und Regeln in Bezug auf ihr Erscheinungsbild oder ihr Verhalten

Gemäß dem vereinbarten Text können die Mitgliedstaaten diese Liste nach nationalem Recht um weitere Kriterien ergänzen.

Verwendung von Algorithmen am Arbeitsplatz

Digitale Arbeitsplattformen verwenden Algorithmen für die Personalverwaltung. Mit diesen Systemen wird das Personal, das über ihre Anwendungen oder Websites Plattformarbeit leistet, organisiert und verwaltet. Nach den neuen Vorschriften müssen die Beschäftigten über die Verwendung von automatisierten Überwachungs- und Entscheidungssystemen informiert werden.
Ferner werden digitale Arbeitsplattformen bestimmte Arten personenbezogener Daten nicht verarbeiten können, wie z. B.: personenbezogene Daten über den emotionalen oder psychologischen Zustand von Plattformbeschäftigten

Daten über private Gespräche

Daten zur Vorhersage tatsächlicher oder potenzieller gewerkschaftlicher Aktivitäten

Daten zur Ableitung der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Migrationsstatus, der politischen Meinung, der religiösen Überzeugungen oder des Gesundheitsstatus eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin biometrische Daten, mit Ausnahme der Daten für die Authentifizierung
Nach den neuen Vorschriften müssen diese Systeme in jedem Fall von qualifiziertem Personal überwacht werden, das vor Benachteiligungen besonders geschützt wird. Auch bei wichtigen Entscheidungen wie der Aussetzung von Konten wird die menschliche Aufsicht gewährleistet.

Durchsetzung, Transparenz und Rückverfolgbarkeit

Die nationalen Behörden haben nur schwer Zugang zu Daten in Bezug auf Plattformen und die Personen, die über diese Plattformen arbeiten. Dies gilt umso mehr, wenn Plattformen in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind und nicht klar ist, wo und von wem die Plattformarbeit geleistet wird.

Mit dieser Richtlinie werden die bestehenden Verpflichtungen der digitalen Arbeitsplattformen zur Anmeldung von Arbeitsverhältnissen gegenüber nationalen Behörden präzisiert. Die Plattformen werden darüber hinaus aufgefordert, den nationalen Behörden wichtige Informationen über ihre Tätigkeiten und die Personen, die für sie tätig sind, bereitzustellen.

Quelle und Kontaktadresse:
IG Metall - Industriegewerkschaft Metall Pressestelle Wilhelm-Leuschner-Str. 79, 60329 Frankfurt am Main Telefon: (069) 6693-0, Fax: (069) 6693-2843

(jg)

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