Pressemitteilung | Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)

Darmträgheit - Obstipation: Mythen und Missverständnisse

(München) - Wer kennt es nicht, das unangenehme Gefühl, wenn der Gang zur Toilette zur Qual wird? Die Stuhlverstopfung zählt in den westlichen Industrieländern zu den häufigsten Zivilisations- und Funktionsstörungen. In Deutschland leiden rund 12-16 Millionen Erwachsene an Obstipation. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer; und auch bei Kindern ist die lästige „Volkskrankheit“ keine Seltenheit mehr. Die Bedeutung des Problems Obstipation wird durch das Verzeichnis der wichtigsten deutschen Arzneimittel (Rote Liste) veranschaulicht, in dem fast 100 Laxanzien aufgeführt sind.

Was ist normal und was verursacht eine Obstipation?
Viele Menschen meinen, sie müssten jeden Tag „können“. Und wenn man nicht kann, dann muss man halt „müssen“. Nichts ist falscher als diese Meinung! Von zweimal am Tag bis zu dreimal in der Woche reicht die Variationsbreite der Stuhlentleerung, die aus ärztlicher Sicht als „normal“ bezeichnet wird. Nach medizinischer Definition spricht man von einer Obstipation, wenn der Stuhl seltener als jeden 3. Tag abgesetzt wird, wenn er zu hart ist, Schmerzen bereitet oder wenn zu wenig kommt („Schafsköttel“). Darmträgheit und Verstopfung sind eng mit der modernen Lebensweise verknüpft. Fastfood, unregelmäßige Mahlzeiten, reichlicher Fleischverzehr, bedrückender Stress, Hektik und Schlafdefizite machen den Darm schlapp. Wir Deutschen sind zu einer „Sitzgesellschaft“ geworden. Dadurch erschlafft die Bauchmuskulatur und dem Darm fehlt die Stimulans von außen, aktiv zu werden. Jeder Jogger weiß, dass es sich erst zwei bis drei Stunden nach einer Hauptmahlzeit empfiehlt, zu laufen, weil man sonst schleunigst im Gebüsch verschwinden muss. Auch Krankheiten wie eine Schilddrüsen-Unterfunktion und krankhafte Prozesse im Bauchraum oder Medikamente (Antidepressiva, Antazida, Diuretika, Eisenpräparate, Opiate) können den Darm blockieren. Grundsätzlich sollte zwischen der so genannten habituellen Obstipation – der Verstopfung ohne krankhafte Voraussetzungen – und organisch bedingten Ursachen unterschieden werden. Diese erfordern eine sorgsame ärztliche Diagnostik und Behandlung.

Widersprüchliche Risikofaktoren
Nach gängiger Lehrmeinung wird eine habituelle Obstipation durch Fehlernährung (Mangel an Ballast- und Mineralstoffen), Bewegungsarmut, Reisen und Klimaveränderung, Lebensalter, unzureichende Flüssigkeitszufuhr und nicht zuletzt durch eine Schwangerschaft hervorgerufen. Einer der wichtigsten Risikofaktoren ist der langzeitige Gebrauch von Abführmitteln, die darmirritierend wirken und kolorektale Karzinome begünstigen. Prof. Wolfgang Fischbach / Klinikum Aschaffenburg nahm eine im „American Journal of Gastroenterology“ veröffentlichte Literaturanalyse zum Anlass, um auf einige widersprüchliche Vorstellungen bei anhaltender Verstopfung hinzuweisen. So sei die These, dass ein Laxanziengebrauch das Auftreten kolorektaler Karzinome begünstige, nicht durch wissenschaftliche Daten belegt. Umgekehrt sei vielmehr die chronische Verstopfung mit einem erhöhten Karzinomrisiko verbunden. Auch führe eine ordnungsgemäße Einnahme von Abführmitteln – im Gegensatz zum Laxanzienabusus - nicht zu Störungen des Elektrolythaushaltes, einem Mangel an den Mineralstoffen Magnesium und Kalium. Er vertritt die Auffassung, dass nach verfügbaren Studiendaten auch der Vorschlag, bei Verstopfung noch mehr zu trinken, den Betroffenen wenig hilft. Ebenfalls sei falsch, dass faserarme Kost per se Verstopfung verursache: „Auch dafür gibt es keinen Beleg“, betont der Experte. Allerdings sei faserreiche Kost (Vollkorn, Obst, Gemüse) bei leichten Formen der Obstipation eine mögliche Therapie-Option für einen Teil der Patienten. Der Therapieansatz erster Wahl bei Verstopfung ist - abgesehen von einer sorgfältig dosierten Laxanzienbehandlung - die körperliche Bewegung. Es sei zweifelsfrei nachgewiesen, dass Bewegungsmangel mit Verstopfung einhergeht und es konnte verdeutlicht werden, dass regelmäßige Bewegung Obstipationsprobleme auf ganz natürliche Weise zum Verschwinden bringen kann.

Welche Diagnostik ist bei Obstipation wichtig?
Je plötzlicher und hartnäckiger eine Obstipation auftritt, umso mehr muss nach organischen Ursachen gefahndet werden. Wer zuvor einen völlig normalen Stuhlgang hatte und erlebt, dass dieser sich innerhalb weniger Tage oder Wochen ohne nennenswerte Veränderung der Ernährung und Lebensweise verschlechtert, sollte umgehend seinen Arzt aufsuchen. Neben eingehender Untersuchung können dann Blutdiagnostik, Magen/Darmspiegelungen, Ultraschall und andere bildgebende Verfahren über Erkrankungen im Bauchraum Aufschlüsse liefern.

Verstopfung in der Schwangerschaft
Quälende Darmträgheit und Verstopfung belasten etwa ein Drittel aller Schwangeren. Damit gehört das Krankheitsbild zu den häufigsten Beschwerden im Darm-Trakt der werdenden Mutter. Frauen produzieren während der Schwangerschaft mehr weibliche Geschlechtshormone als normal. Diese unterstützen einerseits die Schwangerschaft, andererseits verlangsamen sie auch die Darmtätigkeit. Die vermehrt gebildeten weiblichen Geschlechtshormone hemmen die Bewegungen der gesamten inneren Muskulatur, und schützen den Fötus in der Gebärmutter vor Kontraktionen und Erschütterungen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Darmwand, deren Kontraktionen für eine regelmäßige Verdauung notwendig sind. Außerdem besteht die Vermutung, dass veränderte Ess- und Trinkgewohnheiten sowie mangelnde Bewegung vor allem während des letzten Schwangerschaftsdrittels und die Einengung des Darms durch die vergrößerte Gebärmutter Ursache für eine gestörte Verdauungsarbeit sind.
Die Behandlung der Schwangerschaftsverstopfung sollte unbedingt mit dem Frauenarzt erörtert werden. Die Einnahme von Abführmitteln auf eigene Faust ist während der Schwangerschaft absolut tabu. Dies gilt auch für die rezeptfreien „sanften“ Abführhilfen. Bestimmte Inhaltsstoffe können vorzeitige Kontraktionen der Gebärmutter auslösen und bergen daher ein hohes Risikopotenzial für eine Frühgeburt. Wie viel und welche Art von Sport und Bewegung geeignet ist oder ob in hartnäckigen Fällen zum Beispiel Backpflaumen, Feigen, Rhabarber oder auch eine Magnesium-Substitution hilfreich sein können, entscheiden Frauenarzt und Schwangere gemeinsam.

Der Berufsverband der Frauenärzte weist darauf hin, dass Obstipation und Darmträgheit ein vordringlich weibliches Problem darstellt. Daher bieten sich Frauenärztinnen und –ärzte mit entsprechenden Ratschlägen als Experten an.

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) Maria-E. Lange-Ernst, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Pettenkoferstr. 35, 80336 München Telefon: (089) 244466-0, Telefax: (089) 244466-100

(bl)

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