Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

DAV warnt vor Hysterie im Sexualstrafrecht / Pflicht zum Anzeigen schafft Überwachungs-System

(Berlin) - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt, dass die Bundesregierung nicht mehr plant, den Strafrahmen für (einfachen) sexuellen Missbrauch generell zu erhöhen und ihn zum Verbrechenstatbestand zu erheben. Dadurch kann wenigstens verhindert werden, dass Kinder in nicht zu schwerwiegenden Fällen einer Begutachtung und der Belastung eines Strafprozesses ausgesetzt werden. Gleichwohl will die Bundesregierung aber den Strafrahmen für sexuellen Missbrauch erhöhen, obwohl alle Experten sich einig sind, dass höhere Strafrahmen keinerlei Abschreckungswirkung haben.

Entschieden abzulehnen ist die geplante Anzeigepflicht, die geradezu ein Überwachungs-System veranlassen kann. Nach der Vorstellung der Bundesregierung muss jedermann (z. B. Nachbar, Verwandter etc.) bei Meidung eigener Strafverfolgung eine Anzeige erstatten.

Bei sexuellem Missbrauch und bei Vergewaltigung darf niemand wegsehen. Der DAV warnt jedoch dringend davor, dass die geplante Anzeigepflicht bei oft unbesonnenem und häufig mehr durch Hysterie geprägtem Umgang mit einem sexuellen Missbrauchsverdacht zu vielerlei Fehleinschätzungen und allzu leichtfertig zu Denunziationen führen kann. Das gilt erst recht, wenn zu befürchten ist, dass die Angst vor der eigenen Bestrafung zu vielerlei haltlosen Anzeigen führen wird. Ein solches "Überwachungs-System" birgt die Gefahr, Denunziationen Vorschub zu leisten.

Strafvorschriften kommen immer zu spät. Zutreffende Prognoseentscheidungen sind schwierig, qualifizierte Sachverständige fehlen immer noch. Aus Sicht des DAV kann wirklicher Schutz für Kinder - nämlich die Verhinderung von Sexualstraftaten - nicht in einer nur an Einzelfällen orientierten Gesetzgebung und auch nicht in immer weiterem Heraufsetzen von Strafrahmen bestehen. Effektiverer Schutz könnte durch die Schaffung von mehr (ambulanten) Therapieeinrichtungen und (ärztlichen) Kontaktstellen geschaffen werden, an die sich Menschen wenden können, die nicht zum Täter werden und sich im Vorfeld helfen lassen wollen. Dann wüsste man auch, wohin man - nach einer erstatteten Anzeige - Menschen schicken könnte, um zukünftigen Sexualstraftaten effektiver zu begegnen.

Dazu würde aber auch eine veränderte Gesellschaftspolitik gehören, die Sexualtäter nicht immer wieder aufs Neue stigmatisiert, sondern ihnen - da, wo es noch geht - vorbeugend helfend begegnet. Derlei Konzepte finden sich in dem Gesetzesentwurf jedoch nicht.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Littenstr. 11 10179 Berlin Telefon: 030/7261520 Telefax: 030/726152190

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