Debatte um Arbeitszeiten: Aktueller Forschungsüberblick der Hans-Böckler-Stiftung
(Düsseldorf) - Die Bundesregierung will die Höchstarbeitszeit für den Erwerbsjob nicht mehr pro Tag, sondern pro Woche regeln. Damit würden mehr Möglichkeiten für sehr lange Arbeitstage geschaffen. Knapp drei Viertel der Beschäftigten sehen es aber skeptisch, wenn so generell Arbeitstage von mehr als zehn Stunden möglich werden: Sie befürchten bei so langen Arbeitstagen negative Folgen für Erholung und Gesundheit, für die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familienleben sowie die Organisation ihres Alltags. Besonders verbreitet sind Sorgen bei erwerbstätigen Frauen, die zusätzlich zum Erwerbsjob oft viel unbezahlte Sorgearbeit leisten, etwa bei der Kinderbetreuung oder im Haushalt.
„Damit könnte die Deregulierung der Höchstarbeitszeit ausgerechnet den Zuwachs bei der Erwerbstätigkeit von Frauen bremsen, der in den vergangenen Jahren wesentlich zu Rekordwerten bei Erwerbstätigkeit und Arbeitsvolumen in Deutschland beigetragen hat. Gleichzeitig könnte sie Probleme bei Gesundheit und Demografie verschärfen, höhere Krankenstände begünstigen und die Entscheidung für Kinder schwerer machen. Die Deregulierung erscheint damit auch wirtschaftlich kontraproduktiv“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Die Befragungsergebnisse des WSI unterstreichen auch, dass sehr lange und flexible Arbeitszeiten in Deutschland längst verbreitet sind. Immerhin 12 Prozent der Befragten arbeiten wenigstens an einzelnen Tagen in der Woche länger als zehn Stunden. Und knapp 38 Prozent der Beschäftigten haben zumindest ab und zu „fragmentierte“ Arbeitstage, an denen die Erwerbsarbeit abends nochmal aufgenommen wird. Denn das geltende Arbeitszeitgesetz lässt bereits sehr viel Flexibilität zu, insbesondere in Kombination mit Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Das dient einer Balance zwischen Flexibilität und Schutz vor Überforderung. Mehr zur aktuellen WSI-Befragung finden Sie hier: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-abschaffung-der-taeglichen-hoechstarbeitszeit-71356.htm
In dieser Woche geht es bei einem von der Bundesregierung initiierten „Sozialpartnerdialog“ auch noch um andere Arbeitszeit-Themen: Um eine zeitgemäße Erfassung von Arbeitszeiten ebenso wie um Wochenend- und Feiertagsarbeit. Zahlreiche aktuelle Forschungsergebnisse zur Arbeitszeitdebatte finden Sie auf unserer Übersichtsseite, übersichtlich im Frage-Antwort-Format. https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-debatte-um-die-arbeitszeit-69628.htm#Neuregelungen
Quelle und Kontaktadresse:
Weitere Pressemitteilungen dieses Verbands
- Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit: Knapp drei Viertel der Beschäftigten fürchten negative Folgen sehr langer Arbeitstage
- IMK zur gesetzlichen Konkretisierung der Grundgesetzänderungen: Wichtig für die Zukunft Deutschlands, aber Investitionen müssen zusätzlich sein
- Tarifvertragliche Ausbildungsvergütungen: Kaum mehr unter 1.000 Euro im Monat / Fachkräftemangel führt in vielen Tarifbranchen zu überdurchschnittlichen Erhöhungen