Deutsche Verhandlungsposition im EU-Agrarrat offensiv vertreten / Sonnleitner appelliert an Ministerin Künast
(Berlin) - Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, hat unmittelbar vor dem Beginn der entscheidenden Verhandlungsrunde in Luxemburg über eine Reform der EU-Agrarpolitik Bundesministerin Renate Künast "dringlichst" aufgefordert, die Interessen der deutschen Bauern und Bauernfamilien zu vertreten und den Agrarstandort Deutschland zu verteidigen. Sonnleitner zeigte sich in einem Brief an die Ministerin sehr besorgt über die augenblicklichen Vorschläge. "Lassen Sie es nicht zu, dass die Berliner Beschlüsse zur Agenda 2000 jetzt vorzeitig aufgehoben und verändert werden", appellierte Sonnleitner. Es stehe politisch auch die Glaubwürdigkeit der Politik gegenüber den Bauern und allen Marktbeteiligten auf dem Spiel. Wenn Reformen beschlossen würden, dann dürften sie erst ab dem Jahr 2007 gelten. Es mache wenig Sinn, im Vorfeld der entscheidenden WTO-Verhandlungen in Cancun die interne und externe Stützung einseitig abzusenken, ohne dafür Zugeständnisse anderer WTO-Partner ausgehandelt zu haben.
Bewerte man die Details der Verhandlungen, hätten mittlerweile aus Sicht der deutschen Bauern vor allem die Verhandlungen über die Entkopplung des Direktausgleichs einen "gefährlichen Stand" erreicht. Jedes Mitgliedsland könne nach derzeitigem Stand mit den entkoppelten Finanzmitteln unterschiedlich verfahren, wodurch die gemeinsame Agrarpolitik grundsätzlich in Frage gestellt werde und eklatante Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt aufgebaut würden. Selbst extensiv wirtschaftende Betriebe in benachteiligten Regionen hätten keinen Vorteil durch die zurzeit diskutierte nationale Umverteilung von bis zu 10 Prozent des gesamten Direktausgleiches im Vergleich zur bisherigen Agrarpolitik. Auf jeden Fall werde jedoch die wirtschaftliche Existenz aller heute bereits mit extremen Marktbedingungen kämpfenden Landwirte geschmälert, betonte Sonnleitner. Die sich abzeichnende parallele Anwendung gekoppelter und entkoppelter Ausgleichszahlungen in ein und demselben Produktions- und Marktbereich dürfte sich zu einem "bürokratischen Horrorszenario" für die Landwirte wie für die Bundesländer entwickeln. Gerade engagierte junge Landwirte erhielten durch die geplante Modulation und "flexible Degression" keine Perspektive. Sonnleitner befürchtet, dass Deutschland durch beide Finanzregelungen zum "großen Verlierer" werde. Er empfahl Ministerin Künast deshalb, alles daran zu setzen, die europäische und nationale Umverteilung so gering wie möglich zu halten.
Angesichts der bisherigen Verhandlungsergebnisse forderte Sonnleitner Ministerin Künast "eindringlich auf, sich für die Herausnahme der Milchmarktordnung aus der jetzigen Reformdiskussion einzusetzen". Denn nach dem derzeitigen Verhandlungsstand würde dieser Produktionsbereich, der größte der deutschen Landwirtschaft, ernsthaft gefährdet. Der DBV erwarte von der Ministerin, dass sie dramatische Preissenkungen verhindere und nur einer Milchquotenregelung zustimme, die flexibel den Marktgegebenheiten angepasst werden könne. Die Preissenkungen durch die Agenda 2000 erforderten einen deutlich höheren Direktausgleich. Eine gesonderte Grünlandprämie - finanziert aus der Acker-, Tier- oder Milchprämie - würde in dieser Situation mehr schaden als nützen. Denn solange die EU über eine funktionierende Milchmarktordnung verfüge und die Tierprämien mit strikter Flächenbindung gewährt würden, sei eine solche Grünlandprämie nicht hilfreich. Beharre Deutschland als größter Milchproduzent innerhalb der EU auf einer solchen Grünland bezogenen Zahlung, dürften die Chancen für eine Fortschreibung der Milchmarktordnung ohne Aufstockung der Milchmengen in den Mittelmeerländern schwinden, befürchtet Sonnleitner. Dies wiederum würde den Markt erneut unter Druck setzen.
Auch die Tierprämien sollten im bisherigen Umfang erhalten bleiben, forderte Sonnleitner. Für die deutschen Bauern wäre es nicht erträglich, wenn in anderen EU-Staaten der Direktausgleich für Mutterkühe vollständig gekoppelt bliebe, während für die in Deutschland vorherrschenden Bullen und Ochsen eine (Teil)Entkopplung beschlossen würde.
Sonnleitner bot Ministerin Künast an, gemeinsam über die Modalitäten einer Entkopplung im Ackerbau nachzudenken, wenn diese wegen der anstehenden WTO-Verhandlungen unvermeidlich seien. Dabei gelte aber auch der Grundsatz, dass es einer verbindlich einheitlichen Regelung in der EU bedürfe, die keine Benachteiligung der deutschen Getreidebauern beinhalte. Sonnleitner forderte Künast erneut auf, sich für die spezifischen Probleme des deutschen Roggenanbaus und der Stärkekartoffelerzeugung einzusetzen.
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