Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Berlin

Deutscher Städtetag legt aktuelle Finanzdaten der Kommunen vor / Finanzkrise der Städte wird 2003 noch dramatischer: „Hiobsbotschaften müssen endlich zu Soforthilfe führen“

(Berlin) - Die schwerste Finanzkrise der Städte seit Bestehen der Bundesrepublik hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht: 2003 wird sich die Lage weiter dramatisch zuspitzen, obwohl viele Städte bereits nach den Jahren 2001 und 2002 praktisch handlungsunfähig sind. Diese düstere Prognose ergibt sich aus aktuellen Daten zur Finanzlage der Städte, Gemeinden und Kreise, die der Deutsche Städtetag am 27. Januar in Berlin veröffentlicht hat.

Die amtierende Präsidentin des kommunalen Spitzenverbandes, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, beschrieb die Situation so: „Unsere Haushaltslage ist katastrophal: Die Kommunen stehen trotz eines harten Sparkurses vor einem bisher völlig unvorstellbaren Rekorddefizit, die Gewerbesteuer bricht in vielen Städten weiter ein, der Verfall der Investitionen hält an, die Sozialausgaben steigen deutlich. Viele Städte befinden sich am Rand des Ruins. Die Bürgerinnen und Bürger spüren die eingeschränkten Leistungsangebote und den dringenden Sanierungsbedarf bei der Infrastruktur.“

Als besonders alarmierend hob Frau Roth zwei Fakten hervor:

- Das Gesamtdefizit der kommunalen Haushalte – die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – belief sich 2002 auf 6,65 Milliarden Euro, das ist ein Anstieg gegenüber 2001 um 2,7 Milliarden Euro. Für 2003 ist ein bisher nie da gewesenes Rekorddefizit von 9,9 Milliarden Euro zu befürchten.
- Immer mehr Städte können ihre Haushalte nicht ausgleichen. Weil die Einnahmen nicht ausreichen, müssen sie immer mehr laufende Ausgaben etwa für Sozialhilfe oder Personal dauerhaft über Kassenkredite finanzieren, die eigentlich nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe erlaubt sind. Zur Jahresmitte 2002 summierten sich die kommunalen Kassenkredite auf 11,7 Milliarden Euro und waren damit mehr als zehn mal so hoch wie 1992.

Verantwortlich für die rasante Talfahrt der Kommunalfinanzen seien auch 2002 und 2003 nicht die Ausgaben der Kommunen, sondern ihre weiter rückläufigen Einnahmen. Bei den Ausgaben bewegten sich die Kommunen bereits seit Jahren klar auf Maastricht-Kurs, sagte Frau Roth. Für den fortgesetzten Sparkurs zahlten die Städte allerdings einen hohen Preis. Sie seien zum Beispiel wegen wachsender Sozialausgaben gezwungen, weiter bei den Investitionen zu kürzen, obwohl volkswirtschaftlich genau der gegenteilige Trend einsetzen müsse.

„Ohne rasche Hilfe von Bund und Ländern können wir die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland bald zu Grabe tragen“, so Petra Roth. „Es ist gut, dass an einer Reform der Gemeindefinanzen gearbeitet wird. Aber sie wird nicht so rasch kommen, wie das angesichts der dramatischen Lage vieler Städte nötig wäre: Wir erwarten deshalb, dass auch die Forderungen der Städte nach Soforthilfe endlich Gehör finden. Wir haben kein Verständnis dafür, wenn trotz immer neuer Hiobsbotschaften über die städtischen Finanzen keine Aussicht auf Soforthilfe besteht. Wir fordern vor allem, dass der Bund seine ablehnende Haltung gegen den Antrag der Bundesratsmehrheit aufgibt und gemeinsam mit den Ländern den Kommunen ab sofort weniger von der Gewerbesteuer wegnimmt.“ Durch eine Senkung der Gewerbesteuerumlage auf das Niveau vor der Steuerreform könnten die Kommunen 2003 um rund 2,3 Milliarden Euro entlastet werden. Außerdem benötigten die Städte Investitionshilfen des Bundes, damit sie Schulen und Straßen sanieren und zu einem Wirtschaftsaufschwung beitragen können.

2003 werde zum Schicksalsjahr der Städte, sagte die amtierende Städtetagspräsidentin. Denn 2003 entscheide sich, ob die Städte Soforthilfe erhalten und ob die Gemeindefinanzreform gelinge. „Wir hoffen sehr, dass es – wie von der Koalition angekündigt – zu einer Reform der Gewerbesteuer kommt. Außerdem brauchen wir dringend eine Reform von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die gleichzeitig die Kommunen deutlich von Sozialausgaben entlastet. Entscheidend wird am Ende sein, ob die Gemeindefinanzreform unsere Einnahmen wirklich verbessert und ob wir bei den Ausgaben entlastet werden. Mit einem Nullsummenspiel für die Städte, das angesichts der Haushaltslage von Bund und Ländern zu befürchten ist, können wir uns auf keinen Fall zufrieden geben.“ Der Deutsche Städtetag werde die Koalition beim Wort nehmen und im Zweifel daran erinnern, dass in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich eine Stärkung der Finanzkraft der Kommunen versprochen wird.

Die amtierende Städtetagspräsidentin warnte Bund und Länder zugleich vor neuen Belastungen der Kommunen. Wenn der Bund die Kinderbetreuung in Krippen oder die Länder die schulische Ganztagesbetreuung ausbauen wollten, sei das gesellschaftspolitisch nur zu unterstützen. Doch diese Leistungen müssten auch von denjenigen voll finanziert werden, die sie einführen, also von Bund und Ländern: „Die Städte brauchen echte Entlastungen und können keine neuen Belastungen verkraften.“ Die Finanzierung des von der Koalition geplanten Ausbaus der Krippenplätze müsse im Zuge der Gemeindefinanzreform geregelt werden. Eine hoffentlich eintretende Entlastung der Kommunen durch das Hartz-Konzept dürfe nicht durch solche neuen Ausgaben zusammenschrumpfen.

Im einzelnen stellten der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Stephan Articus, und dessen Stellvertreterin, Finanzdezernentin Monika Kuban, folgende Fakten vor:

Der Einbruch der Gewerbesteuer setzte sich 2002 fort und war Hauptursache für den Rückgang der kommunalen Einnahmen. Die tatsächlichen kommunalen Gewerbesteuereinnahmen - nach Abzug der Gewerbesteuerumlage - lagen 2002 noch einmal um 9,1 Prozent unter dem Niveau von 2001, das bereits um 11,4 Prozent rückläufig war. Im Jahr 2002 betrug das gesamte Gewerbesteueraufkommen 23,2 Milliarden Euro und lag damit rund 1,3 Milliarden Euro niedriger als 2001. Seit 2000 sind 3,8 Milliarden Euro von der Gewerbesteuer weggebrochen. In vielen Städten war der Rückgang zwischen 2000 und 2002 überdurchschnittlich, in 23 Städten betrug er mehr als 30 Prozent. Die Zahlen belegen, wie dringlich eine Modernisierung der Gewerbesteuer ist.

Das Gesamtdefizit der kommunalen Haushalte – die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – belief sich 2002 trotz fortgesetzter Sparpolitik auf minus 6,65 Milliarden Euro. Für 2003 wird ein Rekorddefizit von 9,9 Milliarden Euro erwartet. Selbst ein Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe kann nicht ausgeschlossen werden. Diese Gesamtdefizite zeichnen allerdings noch ein geschöntes Bild von der kommunalen Finanzlage: Denn die Kommunen sind verpflichtet, ausgeglichene Haushalte vorzulegen und erreichen dies – soweit das überhaupt noch möglich ist - seit Jahren nur durch ein starkes Zurückfahren der Investitionen und durch Verkauf von „Tafelsilber“, also Vermögen.

Erheblich aussagekräftiger sind die wachsenden chronischen Defizite in den städtischen Verwaltungshaushalten. Sie machten bereits 2001 allein bei den Mitgliedsstädten des Deutschen Städtetages rund 5 Milliarden Euro aus und sind 2002 erneut deutlich gestiegen – Ergebnisse liegen erst im Frühjahr vor. In der Praxis heißt das: Viele Städte sind dauerhaft gezwungen, immer mehr laufende Ausgaben mit geliehenem Geld zu bezahlen. 2002 mussten die Kommunen dazu ihre Kassenkredite um über 2 Milliarden Euro auf 11,7 Milliarden Euro stark aufstocken, 2003 wird sich dieser negative Trend fortsetzen.

Die kommunalen Einnahmen sanken 2002 gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozent – von 143,95 Milliarden auf 142,60 Milliarden Euro. Sie bewegen sich damit etwa auf dem Niveau von 1993. Für 2003 wird ein Minus von 2,3 Prozent erwartet. Die Ausgaben lagen 2002 um 0,9 Prozent höher als 2001, sie stiegen von 147,91 Milliarden auf 149,25 Milliarden Euro. Damit bewegen sich die Ausgaben der Kommunen durch harte Konsolidierungspolitik etwa in der Höhe des Jahres 1994. Für 2003 zeichnet sich eine Stagnation der Gesamtausgaben ab.

Die Investitionen in den kommunalen Haushalten sanken 2002 um 2,4 Prozent auf 23,6 Milliarden Euro – das sind 10 Milliarden Euro oder rund 30 Prozent weniger als 1992. 2003 wird sich der Verfall der Investitionen beschleunigen, es wird ein Minus von 10,8 Prozent erwartet. Speziell die Bauinvestitionen sind damit seit 1992 ohne die Beseitigung der Flutschäden um 40 Prozent abgestürzt.

Die Sozialausgaben der Kommunen – das sind vor allem Sozialhilfe und Jugendhilfe – stiegen dagegen erneut an und liegen um rund 30 Prozent über dem Niveau von 1992. 2002 erhöhten sie sich um 5 Prozent auf 28,70 Milliarden Euro, in den neuen Ländern betrug das Plus sogar 5,9 Prozent. 2003 steigen die kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen zusätzlich durch die Einführung der Grundsicherung – insgesamt wird ein Zuwachs von 5,6 Prozent erwartet.

Die kommunalen Personalausgaben sind 2002 um 1,5 Prozent gestiegen, 2003 wird mit einem Zuwachs um 1,9 Prozent gerechnet. Die im Jahr 2002 wirksame Tariferhöhung um 2,4 Prozent hat zu einer Zunahme der kommunalen Personalausgaben in den alten Ländern um 2,1 Prozent geführt. Die ostdeutschen Kommunen haben ihre Personalausgaben 2002 dagegen erneut um 1,1 Prozent reduziert. Das war nur möglich durch eine Fortsetzung des Personalabbaus. Durch den aktuellen Tarifabschluss muss für 2003 für die westdeutschen Haushalte von einer Belastung von mehr als 2,5 Prozent ausgegangen werden. Für die ostdeutschen Kommunalhaushalte fallen die Mehrbelastungen erheblich höher aus.

Die Gebühreneinnahmen der Kommunen gingen 2002 aufgrund von Ausgliederungen von städtischen Betrieben um 2,4 Prozent zurück und lagen bei 16,15 Milliarden Euro. Für 2003 ist von einem leichten Anstieg um 0,6 Prozent auszugehen. Die seit Jahren vorherrschende weitgehende Stabilität der Gebühreneinnahmen belegt: Die Städte, Gemeinden und Kreise in Ost und West sanieren ihre Haushalte nicht durch Drehen an der Gebührenschraube.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag Straße des 17. Juni 112 10623 Berlin Telefon: 030/377110 Telefax: 030/37711999

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