Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Deutschland soll Weltmeister werden - beim Energiesparen / vzbv fordert Effizienz-Offensive, verbindliche Standards und klare Zeitschienen: "Schluss mit jahrelangen Lippenbekenntnissen"

(Berlin) - Verbindliche Standards und Zeitvorgaben sollen Deutschland zum Weltmeister der Energieeffizienz machen. Dieses Ziel rief der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) aus. "Energiesparen wirkt dreifach: Es spart Geld, schont Klima und Umwelt und macht Deutschland zum Weltmarktführer in einem der lukrativsten Wachstumsmärkte", so vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller bei einer Tagung des vzbv in Berlin. Die Bundesregierung habe es während der EU-Präsidentschaft und dem G8-Vorsitz in der Hand, Deutschland und die Europäische Union beim Thema Energieeffizienz zum Spitzenreiter zu machen. Die Wirtschaft brauche klare Signale, die Planungssicherheit bieten und Impulse für Forschung und Entwicklung setzen.

Die richtige Antwort auf die Bedrohung durch den Klimawandel, wachsende Abhängigkeiten von Energieimporten und steigende Energiepreise sei, Energie zu sparen. Nach wie vor wird nach Meinung des vzbv zuviel geredet, vor allem über Unverbindliches. "Es muss endlich Schluss sein mit Selbstverpflichtungen, jahrelangen Lippenbekenntnissen und Absichtserklärungen", fordert Müller. Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Energieeinsparung seien lange bekannt. Jetzt müssten endlich Taten folgen, damit sich in allen Bereichen - Wärme, Elektrizität und Mobilität - die sparsamsten Gebäude, Geräte und Fahrzeuge durchsetzen. Würde der Energieverbrauch in Deutschland bis 2020 um 20 Prozent gesenkt - machbar wären deutlich mehr - könnten allein die deutschen Verbraucher ihre jährlich Energierechnung um 20 Milliarden Euro reduzieren. Das sind 500 Euro pro Haushalt, Jahr für Jahr.

Mutlosigkeit statt Effizienz-Offensive
Der vzbv kritisierte die Mutlosigkeit der Bundesregierung bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen. Die bisherigen Vorschläge der Regierung seien zu wenig ambitioniert. "Bestes Beispiel ist der halbherzige Kompromiss zum Gebäudeenergiepass", so Edda Müller. Demnach soll ein wirklich effektiver Energiepass, der Auskunft über den energietechnischen Zustand eines Hauses gibt, nur für Gebäude vorgeschrieben werden, die vor 1978 gebaut wurden und weniger als fünf Wohnungen haben. In allen anderen Fällen reicht es aus, den vorherigen Verbrauch anzugeben - war der Bewohner kaum anwesend, wird auf diesem Wege eine Energieschleuder plötzlich zum Passivhaus. "Wenn der Gebäudepass Sinnbild der deutschen Energieeffizienzpolitik ist, ist es schlecht bestellt um die Vorreiterrolle Deutschlands."

Aktionsplan der EU: Abschreiben erlaubt
Wie man es richtig anpackt, hat vor wenigen Wochen die Europäische Kommission mit ihrem Aktionsplan zur Energieeffizienz vorgelegt. Dieser enthält nahezu alle erforderlichen Vorgaben: Für 14 Produktgruppen wie Fernseher, Kopierer, Motoren und Haushaltsgeräte sollen strenge Vorgaben, für Haushaltsgeräte wieder das alte Kennzeichnungssystem mit A, B und C gelten. Bei Gebäuden soll das Passivhaus verbindlicher Standard werden und beim PKW der durchschnittliche Flottenverbrauch auf 4,5 Litern auf 100 km bis 2012 sinken. Mit konkreten Zielen will die Europäische Kommission die Energierechnungen der europäischen Verbraucher um 100 Milliarden Euro pro Jahr senken. Dies entspricht ziemlich genau der jährlichen Energierechnung der deutschen Haushalte.

"Wenn die Bundesregierung Impulse setzen und Glaubwürdigkeit gewinnen will, muss sie ihre zögerliche Haltung zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen aufgeben und während der EU- Ratpräsidentschaft mit gutem Beispiel vorangehen", sagte Müller. Sie forderte ein klares Bekenntnis zum Aktionsplan der Kommission und eine konsequente Umsetzung der bereits vorliegenden Richtlinien: "Laissez-faire ist out - Ordnungspolitik ist in." Eine konsequente Energieeffizienzpolitik bedeute ein gigantisches Konjunkturprogramm, das die Binnenkonjunktur belebt, die Industrie entlastet und der Baubranche und dem Handwerk die ersehnten Wachstumsimpulse liefert.

Was muss konkret geschehen?
1.Gebäude - runter mit den Heizkosten
Wohngebäude verheizen im Durchschnitt 22 Liter Heizöl pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr. Möglich wäre die Hälfte, bei Neubauten sogar ein Zehntel.

- Einführung eines obligatorischen bedarfsorientierten Energieausweises für Altbauten: Nur ein Ausweis, der Aufschluss über die energetische Substanz eines Gebäudes gibt, wird Wettbewerb und sinkende Energiekosten bei Gebäuden bringen.
- Einführung eines Mietminderungsrechts für Mieter, wenn gesetzlichen Vorgaben zum Energieverbrauch gemäß Einsparverordnung nicht eingehalten werden: Dies würde immerhin die Einhaltung geltender Energiestandards bei Neubauten gewährleisten.
- Der Wohnungsbestand muss bis zum Jahr 2025 auf das Niveau der heute für Neubauten gültigen Standards von zehn Litern Heizöl je Quadratmeter und Jahr saniert werden.
- Im Rahmen der Förderprogramme sind nur noch Maßnahmen mit öffentlichen Mitteln zu fördern, die zu einem gegenüber den Anforderungen der Energieeinsparverordnung besseren Standard führen.
- Die Energieeinsparverordnung ist gegenüber dem derzeitigen Standard von neun bis 15 Litern Heizöl je Quadratmeter und Jahr so zu dynamisieren. Nach 2012 sollen nur noch Gebäude mit einem Energieverbrauch von unter drei bis fünf Litern errichtet werden dürfen.

2. Autos - runter mit dem Flottenverbrauch
Neue Autos fressen im Durchschnitt immer noch knapp sieben Liter Benzin auf 100 Kilometer. Technisch möglich wäre die Hälfte.

- Festlegung eines Höchstverbrauches und Anpassung auf dem jeweiligen Stand der Technik: Die Hersteller hatten sich gegenüber der Europäischen Union verpflichtet, den Spritverbrauch der Neuwagenflotte bis 2008 von heute sieben auf fünfeinhalb Liter je 100 km zu senken. Die Selbstverpflichtung kann schon jetzt als gescheitert gelten. Die aktuelle Top-Ten-Liste des Verkehrsclub Deutschlands wird von zwei japanischen Hybrid-Fahrzeugen angeführt. Erst auf Platz 12 findet sich ein Auto eines deutschen Herstellers. Die Senkung des Flottenverbrauchs ist so fortzuschreiben, dass er bis spätestens 2012 auf dreieinhalb Liter je 100 km sinkt.

3. Elektrische Geräte - runter mit den Stromkosten
Die EU-Öko-Designrichtlinie ist mit scharfen Standards rasch umzusetzen. Laut Richtlinie dürfen künftig durch die Festsetzung von Obergrenzen des Stromverbrauchs nur noch besonders energieeffiziente elektrische Geräte auf den Markt kommen. Die Frist zur nationalen Umsetzung der Richtlinie endet im August 2007.

- Verbot des Stand-by-Betriebs von Elektrogeräten: Dieser verbraucht allein die Energie von etwa zwei großen Kraftwerken.
- Rückkehr bei Haushalts- und Elektrogeräten zum bewährten Kennzeichnungssystem A, B und C und Ausweitung auf Geräte der Unterhaltungselektronik und der Bürokommunikation. Effiziente Geräte, die 50 Prozent unter der Obergrenze liegen, sind mit "A" auszuzeichnen, um 25 Prozent bessere Geräte erhalten "B" und diejenigen, die nur die Obergrenze erreichen, bekommen ein "C". Dies bedeutet: Das derzeitige A-Label fiele künftig in die Kategorie C.

Drei Sparmodelle im Haushalt: Kleines kann Großes bewirken
a. Das Ausschalten des Stand-by-Betriebs würde einer durchschnittlichen Familie etwa 115 Euro zusätzlich in die Haushaltskasse spülen.
b. Der Einbau einer sparsamen Umwälzpumpe für die Gas- oder Ölheizung würde die Stromrechung je nach Ausgangslage um 90-240 Euro pro Jahr senken.
c. Wer 6,60 Euro in die Mehrkosten einer Energiesparlampe investiert, spart über die Lebensdauer der Lampe über 80 Euro.

Unabhängige Energieberatung spart Energiebedarf ganzer Städte
Zur Mobilisierung der Nachfrage nach Energieeffizienz fordert der vzbv den Ausbau der Energieberatung für Verbraucher. Mit seiner bundesweit unabhängigen Energieberatung leisten der vzbv, die Verbraucherzentralen und der VerbraucherService Bayern in rund 400 Beratungsstellen seit Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung. Derzeit nehmen jährlich rund 75.000 Haushalte diese Beratung in Anspruch. Die durch die Energieberatung jährlich ausgelösten Investitionen für Energiespartechnik führen zu einer gesamten Energieeinsparung, die etwa dem jährlichen Energieverbrauch einer 70.000-Einwohner-Stadt wie Weimar oder Detmold entspricht. Die Effekte der Energieberatung sprechen für sich: Mit der eingesparten Energie werden zugleich mindestens 300.000 bis 600.000 Tonnen weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre emittiert. Durch die Beratung werden mindestens 40 bis 80 Millionen Euro in effiziente Technologien investiert.

Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Carel Mohn, Pressesprecher, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit Markgrafenstr. 66, 10969 Berlin Telefon: (030) 258000, Telefax: (030) 25800218

(sk)

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