Pressemitteilung | Bitkom e.V.

Deutschland: Steinzeit der Online-Wirtschaft?

(Frankfurt am Main) - Der Ministerrat der Europäischen Union will auf seiner Sitzung am 7. Dezember 1999 die lange erwartete Richtlinie zum Elektronischen Geschäftsverkehr verabschieden. Ziel sind europaweit einheitliche Regeln, um die Rechtssicherheit bei elektronischen Verträgen zu erhöhen und die Entwicklung von Electronic Commerce voranzutreiben. Dieses Vorhaben wird von Bundeskanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium ausdrücklich unterstützt, von Vertretern des Bundesjustizministeriums nun aber ad absurdum geführt. Dessen Unterhändler versuchen in Brüssel, Ladenhüter des deutschen Wettbewerbsrechts, nämlich das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung, zum europäischen Standard zu erheben. "Dies ist eine groteske Situation. Sie zeigt, wie wichtig die Forderung des BITKOM nach einem Koordinator für alle Angelegenheiten der Informationsgesellschaft direkt beim Bundeskanzler ist. Während sich Europa anschickt, den Vorsprung der USA im Internet aufzuholen, konfrontiert das Bundesjustizministerium Verbraucher und Industrie mit Rechtsnormen, die im Ursprung auf die 30er Jahre zurückgehen und im europäischen Vergleich seit langem überholt sind. Es darf nicht sein, dass einzelne Dogmatiker Deutschlands Online-Wirtschaft in die Steinzeit zurückwerfen und international isolieren," kommentiert Dr. Volker Jung, Präsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM). In allen anderen Punkten, so Jung, werde die Gesetzesinitiative ausdrücklich begrüßt.



Für die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs in der Europäischen Union ist das Herkunftslandprinzip von besonderer Bedeutung: Danach ist für den Diensteanbieter jenes Recht maßgeblich, das am Ort seiner Niederlassung gilt. Ausgenommen hiervon sind Verträge mit Privatpersonen, da diese als besonders schutzwürdig eingestuft werden . Jetzt versucht die Bundesregierung, darüber hinaus den gesamten Bereich der kommerziellen Kommunikation aus diesem System herauszubrechen. Hintergrund sind das deutsche Rabattgesetz und die Zugabeverordnung. Sie legen dem freien Wettbewerb engere Grenzen auf, als die entsprechenden Regeln in anderen Mitgliedstaaten. Dies hätte zur Folge, dass innerhalb der EU jedes Unternehmen, das seine Dienste im Internet anbietet, die deutschen Vorschriften beachten müsste. Damit soll ausgerechnet das Land mit der restriktivsten Wettbewerbsordnung zum Trendsetter in Europa werden. Der Nachteil läge beim Verbraucher, denn er könnte u.a. von Preisnachlässen im Internethandel nur noch eingeschränkt profitieren. Das Nachsehen hätten auch europäische Unternehmen gegenüber ihren amerikanischen Wettbewerbern, die vergleichbaren Regelungen nicht unterworfen sind.



Was ursprünglich in den dreißiger Jahren kodifiziert wurde, darf nicht zur Grundlage des europäischen Rechts für die Informationswirtschaft des 21. Jahrhunderts werden, so die Forderung des BITKOM. Es sei nicht hinnehmbar, dass Deutschland aus Gründen der nationalen Rechtssystematik in Brüssel Normen durchsetzt, die den elektronischen Geschäftsverkehr behindern und einen ernsthaften Wettbewerbsnachteil für die deutsche und europäische Industrie darstellen. BITKOM-Präsident Jung hat die Bundesregierung und hier insbesondere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin in einem Schreiben aufgefordert, die deutschen Sonderwünsche fallen zu lassen und eine europaweite Regelung nicht länger zu behindern.



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