Deutschlands Naturschutzbilanz: Mehr Arten und Lebensräume auf der Verliererseite
(Berlin) – Am 31. Juli hat Deutschland die Daten zu Trends und Zustand von ca. 200 geschützten Arten und etwa 90 Lebensraumtypen an die EU-Kommission gemeldet. Sie bilden die Grundlage für den Bericht zur Lage der Natur, der alle sechs Jahre erscheint und voraussichtlich Anfang 2026 folgen wird. Der NABU hat eine erste Analyse der Rohdaten durchgeführt. Die Bilanz für den Zeitraum 2019 bis 2024 ist ernüchternd. Der Rückgang schreitet deutlich voran und überwiegt die positiven Entwicklungen.
Über ein Drittel der erfassten Arten und fast die Hälfte der Lebensraumtypen weisen im Vergleich zur letzten Meldeperiode einen negativen Trend auf. Insgesamt befinden sich zwei Drittel der erfassten Arten und fast drei Viertel der Lebensraumtypen in einem ungünstigen Zustand. Besonders kritisch zeigt sich die Lage an den Küsten sowie in der stark zersiedelten Agrarlandschaft der atlantischen und kontinentalen Regionen Deutschlands. Die alpine Region schneidet zwar besser ab, verzeichnet aber ebenfalls eine Zunahme ungünstiger Erhaltungszustände.
Die Treiber für diese negative Entwicklungen sind seit langem bekannt. Viele Arten und Lebensraumtypen leiden unter zu intensiver Landwirtschaft. Auch die Klimakrise, der anhaltend hohe Flächenverbrauch (aktuell etwa 51 Hektar täglich), die Zerschneidung von Lebensräumen sowie der Mangel an nutzungsfreien Flächen an Land und im Meer setzen den Arten zu.
Der Feldhamster ist in Deutschland beispielsweise fast ausgestorben. Aufgrund mangelnder Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft findet er kaum noch Futter und Lebensraum. Agrarpolitische Entscheidungen unter dem Deckmantel der „Entbürokratisierung“ führen zu noch weniger Brachen und Ackerrandstreifen und verschärfen die ohnehin geringen Überlebenschancen der Art. „Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wann die Politik endlich handelt und beispielsweise Fördermittel gezielt so ausrichtet, dass Landwirt*innen für mehr Vielfalt und biodiversitätsfördernde Maßnahmen honoriert werden”, sagt Dr. Laura Breitkreuz, Referentin für Artenschutz beim NABU.
„Nicht nur an Land, sondern auch im Meer ist die intensive Nutzung ein Problem“, ergänzt Dr. Verena Riedl, Teamleiterin Natur- und Artenschutz beim NABU. „Populationen des Schweinswals werden sich nur erholen, wenn es in unseren deutschen Meeresschutzgebieten endlich auch nutzungsfreie Flächen gibt. Nur so können sich die Tiere von lärmenden Motorbooten zurückziehen und wirksam vor Stellnetzen geschützt werden“ In der Ostsee hat sich die Population des Schweinswals seit dem letzten Bericht (2019) halbiert.
Trotz der vielen Negativtrends gibt es auch Lichtblicke, die zeigen, dass Naturschutz wirksam ist. Immerhin 14 Prozent der Arten und 12 Prozent der Lebensräume haben sich verbessert. So etwa der Hirschkäfer, der dank gezieltem Erhalt alter Baumstrukturen inzwischen in allen biogeographischen Regionen, in denen er nachgewiesen wurde, einen günstigen Erhaltungszustand aufweist. Auch die Kleine Hufeisennase, eine stark gefährdete Fledermausart, erholt sich. Aufgrund spezifischer Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen ihres Lebensraums hat sich ihre Zahl seit dem letzten Bericht auf 16.500 Tiere mehr als verdoppelt. „Diese Daten liefern also keinen Grund für Resignation, sondern für entschlossenes Handeln“, betont Breitkreuz. „Die Natur kann sich erholen, wenn wir ihr den Raum und die Bedingungen dafür geben.“
Naturschutz lohnt sich, sichert Vielfalt und damit Lebensgrundlagen. Der NABU fordert daher eine konsequente Umsetzung von nationalen Naturschutzstrategien, wie der nationalen Biodiversitätsstrategie, und europäischer Vorgaben, etwa der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und der Wiederherstellungsverordnung. „Schutzgebiete müssen wirksam sein und eine naturverträglichere Flächennutzung allgemein stärker in den Fokus rücken. Schützen allein reicht aber nicht mehr. Unsere Flüsse, Moore, Wälder, Meere und Offenlandschaften müssen aktiv renaturiert werden, um den Abwärtstrend von Arten und Lebensräumen zu stoppen“, so Riedl.
Quelle und Kontaktadresse:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), Roland Panter, Referent(in) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Charitéstr. 3, 10117 Berlin, Telefon: 030 284 984-0