Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

DGB erneuert Kritik an Rentenkonzept der Bundesregierung

(Berlin) - Der DGB-Bundesvorstand hat in seiner Sitzung am 10.Oktober 2000 in Berlin erneut über das Rentenreformgesetz beraten. Er erneuerte seine Kritik und forderte die Bundesregierung zu weiteren Korrekturen auf. Der DGB-Bundesvorstand ruft dazu auf, an den Aktionstagen der IG Metall am 14. und 21. Oktober 2000 aktiv mitzuwirken.

Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:
„Die Bundesregierung hat einen Diskussionsentwurf zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung des Aufbaus eines kapitalgedeckten Vermögens zur Altersvorsorge (Altersvermögensaufbaugesetz – AVAG) vorgelegt. Der Bundesvorstand erkennt an, dass die Bundesregierung den Gewerkschaften in wichtigen Forderungen entgegen gekommen ist, insbesondere sind dies:

- die Rückkehr zur nettolohnbezogenen Rentenanpassung ab 2001,
- grundsätzliche Öffnung der Förderung der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge für tarifliche und betriebliche Vereinbarungen,
- Einführung einer sozialen Komponente bei der Förderung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge.

Gemessen an den Forderungen des Bundesvorstandes reicht dies jedoch nicht aus. Der Bundesvorstand fordert die Bundesregierung auf, mit dem DGB über notwendige Korrekturen zu verhandeln. Die Gewerkschaften werden dies durch entsprechende Aktionen nachdrücklich unterstützen.

1. Die auch nach Rückkehr zur Nettolohnanpassung der Rentensteigerung ab 2001 starke Absenkung des Rentenniveaus bis zum Jahr 2030 muss deutlich abgemildert werden. Auch für die jüngere Generation muss die gesetzliche Rentenversicherung in Zukunft annähernd den Lebensstandard abdecken. Die Rentenleistungen würden für Bestandsrenten bis zum Jahr 2030 um ca. 210 DM im Monat und für Zugangsrenten sogar um ca. 470 DM im Monat geringer ausfallen als nach heutiger Rechtslage (jeweils Standardrentner mit Durchschnittsverdienst und 45 Versicherungsjahren).

Da viele – vor allem Frauen, aber nicht nur diese – weder 100 Prozent des Durchschnittsverdienstes noch 45 Versicherungsjahre erreichen, geraten durch diese gravierende Absenkung des Niveaus mehr Versicherte als heute mit ihrer Rente in die Nähe oder sogar unter die Sozialhilfeschwelle. Hinzu kommt, dass die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wohl erfolgende Besteuerung der Renten gerade für die jüngeren Jahrgänge zu einer weiteren Senkung des Rentenniveaus führen wird. Das notwendige Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung wird hierdurch kaum wiederhergestellt werden können.

Die von der Regierung vorgeschlagene Förderung der privaten Vorsorge ist keinesfalls ein ausreichender Ersatz für das abgesenkte Niveau der gesetzlichen Rente. Bei der angenommenen Verzinsung von 4 Prozent pro Jahr hätte der Durchschnittsverdiener im Jahr 2030 gerade 70 DM mehr Gesamtversorgung als er an Rente ohne Reform hätte. Dies aber nur dann, wenn er ab 2001 jeweils den geförderten Höchstbeitrag zur privaten Vorsorge (ab 2008: 4 Prozent) aufbringt. Trotz staatlicher Förderung ist seine Gesamtbelastung aber erheblich höher als ohne Reform.

2. Um den Veränderungen bei den Arbeitsverhältnissen (insbesondere neue Selbständigkeit, unterbrochene Erwerbsverläufe, Werkverträge) Rechnung zu tragen und einer Aushöhlung der Solidarität bei der gesetzlichen Rentenversicherung entgegenzuwirken, sind – zumindest auf mittlere Sicht – grundsätzlich alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Dies würde für die kritischen Jahre der demographischen Belastung der gesetzlichen Rentenversicherung die Beitragseinnahmen verstärken. Ein finanzieller Ausgleich könnte ferner dadurch geschaffen werden, wenn die Bundesregierung wieder volle Beiträge für Arbeitslosenhilfeempfänger an die gesetzliche Rentenversicherung zahlt.

3. Die Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung bzw. des eigenständigen Anspruchs von Frauen entspricht nicht den gewerkschaftlichen Vorstellungen. Die vorgesehene Höherbewertung von Zeiten in Verbindung mit Kindererziehung (z. B. Teilzeit, geringe Entlohnung) wird begrüßt. Durch das Einfrieren des Freibetrages und die Verminderung des Prozentsatzes wird die Hinterbliebenenversorgung stark gekürzt.

4. Bei der vorgesehenen Förderung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge gibt es noch Klärungsbedarf.
Um die von den Gewerkschaften geforderte Priorität für die betriebliche Altersvorsorge umzusetzen, ist zumindest sicherzustellen, dass die gesetzlichen Regelungen für die Gewährung von Zulagen, Kinderkomponente und/oder steuerlichen Erleichterungen für die unterschiedlichen Formen der tariflichen und betrieblichen Altersvorsorge genutzt werden können. Die in dem Diskussionsentwurf hierzu vorgesehene Prüfvorschrift für Direktzusage und Unterstützungskasse ist nach Abstimmung mit den Gewerkschaften zu konkretisieren.

- Es müssen Wege für die Einbeziehung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in die Förderung der privaten Vorsorge gefunden werden.
- Aus gewerkschaftlicher Sicht ist neben der Langlebigkeit auch das Invaliditätsrisiko verbindlich abzusichern.“

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Burgstr. 29-30, 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0 Telefax: 030/24060-324

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