Die Profession der Lehrerinnen und Lehrer ist bedroht / Qualifizierte Lehrkräfte für eine qualifizierte Bildung
(Berlin) - Bis 2015 werden 74.000 Lehrerinnen und Lehrer in deutschen Schulen fehlen. Die Folge: Immer weniger Lehrkräfte sollen immer mehr Schüler aus immer schwierigeren sozialen Verhältnissen in immer schlechter ausgestatteten Schulen in immer kürzerer Zeit immer besser auf eine sich immer schneller wandelnde Lebenswirklichkeit vorbereiten. Wenn die Qualität des deutschen Bildungssystems nach TIMSS, PISA und IGLU noch gesteigert werden soll, brauchen wir Lehrerinnen und Lehrer, gut ausgebildet und in großer Zahl, sagte Ludwig Eckinger, der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), anlässlich des Weltlehrertages am 5. Oktober .
Die Kultusministerien seien zu Außenstellen der Finanzminister mutiert. Die hätten den Rückgang der Schülerzahlen als Sparpotential entdeckt. Die Debatte über Lehrereinstellungen werde als Spardiskussion geführt. Heraufsetzung der Stundendeputate, Reduzierung der Stundentafel, größere Klassen und längere Arbeitszeit seien die Folge. Wir müssen den personalpolitischen Schweinezyklus beenden. Mit Blick auf die Bedeutung des Bildungssektors ist es geradezu fahrlässig, die Abfolge von Lehrermangel und Lehrerüberangebot lediglich achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen. Wir brauchen ein durchdachtes und langfristiges Personalentwicklungskonzept in allen Bundesländern, einen gesamtdeutschen Arbeitsmarkt für Lehrerinnen und Lehrer sowie einen jährlichen Einstellungskorridor, so Eckinger.
Die Lehrerbildung müsse mit dem Ziel einer permanenten und nachhaltigen Professionalisierung aller Lehrerinnen und Lehrer reformiert werden, forderten Sandra Behrend und Oliver Arlt von der Arbeitsgemeinschaft der Junglehrer (ADJ). Dazu gehöre eine stärkere Berufsfeldorientierung, mit stärkeren Praxisbezügen sowie pädagogischen, didaktischen und fachdidaktischen Schwerpunkten. Das Kriterium für die geplante Umstrukturierung der Lehramtsstudiengänge in Bachelor- und Masterstudiengänge dürfe nicht der Bologna-Prozess, sondern müsse die Professionalisierung des Lehrerberufs sein.
Eckinger verwahrte sich gegen Überlegungen, einen Teil der angehenden Lehrer bereits mit einem Bachelorabschluss in die Schule zu entlassen. Solche Pläne konterkarierten die Bemühungen der KMK zur Steigerung der Qualität im deutschen Bildungssystem. Der VBE fordere für alle Lehrämter den Masterabschluss. Der Ort der Lehrerbildung müsse die Universität bleiben. Billiglehrer oder eine Unterscheidung in höhere oder niedere Lehrer seien keine Antwort auf PISA. Gleichzeitig forderte Eckinger im Rahmen der Spitzenforschung an deutschen Universitäten Exzellenzzentren für die erziehungswissenschaftliche Forschung und Lehre. Lehrerbildung dürfe nicht länger fünftes Rad am Wagen sein.
Eckinger machte klar: Wir müssen in Zukunft viel gezielter für ein Lehramtsstudium werben. Wir brauchen die am besten geeigneten jungen Menschen im Lehrerberuf. Lehrerinnen und Lehrer müssen Experten für Unterricht und Erziehung sein. Lehrerinnen und Lehrer seien viel zu lange zu Regulatoren kybernetischer Lernprozesse degradiert worden. Lehrerinnen und Lehrer seien pädagogische Marathonläufer. Sie könnten aber nur ans Ziel kommen, wenn sie sich als Menschen einbrächten, die die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen forderten und förderten.
Eckinger, Behrend und Arlt machten übereinstimmend deutlich, dass die Anwerbung von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern ebenso wie ihre weitere Berufspraxis ganz entscheidend von guten Rahmenbedingungen abhänge. Dazu gehöre auch eine der Bedeutung des Berufs angemessene Besoldung und Versorgung. Die Entscheidung für den Lehrerberuf müsse durch Beratung, Eignungstests und eingehende Selbstüberprüfung fundiert werden.
Der Weltlehrertag wird in diesem Jahr am 5. Oktober zum zehnten Mal begangen und geht auf einen Beschluss von UNESCO, ILO und Education International (EI) zurück. Der VBE, eine der Gründungsorganisationen der EI, wirbt in der politischen Öffentlichkeit, auf seinen Veranstaltungen und in Schulen für das Anliegen des Weltlehrertags 2004: Qualifizierte Lehrkräfte für den Beruf gewinnen und im Beruf halten.
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