Pressemitteilung | Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

Die Zeit des Zögerns ist vorbei" / MedInform-Konferenz zum elektronischen Gesundheitsmarkt

(Köln) - Elektronische Anwendungen müssen stärker genutzt werden, um die Versorgung der Patienten zu verbessern. Dazu gehören telemedizinische Anwendungen, vernetzte Versorgungssysteme, aber auch elektronische Abrechnungsprozesse, um Prozesskosten zu senken. Das verdeutlichten die Experten und die Fallbeispiele der MedInform-Konferenz "Der eGesundheitsmarkt" am 9. Dezember 2014 in Köln. MedInform ist der Informations- und Seminar-Service des BVMed. Dr. Jürgen Faltin vom rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium sagte, man dürfe sich nicht von den Problemen mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) entmutigen lassen. "Der elektronische Gesundheitsmarkt mit seinen versorgungsrelevanten Angeboten wird kommen - mit oder ohne eine eGK", so Faltin. Im Mittelpunkt müsse die verbesserte Versorgung der Patienten stehen, und nicht ein Ausgleich von unterschiedlichen Interessen der Player im Gesundheitsmarkt. Einen Schub erwartet sich Faltin dabei von dem angekündigten eHealth-Gesetz. "Die Zeit des Zögerns ist vorbei", war die optimistische Botschaft von Prof. Dr. Arno Elmer von der gematik. Die Telematik-Infrastruktur als großes Vernetzungsprojekt stehe. Die Erprobung beginnt 2015 in den Testregionen Nordwest und Südost. In dem bundesweiten Netz sind alle zurzeit
131 gesetzlichen Krankenkassen eingebunden. Elmer: "Die Autobahn steht. Die Karten sind draußen. Jetzt müssen schnell die Anwendungen kommen." Die MedInform-Konferenz stellte neben Projekten wie dem eWundbericht auch Dienstleistungen zum Outsourcing der Abrechnungsprozesse für Hilfsmittel-Leistungserbringer vor.

Prof. Dr. Arno Elmer, Hauptgeschäftsführer der Gesellschaft für Telematik-Anwendungen der Gesundheitskarte (gematik), stellte den aktuellen Stand beim Aufbau der Telematik-Infrastruktur und der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) vor. Derzeit arbeiten bei der gematik 260 IT-Experten, Anwendungsspezialisten und Projektleiter an dem Projekt. Seine Botschaft: "Die Zeit des Zögerns ist vorbei. In einem Jahr beginnt die Erprobung der Telematik-Infrastruktur in den Regionen Nordwest und Südost." Bei der Telematik-Infrastruktur handele es sich um ein reines Vernetzungsprojekt, so Elmer. "Wir schaffen eine sichere, performante und stetig verfügbare Telematik-Infrastruktur mit definierten Standards, um eine flächendeckende Verfügbarkeit für alle Patienten langfristig und nachhaltig zu garantieren."
Die Gesundheitskarte selbst sei kein Speichermedium, sondern enthalte das Verschlüsselungsprinzip. Elmer: "Die Daten bleiben dort gespeichert, wo sie auch heute schon sind. Wir vernetzen nur die Systeme und machen die Daten beim Transfer sicher. Denn: Personenbezogene Daten haben Anspruch auf das höchste Sicherheitsniveau." Dagegen seien Faxe, unverschlüsselte eMails und WhatsApp-Nachrichten, die heute im Gesundheitssystem verwendet werden, "wie eine Postkarte, die jeder lesen kann", so der gematik-Chef. Wichtig seien die ausschließliche Nutzung von festgelegten Standards und die Sicherstellung der Interoperabilität. Die Zugriffe auf die Infrastruktur erfolgen über abgesicherte sowie durch die gematik und das BSI zertifizierte Produkte wie Konnektoren, Karten und Kartenterminals. Zugriffe auf Daten dürfen nur durch Personen erfolgen, die für die Art des Zugriffs zugelassen sind. Die Identifikation erfolgt über den Heilberufeausweis (HBA). Zugriffe dürfen dabei nur nach Autorisierung durch den Versicherten beispielsweise mit der eGK erfolgen. "Die individuelle Verschlüsselung der Daten wird erst auf den Systemen des jeweiligen Leistungserbringers entfernt", erläutert Elmer die Sicherheitsstruktur.

Dr. Jürgen Faltin vom rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium betonte die Bedeutung sektorenübergreifender elektronischer Vernetzung, um die Versorgung beispielsweise durch telemedizinische Projekte gerade in ländlichen Gebieten zu verbessern. Bei der gesetzlichen Verankerung der Telematik-Infrastruktur vor mehr als 10 Jahren lag die Motivation "vornehmend auf medizinischen Anwendungen". Aufgrund der unterschiedlichen Interessen von Krankenkassen und Leistungserbringern sei es aber zu extremen Verzögerungen gegenüber dem gesetzlich verankerten Zeitplan gekommen. Dies liege unter anderem an den fundamentalen Vorbehalten gegenüber der Gesundheitskarte insbesondere durch die Ärzteschaft. Lesegeräte und die eGK seien in Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Krankenhäusern inzwischen erfolgreich ausgerollt. Es fehlten aber nach wie vor die medizinischen Anwendungen. Deshalb müsse der Gesetzgeber nun mehr Verantwortung übernehmen und sich stärker einbringen. Dies geschehe mit dem angekündigten eHealth-Gesetz. Faltins Botschaft: "Der Fokus muss wieder stärker auf die medizinischen Anwendungen gelegt werden." Ein besonders großes Potenzial für elektronische Vernetzung gebe es im Pflegebereich. Hier sei es wichtig, die Möglichkeiten der eGK und des elektronischen Heilberufeausweises
(eHBA) auch für die Leistungserbringer nichtapprobierter Gesundheitsberufe gleichberechtigt nutzbar zu machen, so Faltin.

Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Umsetzung elektronischer Prozesse und die Gewährleistung des Datenschutzes beleuchtete die Fachanwältin Anne Britta Haas von Clifford Chance. Elektronische Lösungen im Gesundheitsbereich werfen rechtliche Probleme auf, da eine Vielzahl von Rechtsgebieten betroffen ist. Dazu gehören unter anderem das Bundesdatenschutzgesetz, das Telekommunikationsgesetz
(TKG) und das Telemediengesetz (TMG). Elektronische Lösungen im Gesundheitswesen stellen besonders hohe Anforderungen an den Datenschutz, "da es um hochsensible Daten von Ärzten und Patienten geht", so die Rechtsexpertin.
"Für die Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten ist daher in der Regel eine Einwilligung erforderlich. Die Einwilligung ist der Königsweg!"
Personenbezogene Daten ohne Einwilligung dürfen grundsätzlich nur erhoben werden, wenn dies zur Erbringung des Dienstes zwingend erforderlich ist. Auch bei Nutzerdaten, die in einem eHealth- oder mHealth-Service, einer App oder einem Portal eingegeben und verarbeitet werden, ist in der Regel eine Einwilligung erforderlich, so Haas. Je nach anwendbarem Gesetz gelten für die Einwilligung besondere Anforderungen. Die Einwilligungserklärung müsse eindeutig und für einen "normalen" Anwender verständlich sein. Auf europäischer Ebene werde der Datenschutz durch die derzeit verhandelte EU-Datenschutz-Grundverordnung auf Basis der schärfsten Regelungen angeglichen.
Deutschland habe dabei bereits sehr strenge Vorgaben an den Datenschutz. Durch die EU-Verordnung werden die Bußgelder für Verstöße gegen Datenschutz-Regelungen künftig deutlich höher werden.

Robert Mützner von der Fachhochschule Dortmund stellte das Projekt "eBusiness-Plattform Gesundheitswesen" (eBPG) vor. Das Forschungsprojekt, das von 2010 bis 2014 lief, befasste sich mit der datenschutzkonformen Interoperabilität von IT-Anwendungen sowie der geschäftsprozessorientierten Zusammenarbeit im Gesundheitswesen. In Anwendungsbeispielen ging es um die automatisierte Einbindung von Forschungserkenntnissen, Leitlinien und Routinedaten für Versorgungsprozesse - basierend auf der Idee des "lernenden Gesundheitssystems". Mützner verdeutlichte das System am Beispiel eines klinischen Pfades zur Früherkennung des Prostatakarzinoms. Für künftige Projekte sei es wichtig, Daten aus der Versorgung für die Weiterentwicklung von Standards und Indikatoren zu nutzen.

Standardisierte elektronische Kommunikation und Dokumentation am Beispiel des "eWundberichts" für den Bereich der Wundversorgung präsentierte Daniel Flemming von der Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen der Hochschule Osnabrück. Im Rahmen des Projekts wurde eine einheitliche Struktur für einen elektronischen Wundbericht in standardisierter Form entwickelt. Grundlage waren
32 verschiedene Leitlinien sowie 36 nationale Wundberichte oder Dokumentationsbögen, aus denen Module für den Wundbericht in Absprache mit den Praktikern erstellt wurden. Ziel ist es, einen Standard zu etablieren, um die Informationskontinuität in der Wundversorgung sicherzustellen. Die Module der Wunddokumentation können dann um die Bereiche Pflegebericht, Schmerzmanagement, MRSA-Dokumentation, Ernährung oder Arztbrief ergänzt werden. Diese Module könnten die Grundlage eines "Wundtelemonitorings" sein, um Patienten, Ärzten, Pflegekräften und Homecare-Unternehmen einen echten Mehrwert zu bieten.
Qualitätssicherung kann durch eLearning-Module und Wissensmanagement-Systeme betrieben werden.

Elektronische Branchenlösungen für optimierte Prozesse und Effizienzsteigerung im System standen im Mittelpunkt der Berichte von Dienstleistern.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) Pressestelle Reinhardtstr. 29b, 10117 Berlin Telefon: (030) 246255-0, Fax: (030) 246255-99

(sy)

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