Die Zukunftsfähigkeit des Landes sichern, gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen / Erwartungen des DGB an die Reform der bundesstaatlichen Ordnung
(Berlin) - Der DGB-Bundesvorstand hat in seiner Sitzung am 30. November in Berlin folgende Resolution zur Föderalismus-Reform verabschiedet: "Der DGB unterstützt eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung mit dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Menschen in Ost und West zu schaffen. Wir wollen die Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes fortschreiben. Darin ist nicht nur das Sozialstaatsprinzip festgelegt, sondern ist auch das Ziel formuliert, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.
Bei der jetzt im Rahmen einer Reform anstehenden Entflechtung staatlicher Aufgaben geht es nicht um die Frage "mehr oder weniger Staat", sondern vielmehr darum, den Bürgerinnen und Bürgern ein gutes staatliches Angebot in den wichtigsten gesellschaftspolitischen Zukunftsfeldern zu machen. Dazu gehören immer mehr die Aufgaben im Bereich der Bildungs- und Familienpolitik.
Ausgerechnet in beiden Bereichen rangiert die Bundesrepublik in internationalen Vergleichen auf einem Abstiegsplatz. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen spricht sich der DGB nachdrücklich gegen mehr Kleinstaaterei bei diesen wichtigen Zukunftsthemen aus.
Wir lehnen Bestrebungen ab, die statt Kooperation und Einheit in Vielfalt dem Separatismus und einem Unterbietungswettbewerb um die niedrigsten sozialen Standards Vorschub leisten.
Nationale Bildungs-Standards sichern die Zukunftsfähigkeit Unser Land braucht einen neuen gemeinsamen Aufbruch in der Bildungspolitik. Wir brauchen mehr nationale Standards statt mehr bildungspolitische Kleinstaaterei.
Die komplexe Struktur macht eine enge Verzahnung von Zuständigkeiten, Ebenen und Akteuren und bessere überregionale Koordinierung bildungspolitischer Aktivitäten notwendig.
Zur Wahrung von Chancengleichheit ist es unerlässlich, dass gewisse Standards im gesamten Bundesgebiet einheitlich und verlässlich geregelt sind. Auch die fortschreitende europäische Harmonisierung, insbesondere durch den Bologna-Prozess, macht eine bundesweit koordinierte Hochschulpolitik erforderlich. Es wäre widersinnig, einer Harmonisierung im europäischen Kontext mit einer Zersplitterung auf nationaler Ebene zu begegnen. Bildungspolitik braucht auch in Zukunft eine gemeinsame bundeseinheitliche Grundstruktur und muss eine einheitliche Strategie verfolgen. Deshalb ist eine Bildungsgesamtplanung, wie sie im GG festgeschrieben ist, auch weiterhin erforderlich.
Die PISA-Studie hat gezeigt, dass der von den Kultusministern gerne zitierte föderale Wettbewerb der qualitativen Weiterentwicklung des Bildungssystems nicht nutzt. Wer meint, in Zukunft könnte die Bildungspolitik in Deutschland ohne jede bundeseinheitliche Koordinierung in 16 unterschiedlichen Versionen geregelt werden, schätzt die Lage falsch ein. Zahlreiche Umfragen belegen, das 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung der Bundesebene in der Bildungspolitik mehr Zuständigkeiten übertragen wollen.
Unter Federführung von Baden-Württemberg und Berlin wird von Länderseite gefordert, auch die Kompetenz für die betriebliche Ausbildung auf die Länder zu übertragen. Derzeit gibt es bundesweit rund 350 Ausbildungsberufe, die einheitlich geregelt sind. Der Vorschlag der Länder würde dazu führen, dass die Bundesländer dann seine eigene Ausbildungsordnungen erlassen und nur mit einem hohen bürokratischen Aufwand Einheitlichkeit hergestellt werden könnte. Nicht allein der DGB, sondern fast alle Berufsausbildungsexperten warnen vor diesem Weg in die Kleinstaaterei.
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist und bleibt Aufgabe des Bundes Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist eine zentrale Aufgabe des Bundes. Deswegen muss er die Steuerung der Arbeitsmarktpolitik in der Hand behalten. Über die Arbeitsmarktpolitik wird auch ein wichtiger Ausgleich zwischen den starken und schwachen Regionen organisiert, der nicht gefährdet werden darf.
Die Aufgabe bundeseinheitlicher Standards in der Arbeitsmarkt- und Sozialgesetzgebung würde den Sozialabbau zu Lasten der Arbeitslosen und Unterstützungsbedürftigen weiter verschärfen. Der Übergang von Kompetenzen auf die Länder würde zu einer uneinheitlichen Rechtsanwendung führen. Vor allem die Leistungen bei Arbeitslosigkeit müssen bundesweit einheitlich sein, weil sonst eine "Konkurrenz" nach unten einsetzt.
Jugendarbeit benötigt eine länderübergreifende Stimme Wir wenden uns auch gegen die geplante Abschaffung der bisherigen Vertretungsmöglichkeiten für Jugendliche und Jugendverbände auf Bundesebene. Die Verschiebung dieser wichtigen Kompetenzen auf die Länder- bzw. sogar auf die Kommunalebene würde eine noch stärkere Abhängigkeit der Jugendarbeit von der Finanzausstattung der Länder und Kommunen zur Folge haben. Die bisher auf Bundesebene durchgeführte infrastrukturelle Arbeit (Bildungsarbeit, Materialienerstellung, Unterstützung der Landesebenen) wäre damit im bisherigen Umfang nicht mehr leistbar.
Das Arbeitsrecht bleibt in der Kompetenz des Bundes Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen das Arbeitsrecht und die regionale Arbeitsvermittlung in den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen. Hieran sollte unter allen Umständen festgehalten werden, denn ein Verbleib in der konkurrierenden Gesetzgebung mit einer Möglichkeit der Länder doch eigenständig zu regeln (Art.72 Abs. 2 GG ist noch nicht neu gefasst und ist sehr strittig), wird den Interessen einer einheitlichen und gleichwertigen Behandlung der Beschäftigten und Arbeitslosen nicht gerecht. Die Länder könnten selbst regeln oder ggf. von bundesrechtlichen Regelungen abweichen. Wenn auf der einen Seite mehr Mobilität verlangt wird, müssen auch die Rechte der Beschäftigten und der Arbeitssuchenden auf Unterstützung durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik beim Bund verbleiben können. Dem Drängen der Länder darf hier nicht nachgegeben werden.
Einheitliche Ladenschlusszeiten sichern Arbeitsplätze Die Kompetenzübertragung für die Ladenöffnungszeiten an die Länder führt zu einem schädlichen Wettbewerb um Öffnungszeiten, der für die Beschäftigten des Einzelhandels und die wirtschaftliche Lage der gesamten Branche verheerend wäre. Negative Wirkungen ergeben sich dadurch auch für die Tarifverträge und die Betriebsratsarbeit.
Die Trennung der Kompetenzen im Dienst- und Versorgungsrecht wird abgelehnt Der DGB lehnt das vorgeschlagene eingeschränkte Trennmodell grundsätzlich ab. Soweit die Länder darauf beharren, deutlich mehr dienstrechtliche Kompetenzen zu erhalten, fordert der DGB, dass das Versorgungsrecht entsprechend dem Rentenrecht bundeseinheitlich geregelt bleibt und zumindest Grundzüge des Besoldungsrechts zentral mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden.
Die fünf Fachgerichtsbarkeiten bleiben erhalten Der DGB spricht sich gegen eine Aufweichung der grundgesetzlichen Verankerung der fünf Fachgerichtsbarkeiten - auch in den Ländern - im Zuge oder in Folge der Grundgesetzänderungen durch die Beschlüsse der Föderalismuskommission aus. Für diesen Bereich ist es deshalb auch problematisch, wenn zum einen neue Zustimmungsrechte für Bundesgesetze mit erheblichen Kostenfolgen den Ländern eingeräumt werden.
Die Gerichtsorganisation ist Sache des Bundes Den Vorschlag, dass nach den Vorstellungen der Bundesregierung Teile der Gerichtsorganisation ( Einsatz der ehrenamtlichen Richter) in die Regelungskompetenz der Länder fallen soll, lehnen wir ab. Die ehrenamtlichen Richter sind ein unverzichtbarer Teil des Spruchkörpers und damit des Gerichtes, dies gilt insbesondere in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit.
Die Bundesrepublik muss "europatauglicher" werden Die Europatauglichkeit der Bundesrepublik Deutschland muss wegen der zunehmenden Bedeutung der Europäischen Union als Regulationsebene deutlich verbessert werden. Eine erfolgreiche Vertretung deutscher Interessen im europäischen Gesetzgebungsprozess ist auch im Interesse der Bundesländer. Um vor dem Hintergrund zunehmender Mehrheitsentscheidungen bei 25 und mehr Mitgliedstaaten handlungsfähiger zu werden, müssen die Handlungsspielräume der Bundesregierung im laufenden europäischen Gesetzgebungsprozess erhöht werden, auch wenn es um Gesetzesvorhaben geht, bei denen Interessen oder Gesetzgebungsbefugnisse der Länder berührt sind."
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
Telefon: 030/24060-0, Telefax: 030/24060324
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