Pressemitteilung | VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz

EFSA: Nerzfarmen sind hochgradig anfällig für eine COVID-19-Infektion

(Hamburg) - An der Schwelle zur Nerz-Zuchtsaison, die Ende dieses Monats wieder beginnt, hat die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einen Bericht veröffentlicht, der feststellt, dass alle Nerzfarmen als hochgradig anfällig für einen Ausbruch von COVID-19 angesehen werden müssen und streng überwacht werden sollten. Nach der Veröffentlichung dieses Berichts haben die Tierschutzgruppen VIER PFOTEN, Humane Society International/Europe, Eurogroup for Animals und Fur Free Alliance - und ihre Mitgliedsorganisationen - einen dringenden Aufruf an die Europäische Kommission gerichtet, die Mitgliedsstaaten anzuweisen, die Nerzproduktion sofort auszusetzen.

Dieser Aufruf deckt sich inhaltlich mit einer kürzlich veröffentlichten wissenschaftlichen Stellungnahme zu den Risiken für die öffentliche Gesundheit im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 und der intensiven Nerzzucht.

"Die einzige Möglichkeit, die Sicherheit der EU-Bürger zu gewährleisten, ist die sofortige Aussetzung der Nerzproduktion in den Mitgliedstaaten, in denen diese grausame Praxis noch legal ist, bevor die Zuchtsaison beginnt", sagt Joh Vinding, Vorsitzender der Fur Free Alliance. "Wenn dies nicht geschieht, wird sich die aktuelle Nerzpopulation bis Mai verfünffachen. Obwohl im Moment nur die Zuchttiere vorhanden sind, gab es bereits COVID-19 Ausbrüche auf Nerzfarmen in Spanien und Polen. Wenn die Nerzpopulation weiterwächst und alle Käfige auf den Pelzfarmen voll sind, wird wahrscheinlich auch das Risiko einer Krankheitsübertragung steigen. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass sich das SARS-CoV-2-Virus unabhängig von allen Überwachungs- und Biosicherheitsprotokollen unkontrolliert in Nerzpopulationen ausbreiten kann. In dieser Zeit der globalen Gesundheitskrise müssen solche Risiken vollständig beseitigt werden."

Der EFSA-Bericht stellt fest, dass sich das SARS-CoV-2-Virus in Regionen mit einer hohen Dichte an Pelzfarmen wahrscheinlich von einer Nerzfarm zur nächsten ausbreiten wird. Die EFSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, nicht nur passive, sondern auch aktive Überwachungssysteme einzuführen. Sie rät, dass die Maßnahmen wie häufige Tests aller Personen, die mit Nerzen in Kontakt kommen, die Untersuchung von Proben toter oder kranker Tiere, Tests von wild lebenden Musteliden, die in der Nähe von Pelzfarmen gefangen wurden, sowie genetische Sequenzanalysen zur Rückverfolgung der Ursprünge von Ausbrüchen und zur Identifizierung möglicher Virusmutationen umfassen sollten.

"Die Umsetzung solcher Maßnahmen ist extrem kostspielig und wird größtenteils aus Steuergeldern finanziert, obwohl die Mehrheit der EU-Bürger die Praxis der Pelztierzucht ablehnt", sagt Pierre Sultana, Direktor des VIER PFOTEN European Policy Office. "Wir wissen zum Beispiel, dass die italienischen Behörden allein für eine einzige Farm zwischen August und November 2020 insgesamt 50.000 Euro für die Umsetzung von Biosicherheitsmaßnahmen ausgegeben haben. Unabhängig von den Ausgaben ist eines klar: Biosicherheits- und Überwachungsmaßnahmen haben ihre Grenzen und sind nicht so effektiv wie ursprünglich angenommen. Sie können zwar helfen, Ausbrüche frühzeitig zu erkennen, aber eine Infektion der Nerze nicht vollständig verhindern. Deshalb fordern wir als Tierschutz-NGOs gemeinsam, die gesamte Nerzproduktion in der EU sofort auszusetzen."

"Die Notwendigkeit, die Nerzproduktion zu stoppen, ist nach der jüngsten Entdeckung der sogenannten 'Cluster 5'-Mutation von SARS-CoV-2 bei deutschen Patienten noch dringlicher geworden", sagt Dr. Joanna Swabe, Senior Director of Public Affairs von
Humane Society International/Europe. "Diese gefährliche Mutation des Virus, die ihren Ursprung in dänischen Nerzen hat, galt nach der Massenkeulung der gesamten dänischen Nerzpopulation im vergangenen Jahr als ausgerottet. Die jüngsten Fälle deuten jedoch darauf hin, dass es den Behörden nicht ganz gelungen ist, diese gefährliche Virusmutation auszurotten, die möglicherweise die Wirksamkeit von COVID-19-Impfstoffen beim Menschen untergraben könnte. Wir beglückwünschen Schweden dafür, dass es bereits Maßnahmen ergriffen hat, um die Nerzzucht im Jahr 2021 zu verbieten. Berichten zufolge haben auch belgische Pelzfarmer freiwillig die Entscheidung getroffen, die Zucht aufgrund der mit COVID-19 verbundenen Risiken auszusetzen. Es ist wichtig, dass die verbleibenden Mitgliedsstaaten, die die Pelzproduktion noch erlauben, ihrem Beispiel folgen."

"Die Forderung, die Nerzproduktion auszusetzen, wird durch eine von zahlreichen Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Virologie, Infektiologie, klinische Mikrobiologie, Veterinärmedizin und Umweltgesundheit unterzeichneten Erklärung unterstützt, die die ernste Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch die Pelztierzucht bestätigt", sagt Reineke Hameleers, Geschäftsführerin der Eurogroup for Animals. Sie fordert die sofortige Aussetzung der Nerzfarmen als angemessene, vorsorgliche und verhältnismäßige Maßnahme, auf der Basis des Schutzes der öffentlichen Gesundheit. Die Expert*innen, die hinter dieser Erklärung stehen sowie die EFSA weisen darauf hin, dass es aufgrund der beengten Lebensbedingungen der Tiere in Pelzfarmen fast unmöglich ist, die Übertragung zu stoppen, wenn das Virus einmal eingeschleppt wurde. Die hohe Anzahl der auf engstem Raum lebenden Individuen bietet zudem ideale Bedingungen für das Auftreten von Virusmutationen, wie in Dänemark beobachtet wurde. Neue Varianten sprechen möglicherweise nicht auf die derzeit verfügbaren Impfstoffe an und könnten zu erheblichen Rückschlägen bei den europäischen Bemühungen zur Bekämpfung des Virus führen."

Ungeachtet der grundlegenden Position unseres Bündnisses, dass die Pelztierzucht aufgrund inakzeptabler Tierschutzmissstände und zukünftiger potenzieller Risiken für die öffentliche Gesundheit in der gesamten EU dauerhaft verboten werden sollte, fordern wir die Europäische Kommission auf, in der Zwischenzeit sofort zu handeln und den Betrieb von Nerzfarmen, die Zucht von Nerzen sowie den Import und Export von lebenden Nerzen und ihren Rohfellen in der gesamten Europäischen Union auszusetzen.

"In Deutschland haben wir zwar keine Pelzfarmen mehr, aber auch hier wurde bereits die dänische Nerz-Mutation nachgewiesen", ergänzt Sven Wirth, Kampagnenverantwortlicher für Wildtiere bei VIER PFOTEN. Er fügt hinzu: "Zudem gab es erst kürzlich in Polen einen Corona-Ausbruch auf einer Nerzfarm. Auch hierzulande stellen die verbleibenden Pelzfarmen in Europa folglich eine ernstzunehmende Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, denn Viren halten sich nicht an Grenzen. Die Bundesregierung muss diese Gefahr ernstnehmen und auf eine EU-weite Aussetzung der Pelztierzucht hinwirken. Merkel, Spahn und Klöckner müssen jetzt beweisen, dass sie das Vorsorgeprinzip wirklich ernst nehmen. Zum Wohle von Mensch und Tier."

Quelle und Kontaktadresse:
VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz Susanne von Pölnitz, Pressesprecherin Schomburgstr. 120, 22767 Hamburg Telefon: (040) 399249-0, Fax: (040) 399249-99

(sf)

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