Pressemitteilung | Bioland e.V. - Bundesverband

Ein Prüfzeichen für alle Ökoprodukte in Deutschland

(Darmstadt/Mainz) - Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich die Möglichkeit, eine politische Neuorientierung hin zu ökologisch erzeugten Lebensmitteln zu gestalten. Die Bundesregierung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesministerin Renate Künast haben sich eindeutig für eine verbraucherorientierte, umwelt- und tiergerechte landwirtschaftliche Produktion ausgesprochen. Dem Ökologischen Landbau kommt hier eine besondere Verantwortung im Interesse von Natur und Gesellschaft zu.

Die Bioanbauverbände Demeter und Bioland wollen mit ihrer Initiative für ein erfolgreiches Prüfzeichen für alle Ökoprodukte das gesellschaftliche Anliegen der Agrarwende mitgestalten. Ökolandbau findet in der Bevölkerung bereits heute eine große Akzeptanz. Dem Ökolandbau muss jedoch auch am Markt auf breiter Ebene zum Durchbruch verholfen werden. Um diesen Durchbruch erfolgreich gestalten zu können, bedarf es eines abgestimmten Aktionsprogrammes Ökolandbau. Eine zentrale Rolle wird hierin die Kennzeichnung von Ökoprodukten für VerbraucherInnen einnehmen.

Das hier vorgetragene Konzept bezieht sich in seinen Aussagen auf die Gestaltung eines Prüfzeichens für Ökoprodukte. Es soll zum einen die bereits heute wirtschaftenden Ökobetriebe durch eine klare Marktausweitung stärken und weiteren heute konventionell wirtschaftenden Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit eröffnen, auf ökologischen Landbau umzustellen.

In der hier vorliegenden Stellungnahme gehen Bioland und Demeter von vier Thesen aus. Diese Thesen bauen auf einer Diskussion des Aktionsbündnisses Ökolandbau auf, die am 22. März 2001 mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen geführt worden ist.


Klarheit für alle VerbraucherInnen

Damit heute ein Prüfzeichen für Ökoprodukte am deutschen Lebensmittelmarkt etabliert werden kann, müssen bei der Gestaltung dieses Zeichens wesentliche Grundvoraussetzungen erfüllt werden:

These 1:
Das Zeichen muss für die VerbraucherInnnen einen echten Nutzen bieten, indem sie an diesem Prüfzeichen unterscheiden können, ob es sich um ein Ökoprodukt oder um ein konventionell erzeugtes Produkt handelt.

These 2:
Das Zeichen muss so konzipiert sein, dass es sowohl vom traditionellen Lebensmitteleinzelhandel als auch vom Naturkostfachhandel akzeptiert und angewendet werden kann und unternehmerische Initiative fördert und nicht einschränkt.

These 3:
Die Zeichenkonzeption muss dazu beitragen, dass sich das Zeichen ohne großen Kostenaufwand selbst bekannt macht – durch eine breite Anwendung.

These 4:
Das Zeichen muss möglichst schnell etabliert werden können und hohe Transparenz bieten.


Zu These 1.: .... ein Prüfzeichen für alle Ökoprodukte .....

Das Zeichen muss klar zwischen Öko-Produkten und ‚Nicht-Ökoprodukten‘ unterscheiden. Das heißt, dass mit dem Zeichen prinzipiell alle Ökoprodukte ausgezeichnet werden müssen, die in Deutschland als Ökoprodukte gehandelt werden können. Nur so ist Klarheit für VerbraucherInnen zu schaffen.
Stimmt man dieser Grundannahme zu, so hat dies unmittelbare Konsequenzen auf die Richtlinien, die diesem Prüfzeichen zu Grunde gelegt werden. Dies kann nur die EU-Verordnung 2092/91 sein, da alle Produkte, die im Sinne der Verordnung erzeugt wurden, als Ökoprodukte in Deutschland gehandelt werden.
Basiert das Prüfzeichen auf einem darüber hinausgehenden Standard, schließt dies die Kennzeichnung vieler Ökoprodukte aus. Das Zeichen würde versuchen, den Unterschied zwischen „guten Öko und weniger gutem Öko“ zu kommunizieren. Das Zeichen kann sich so nicht von alleine durchsetzen, da es insbesondere in Konkurrenz zu Eigenmarken tritt und die Gestaltung eines umfangreichen Gesamtsortimentes im Handel erschwert. Es würde hoher Kostenanstrengungen bedürfen, um das Zeichen am Markt so bekannt zu machen, dass die Zeichennutzung aus Marktgründen in Deutschland für alle Wirtschaftsbeteiligten unumgänglich wäre.

Die Kernaussage des Prüfzeichen muss sein: „Dies ist ein Ökoprodukt“. Was sich mit dem Begriff „Öko“ im Sinne der EU-Verordnung verbindet, stellt in einigen Punkten eine echte Herausforderung für Erzeuger in Deutschland dar. In einigen Punkten bedarf die Verordnung u.E. der Nachbesserung. Dies muss in den kommenden zwei bis drei Jahren intensiv auf europäischer Ebene in Angriff genommen und umgesetzt werden.


Zu den Thesen 2 und 3:
... akzeptiert von allen Wirtschaftsbeteiligten .. bei minimalem Kostenaufwand

Das bisherige Konzept eines ÖPZ ist weder vom traditionellen Lebensmitteleinzelhandel noch vom Naturkostfachhandel akzeptiert worden. Zwei Fachgutachten zum ÖPZ haben vor allem drei Haupthemmnisse benannt, die einen Erfolg des ÖPZ ausgeschlossen haben:


1. Zu hohe Kosten für Zeichennutzer
2. Zu komplizierter Vergabemodus
3. Zu hoher Richtlinienstandard

Die Hemmnisse können ausgeschlossen werden, indem das neue Ökoprüfzeichen automatisch für alle Produkte verwendet werden darf, die in Deutschland als Ökoprodukte gehandelt werden/sprich geprüft sind.

Damit wären folgende Vorteile verbunden:

1. Es fallen keine zusätzlichen Kosten an

2. Es entsteht kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand (keine Verträge, keine zusätzliche Zertifizierung, keine Verfügbarkeitsprüfung von Ware etc.).

3. Sowohl Ökowaren aus Deutschland als auch aus EU-Staaten und Drittlandstaaten können ohne Probleme gekennzeichnet werden.

4. Als Basiszeichen für Ökoprodukte kann auf dessen Grundlage unternehmerische Initiative über die Ausgestaltung von Eigenmarken erfolgen, die zielgruppen-, verkaufsstätten- und produktspezifische Marketingkonzepte zulassen.

5. Durch eine unkomplizierte Verbreitung steigt die Bekanntheit rasch an. Verbraucher erkennen an dem Zeichen ob „Öko oder nicht“. Damit können vor allem Gelegenheitskäufer angesprochen und Märkte ausgeweitet werden. Dies hat Vorteile für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel.

Mit dem Konzept ist jedoch der Nachteil verbunden, dass an die Nutzung des Prüfzeichens keine Förderung geknüpft sein kann. Förderung bedeutet, bestimmte Produkte zu unterstützen und andere nicht. Hier liegt jedoch ein Grundproblem. Sollen alle Ökoprodukte gekennzeichnet werden, so können keine Ökoprodukte ausgeschlossen werden. Werden Ökoprodukte aus fördertechnischen Gründen ausgegrenzt, so kann das Prüfzeichen nicht eindeutig zur Kennzeichnung aller Ökoprodukte dienen.


Förderung deutscher Ökoprodukte

Die Förderung von Ökoprodukten deutscher Erzeugerbetriebe sollte nicht an die Vergabe eines Prüfzeichens geknüpft sein. Vielmehr können – unter Verwendung eines Basis-Prüfzeichens – gezielt Marketingmaßnahmen entwickelt werden. Hier haben sich in der Vergangenheit insbesondere zentral-regionale Marketingmaßnahmen der CMA bewährt. Auch in Zukunft wäre hier eine besondere Rolle der CMA zu sehen. Da ein Großteil der in Deutschland erzeugten Ökoprodukte höheren Qualitätsmaßstäben als den in der EU-VO 2092/91 festgelegten genügt, bieten sich hier Möglichkeiten, besondere Zusatznutzen für VerbraucherInnen zu bewerben. Selbstverständlich muss auch hier das Basis-Prüfzeichen mit kommuniziert werden, um das VerbraucherInnnenvertrauen grundsätzlich zu stärken.


Zu These 4.: .... möglichst sofort und möglichst transparent

Wenn jedes in Deutschland handelbare Ökoprodukt mit dem Basis-Prüfzeichen versehen werden kann, können Hersteller und Handel nach einer Prüfung des Produktes durch eine Ökokontrollstelle ohne jeden weiteren Verwaltungsaufwand sofort das Zeichen verwenden und in ihre Marketingkonzepte einbeziehen – kostenlos.

Im Sinne eines Stufenkonzeptes gilt es, in „Stufe 1“ ein Prüfzeichenkonzept vorzulegen, das von allen Wirtschaftsbeteiligten akzeptiert wird. In „Stufe 2“ ist an der Anhebung des Ökostandards der EU-VO 2092/91 auf europäischer Ebene zu arbeiten.

Im Gegensatz zu einer „emotional aufgeladenen Marke“ muss ein Prüfsiegel rein sachlich auftreten und nach klaren Kriterien Produkte kennzeichnen.(Beispiel: Ein Wollsiegel in einem Pullover der Marke Hugo Boss). Als Grundlage kann der europaweit gültige Standard fürÖkoprodukte kommuniziert werden. Darüber hinaus hat die Politik die Möglichkeit, klarzustellen, dass a) an der Erhöhung des Standards gearbeitet wird und b) im Rahmen eines Aktionsprogramms Ökolandbau zur Ausweitung des Ökolandbaus in Deutschland beigetragen wird und vor allem, dass nun ein einheitliches Prüfsiegel für alle Ökoprodukte in Deutschland existiert.

Schlussbemerkung:

Vor dem Hintergrund o.g. Ausführungen sprechen Bioland und Demeter

- für weniger staatliche Finanzierung des Zeichens und für ein Zeichen, das die Kraft hat, den Markt selbst zu durchdringen

- für ein Zeichen, das einfach zu administrieren ist

- für eine klare Förderung des Absatzes deutscher Ökoprodukte durch mehr zentral-regionale Marketingprojekte mit klarer Kommunikation der Vorzüge und Vorteile von ökologisch erzeugten Lebensmitteln

- für einen offenen europäischen Markt und gegen Protektionismus


Bioland und Demeter wenden sich gegen

- komplizierte Vergabe- und Zertifizierungsstrukturen mit hohem administrativen Aufwand

- Konzepte, die einen hohen finanziellen Aufwand benötigen, um erfolgreich wirken zu können

- Einen Zeichenstandard, der nicht alle Ökoprodukte umfasst, die VerbraucherInnnen in Deutschland angeboten werden

- Nischenkonzepte, die dem Ökolandbau die Chance nehmen, tatsächlich eine relevante Bedeutung in Deutschland zu erlangen


Gemeinsame Pressemiteilung der Verbände Bioland - Bundesverband für organisch-biologischen Landbau e.V. und Demeter Bund e.V.

Quelle und Kontaktadresse:
Bioland - Bundesverband für organisch-biologischen Landbau e.V. Kaiserstr. 18 55116 Mainz Telefon: 06131/239790 Telefax: 06131/2397927

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