Eine neue Hoffnung? Zukunftskommission Landwirtschaft muss tiefgreifende Veränderungen einleiten
(Berlin) - Nitrate im Grundwasser. Artensterben auf den Äckern. Tierleid in den Ställen. Der Einsatz von Reserveantibiotika oder auch die aktuellen Fälle von Corona-Erkrankungen im Schlachthof von Tönnies - die Missstände im Bereich der Tierhaltung und Lebensmittelproduktion sind bekannt, es gibt viele Gründe, die Zustände auf Deutschlands Bauernhöfen und Agrarbetrieben zu kritisieren. Hinzu kommen die Auswirkungen der Landwirtschaft auf den Klimawandel, wirtschaftliche Aspekte wie schlechte Erzeuger-Preise und fehlende Hofnachfolge sowie eine auf Agrarexport und billige Agrarrohstoffe ausgerichtete Agrarpolitik.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt vor diesem Hintergrund den heutigen Beschluss des Bundeskabinetts zur Einsetzung einer Zukunftskommission Landwirtschaft, in die der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt und Myriam Rapior aus dem Bundesvorstand der BUNDjugend berufen wurden. Olaf Bandt: "Auch wenn der BUND in den letzten Monaten nicht nur gute Erfahrungen mit Regierungskommissionen gemacht hat, sind wir bereit, in dieser Kommission mitzuarbeiten, wenn sie die notwendigen Veränderungen anpackt. Die Missstände in den Agrarlandschaften, das Tierleid in den Ställen, die Umweltschäden durch die Agroindustrie und das unaufhaltsame Artensterben bewegen uns dazu mitzuwirken, damit sich endlich etwas ändert. Als großer Umweltverband ist es unsere Aufgabe, umweltpolitische Probleme zu benennen und Veränderung einzufordern. Es ist dringend notwendig, dass über die Landwirtschaft der Zukunft diskutiert wird. Hierbei müssen alle Seiten bereit sein, zuzuhören und Kompromisse zu finden."
Die Agrarpolitik ist seit vielen Jahren vor allem vom Nicht-Handeln, Zögern und Festhalten am Status Quo und von der Blockade der Agrarlobby bestimmt. Damit sind fast alle unzufrieden: Die Landwirtinnen und Landwirte auf den Höfen, die Verbraucher und Verbraucherinnen, Tierschützer und auch Umweltverbände wie der BUND. Die notwendige Agrarwende lässt noch immer auf sich warten. Myriam Rapior: "Alle Umweltschäden, die wir heute verursachen, gehen zu Lasten dieser und kommender Generationen. Es ist inakzeptabel, dass meiner Generation eine rasant schwindende Biodiversität, unüberschaubare Folgen der Klimakrise und skandalöse Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft übergeben werden. Sowohl wir, als auch die Menschen in anderen Ländern, haben ein Anrecht auf eine zukunftsfähige Landwirtschaft. In der Kommission möchte ich meine Stimme für die Jugendumweltbewegung einsetzen, die ein gutes Leben für alle einfordert."
Ähnlich wie im Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung ("Borchert-Kommission") ist es aus Sicht des BUND und der BUNDjugend notwendig, in der neuen Landwirtschaftskommission ein Zukunftsbild für das Jahr 2040 zu entwerfen. Es liegt in diesem Prozess eine große Chance, den vom BUND geforderten sozial-ökologischen Transformationspfad zu beschreiben. Beide BUND-Mitglieder fordern: "Ziel der Kommission muss sein, von der Wissenschaft begleitet einen gleichberechtigten Dialog und Ausgleich zwischen den Interessen der Landwirtschaft und der sonstigen Gesellschaft herzustellen und konkrete Schritte zu einer zukunftsfähigen, gesellschaftlich akzeptierten ökologisch vertretbaren Landwirtschaft zu vereinbaren. Die agrar-, umwelt-, tierwohl- und klimapolitischen Probleme sind hinreichend beschrieben und bekannt. Was fehlt, ist politisches Handeln." Es braucht ein gemeinsames Leitbild, eine gemeinsame Vision, dann kann anschließend über Mittel und Wege zur Erreichung dieses Ziels diskutiert werden, wie die Landwirtschaft 2040 aussehen muss. Olaf Bandt abschließend: "Die Regierung Merkel muss noch vor der Bundestagswahl 2021 vorlegen, wie die Landwirtschaft im Jahr 2040 aussehen soll und was sich ändern muss. Einen weiteren Verschiebebahnhof bis nach den Wahlen können sich die Landwirtschaft, unsere Umwelt und die Tiere nicht leisten. Taten sind gefragt."
Hinweis:
Die Arbeit der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ist zunächst bis Frühsommer 2021 geplant.
Die Kommission besteht aus 31 Mitgliedern und einem Vorsitzenden. Verbände aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft sowie aus Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz werden zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft und der Bundesministerien zu regelmäßigen Gremiensitzungen zusammenkommen, mit dem Ziel Empfehlungen und Vorschläge zu erarbeiten, um eine nachhaltige, das heißt ökologisch und ökonomisch tragfähige sowie sozial verträgliche Landwirtschaft am Standort Deutschland auch in Zukunft zu ermöglichen.
Für den BUND sind folgende Fragestellungen in der Kommission zentral:
- Wie soll unsere Landwirtschaft 2040 aussehen?
- Wie sollen die Tiere gehalten, die Felder bestellt, wie soll unsere Ernährung aussehen, wie unsere Märkte?
- Welchen Einfluss wird die Landwirtschaft auf Umwelt, Natur und Klima haben?
- Wie viele Bauernhöfe wird es noch geben?
- Wie fair werden die Preise für Erzeugerinnen und Erzeuger sein?
Quelle und Kontaktadresse:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Sigrid Wolff, Pressesprecherin
Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin
Telefon: (030) 275864-0, Fax: (030) 275864-40
Weitere Pressemitteilungen dieses Verbands
- Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert Bürger*innenenergie-Gipfel / Verbände: Gesamtstrategie fehlt – Partizipation und echte Teilhabe nötig
- Große Mehrheit will besseren Meeresschutz / BUND-Umfrage: 91 Prozent halten Schutz für wichtig oder unerlässlich
- Zukunftsprogramm Pflanzenschutz: BUND fordert konkrete Maßnahmen mit Finanzierungsplan, um Biodiversität zu schützen