Pressemitteilung | WirtschaftsVereinigung Metalle e.V. (WVM)

Einpreisung von CO2-Berechtigungen in den Strompreis ist wettbewerbswidrig / Positionen der NE-Metallindustrie zum Kartellverfahren „Emissionshandel und Strompreise“

(Berlin) - Die deutsche NE-Metallindustrie geht davon aus, dass die Einpreisung kostenlos ausgegebener CO2-Berechtigungen den Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Sinne des § 19 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) durch die Energiekonzerne E.ON und RWE erfüllt.

Die WirtschaftsVereinigung Metalle (WVM) folgt als Beschwerdeführer in wesentlichen Teilen den Argumenten des von der 8. Beschlusskammer des Bundeskartellamtes vorgelegten Sachstandsberichts vom 20. März 2006. Das Bundeskartellamt bejaht darin zutreffend ein marktbeherrschendes Duopol der beiden größten deutschen Stromerzeuger. Von keiner Seite bestritten wird, dass die kostenlos ausgegebenen Emissionszertifikate in die Strompreise eingepreist werden und eine enge Korrelation zwischen den Großhandelsstrompreisen und den Preisen für CO2-Zertifikate besteht.

Zertifikate sind ein Belastungsausgleich
Die WVM erinnert daran, dass es sich bei den auf ausdrücklichen Wunsch der dem Emissionshandel unterworfenen Industrie kostenlos ausgegebenen Zertifikaten um einen Belastungsausgleich handelt, der zur Kostenneutralität der Anlagenbetreiber beitragen und damit eine Strompreissteigerung verhindern sollte. Die ausgegebenen Emissionsberechtigungen stellen somit keine Vermögenswerte dar. Der Veräußerung sind enge Grenzen gesetzt:

- Fällt die Produktion der dem Emissionshandel unterliegenden Anlage um mehr als 40 Prozent, müssen nicht benötigten Berechtigungen zurückgegeben werden (§7 ZuG).
- Neuanlagen, die ihre angemeldeten Emissionen nicht ausschöpfen, müssen überschüssige Zertifikate zurückgeben (§8 ZuG).
- Zuteilung für Neuanlagen auf Basis der zu erwartenden zusätzlichen jährlichen Produktionsmenge (§11 ZuG).
- Wahlrecht, ob Zuteilung auf Basis historischer Emissionen oder auf Basis zu erwartender Emissionen (§7 Abs. 12 ZuG).

Damit wird die von den Stromerzeugern vorgebrachte ökonomische Theorie, wonach es ihnen freistehe, Emissionszertifikate entweder durch den Betrieb der Kraftwerke abzugelten oder frei zu verkaufen, massiv eingeschränkt. Die Möglichkeit (Opportunität) eines alternativen Verhaltens gibt es nicht. Deshalb ist die Einpreisung in die Strompreise ein Missbrauch der Marktstellung.

Kein Wettbewerb auf dem europäischen Strommarkt
Das Bundeskartellamt bestätigt die Ansicht der NE-Metallindustrie, dass es auf den europäischen Strommärkten erhebliche Wettbewerbsdefizite gibt. Die Behauptung der Stromerzeuger, die Einpreisungspraxis gebe es auch in den anderen EU-Ländern, hat das Bundeskartellamt bereits zurückgewiesen. Dort herrscht auch nach Einschätzung der EU-Kommission „weitgehend kein wirksamer Wettbewerb.“ Es liegt deshalb näher, das Verhalten der Unternehmen in den anderen vom Emissionshandel betroffenen Branchen zu betrachten. Nach Ermittlungen der 8. Beschlusskammer des Bundeskartellamtes scheitert in allen anderen Branchen die Einpreisung „an den dort herrschenden Wettbewerbsverhältnissen.“ Nur die Stromwirtschaft, auf deren Anlagen allerdings vier Fünftel aller ausgegebenen Zertifikate entfallen, könne dies tun, was den Verdacht auf ein marktmissbräuchliches Verhalten nach Ansicht der WVM weiter stützt.

Windfallprofits bei CO2-freier Stromerzeugung
Die NE-Metallindustrie macht außerdem geltend, dass rund 40 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms CO2-frei aus Kernkraft oder erneuerbaren Energien erzeugt wird. Die Preisbildung vollzieht sich aber nach den gleichen Prinzipien wie die Stromerzeugung aus Kohle oder Gas, was zu erheblichen Windfall Profits für die Kraftwerksbetreiber führe. Auch von Seiten der Stromerzeuger wird bestätigt, dass die Börsenpreise für Strom derzeit mehr als doppelt so hoch sind wie die durchschnittlichen Erzeugungskosten.

Metallbörsen und Strombörsen unterschiedlich
Ein Vergleich der europäischen Strombörsen mit der Londoner Metallbörse LME ist nicht statthaft. Auf den Metallmärkten herrscht im Gegensatz zu den Strommärkten intensiver Wettbewerb durch ein Vielfaches an Liquidität, der Globalität des Metallhandels, vielen Produzenten sowie der Lagerfähigkeit und Substituierbarkeit von Metallen. Nationale oder regionale Sonderlasten können auf den Weltmärkten nicht weitergewälzt werden.

Verlust der Wettbewerbsfähigkeit
Die europäischen Strompreise sind im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig. Lag die Konkurrenzfähigkeit deutscher Aluminiumhütten im Jahre 2003 bei Strompreisen zwischen 20 und 30 US-Dollar je Megawattstunde (MWh) noch im hinteren Mittelfeld, so sind Energiekosten von 40 und mehr Dollar nicht mehr geeignet, im Weltmarkt zu konkurrieren. Rund die Hälfte der weltweiten Aluminiumproduktion erfolgt heute auf der Basis von Stromkosten, die unter 20 US-Dollar je MWh betragen.

Fazit
Ein Ende dieser Einpreisungspolitik und langfristige, faire Stromverträge mit der energieintensiven Industrie sind wichtige Elemente auf dem Weg zu einer Rückkehr zu international wettbewerbsfähigen Strompreisen. Aus den dargelegten Gründen sieht die WirtschaftsVereinigung Metalle den Tatbestand des §19 GWB als erfüllt an, da E.ON und RWE bei der Einpreisung des Zertifikatehandels ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt haben.

Quelle und Kontaktadresse:
WirtschaftsVereinigung Metalle - Hauptstadtbüro - Martin Kneer, Hauptgeschäftsführer Wallstr. 58/59, 10179 Berlin Telefon: (030) 726207100, Telefax: (030) 726207198

(tr)

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