Elektroindustrie meldet zweistelliges Wachstum für 2000
(Frankfurt/Main) Die deutsche Elektrotechnik- und Elektronikindustrie verzeichnet für dieses Jahr einen regelrechten Boom: Mit einem Umsatzplus von knapp 15 Prozent auf 315 Mrd. DM und einem Wachstum der preisbereinigten Produktion um rund elf Prozent werden selbst die optimistischen Prognosen für 2000 deutlich übertroffen werden, erklärt Dr. Franz-Josef Wissing, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V., auf Basis der aktuellen Daten für die ersten zehn Monate. Damit legt die traditionell überdurchschnittlich rasch wachsende Schlüsselindustrie ihr höchstes Wachstum seit 1970 vor. Auch die Zahl der Beschäftigten wuchs seit Jahresbeginn um 26.000 auf 882.000 bis Ende Oktober.
Für 2001 erwartet Wissing angesichts der abgeflachten Aufwärtsentwicklung der Auftragseingänge seit Mitte des laufenden Jahres einen Umsatzzuwachs um immer noch kräftige sechs bis sieben Prozent. Dann werde die gemessen an der Wertschöpfung mittlerweile größte deutsche Industriebranche über 330 Mrd. DM oder 170 Mrd. umsetzen. Eine leichte Aufwertung des Euro haben wir hierbei ebenso einkalkuliert wie eine Abflachung der Weltkonjunktur, erläuterte der ZVEI-Hauptgeschäftsführer. Auch bei der Zahl der Arbeitsplätze ist er zuversichtlich: 2001 wird die Schwelle von 900.000 Beschäftigten in unseren deutschen Betrieben angesichts der mittlerweile hohen Kapazitätsauslastung von fast 87 Prozent erstmals seit Ende 1995 wieder überschritten werden. Sorgen macht der Elektrobranche in diesem Zusammenhang der zunehmende Fachkräftemangel. So plant einer aktuellen ZVEI-Umfrage zufolge allein die deutsche Elektrotechnik- und Elektronikindustrie bis 2005 die Neueinstellung von rund 12.000 bis 13.000 Ingenieuren und Informatikern pro Jahr, darunter 7.600 Elektroingenieuren. Der anhaltend regen Nachfrage nach Elektronik- und Softwarespezialisten stehen derzeit nur rund 7.300 Hochschulabsolventen in Elektrotechnik pro Jahr gegenüber. Dies deckt noch nicht einmal den Bedarf der Elektroindustrie. Hinzu kommt aber die Nachfrage anderer Branchen wie der Automobilindustrie, des Maschinenbaus, der Energiewirtschaft, des Verkehrs und des Telekommunikationssektors nach Elektroingenieuren in etwa gleicher Größenordnung.
Anteil der Elektronik wächst in allen Anwendungsbereichen
Als wesentliche Gründe für das dynamische Wachstum sieht der ZVEI neben der guten Weltkonjunktur und den für die europäischen Hersteller günstigen Wechselkursen insbesondere die hohe Innovationsdynamik, die von der Mikroelektronik ausgeht. Die aktuellen Innovationen in der Mikroelektronik erhöhen den Wertschöpfungsanteil der Elektroindustrie zum Beispiel im Maschinenbau und der Fahrzeugindustrie kontinuierlich. Damit wachsen unsere Märkte gerade bei guter Konjunktur und intensivem Innovationswettbewerb in diesen Branchen überproportional, erläutert Wissing. Auch profitiere die Elektroindustrie von der rasch wachsenden Bedeutung technologienaher Software und Services in praktisch allen Anwendungsfeldern der Elektrotechnik und Elektronik. Hier entstehe ein eigenständiger Wachstumsfaktor mit rasch wachsendem Gewicht für Umsatz und Beschäftigung in der Elektroindustrie.
Daneben sind dem aktuellen Konjunkturbericht des ZVEI zufolge die gute Konjunktur im In- und Ausland sowie die Wechselkurse Hauptantriebskräfte des aktuellen Booms. So legte der Export bis zum Ende des dritten Quartals um 27 Prozent zu. Vor allem die kräftige Ausfuhrsteigerung nach Südostasien (plus 40 Prozent), nach Mittel- und Osteuropa (plus 32 Prozent) und in die USA (plus 32 Prozent) sorgten in diesem Jahr maßgeblich für den Anstieg des Ausfuhrvolumens auf fast 200 Mrd. DM.
Den Wachstumsbeitrag der Eurokursentwicklung bezifferte Wissing hierbei für das laufende Jahr auf 20 bis 30 Prozent des gesamten Umsatzwachstums. Von dem niedrigen Wechselkurs profitiere gerade auf den weitgehend globalisierten Märkten der Elektronikindustrie nicht nur der Export in die außereuropäischen Länder. Auch die Kosten- und Wettbewerbsposition gegenüber den überseeischen Wettbewerbern in der Eurozone wird trotz teilweise kräftig anziehender Vormaterialkosten tendenziell gestärkt.
Nahezu alle Bereiche der Elektroindustrie legen zu
Vor allem die Bauelemente und die Baugruppen der Elektronik haben bis zum dritten Quartal ihr überdurchschnittliches Wachstum fortgesetzt. Bei den Halbleitern, die in Deutschland ein Umsatzplus von 50 Prozent aufweisen, sorgte die rege Nachfrage für deutlich längere Lieferzeiten und teilweise spürbar ansteigende Preise.
Auch die Anbieter von Produkten, Systemen und Lösungen für die Automation berichten nach mehreren Jahren mit stagnierenden Investitionen von einer deutlichen Belebung der Nachfrage zunächst aus dem Ausland, zunehmend aber auch aus dem Inland. So erwarten die weltweit führenden deutschen Hersteller elektrischer Antriebe ein Umsatzplus von sechs Prozent. Bei Schaltgeräten, Schaltanlagen und Industriesteuerungen lassen die bislang vorliegenden Daten sogar ein spürbar höheres Umsatzwachstum erwarten. In der Messtechnik und Prozessautomation sorgen trotz des Investitionsstaus in der Kraftwerksleittechnik insbesondere die weltweit anziehenden Investitionen der Öl- und Gasindustrie für frischen Wind.
Eher stagnierend entwickeln sich lediglich die Inlandsumsätze der Hersteller von Installationsgeräten und -systemen ebenso wie in der Kabelindustrie. Verantwortlich dafür ist die wirtschaftliche Lage in der Bauwirtschaft und die schwächere Nachfrage der Energieversorgungsunternehmen. Dies wird teilweise durch stärkere Exporte ausgeglichen.
Auch der Umsatz mit elektrotechnischen und elektronischen Gebrauchsgütern legt in diesem Jahr um etwa sieben Prozent zu. Einen deutlichen Auftrieb verzeichnet die Unterhaltungs- und Informationselektronik Fernseher, Videorekorder, Hifi- und Telefongeräte sowie Computer mit einem Umsatzplus von zehn Prozent auf dem deutschen Markt. Die Entwicklung der Elektrohaushaltsgeräte war erneut stark vom Export bestimmt. Die Branche rechnet mit einem Umsatzwachstum von fünf Prozent, wobei mehr als die Hälfte der Produktion inzwischen im Ausland abgesetzt wird.
Ertragslage hat sich verbessert
Nachdem die Ertragsquote der deutschen Elektroindustrie in den 90er Jahren kaum über zwei Prozent und damit im internationalen Vergleich am unteren Rand lag, hat sich die Situation in diesem Jahr verbessert. Wissing: Wir hören von vielen Unternehmen, dass das Jahr 2000 das seit langem beste war, auch bei der Ertragslage.
Nachdrücklich warnte Wissing in diese Zusammenhang vor falschen wirtschafts- und sozialpolitischen Schlussfolgerungen aus dem aktuellen Aufschwung. Zahlreiche günstige Faktoren wie die weltweit gute Konjunktur, der niedrige Kurs des Euro und die richtigen tarif- und steuerpolitischen Weichenstellungen seien in den letzten Monaten zusammengekommen. So habe die Beschäftigung nicht zuletzt auch von den rückläufigen Lohnstückkosten profitiert. Jetzt dürfen wir die aktuellen Kostenvorteile und die mühsam erreichte Flexibilität nicht durch neue standortpolitische Fehlentscheidungen gefährden, mahnte er mit Blick auf die geplante Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen und die aktuelle Diskussion um eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Auch wird der Wind beim Euro im kommenden Jahr wieder von vorne kommen, erwartet Wissing. Nur wenn wir den Kurs zu mehr Marktwirtschaft und Flexibilität, niedrigeren Steuern und weniger Regulierung fortsetzen, können wir die Chancen der weltweit stattfindenden elektronischen Revolution optimal nutzen und Herausforderungen wie die zu erwartende Erholung des Euro mit möglichst wenig Nebenwirkungen ausgleichen.
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