Pressemitteilung | ZVEI e.V. - Verband der Elektro- und Digitalindustrie

Elektronikentsorgung: EU-Richtlinienentwurf lässt noch viele Fragen offen / ZVEI-Präsident Harting: Rechtssicherheit und Wettbewerbsneutralität weiter unklar

(Frankfurt am Main) – Als ersten Schritt auf dem Weg zu einer für die Industrie akzeptablen Regelung sieht der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V. den von der EU-Kommission vorgelegten Entwurf für eine europäische Elektronikschrott-Richtlinie. Zu dieser Einschätzung kam ZVEI-Präsident Dietmar Harting in einer ersten Stellungnahme zu dem am 13.06. von der EU-Kommission verabschiedeten Entwurf der sogenannten WEEE-Richtlinie, die die Entsorgung gebrauchter Elektro-Hausgeräte sowie von Geräten aus den Bereichen Consumer Electronics, Informations- und Kommunikationstechnik europaweit neu regeln soll. Positiv ist aus Sicht der Industrie insbesondere die klare Entscheidung, die Verantwortung für die haushaltsnahe Sammlung aus Privathaushalten auch künftig bei den Kommunen zu belassen. Auch die vorgesehene Verlängerung der Übergangsfristen sei ein wichtiger Fortschritt.

Dennoch birgt der Entwurf nach Auffassung des ZVEI weiterhin unkalkulierbare juristische und wirtschaftliche Risiken. So sieht er eine Verpflichtung aller Hersteller zur Rücknahme von Geräten vor, die lange vor Inkrafttreten der Verordnung verkauft wurden. Auch sollen die Anbieter zur Entsorgung gleichartiger Geräte von fremden Herstellern verpflichtet werden. Beide Regelungen verstoßen nach einem Gutachten des führenden Verfassungsrechtlers Professor Fritz Ossenbühl gegen das deutsche Grundgesetz, das der rückwirkenden Gültigkeit von Gesetzen ebenso enge Grenzen wie der gesetzlichen Verpflichtung zu einer gemeinschaftlichen Haftung setzt. „Auch die vorgesehene fünfjährige Übergangsfrist kann hier bei Geräten mit einer Lebensdauer von zwanzig oder mehr Jahren keine Lösung sein, die einer sicher zu erwartenden Verfassungsprüfung auf Antrag eines betroffenen Anbieters standhält“, erläutert Harting. Die Industrie hatte deshalb vorgeschlagen, die Entsorgung der vor Inkrafttreten der Verordnung verkauften Geräte nur auf freiwilliger Basis zu regeln.

Grundsätzlich positiv wertet der ZVEI in diesem Kontext allerdings den Versuch der EU-Kommission, bei der Finanzierung der Recyclingkosten Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden. So soll die in Deutschland durch das Wettbewerbsrecht weitgehend untersagte Bildung von Firmenpools zur Entsorgung bestimmter Gerätearten ausdrücklich erlaubt werden. Auch will die Kommission diejenigen Hersteller, die sich für den Aufbau eigenständiger Entsorgungssysteme entscheiden, durch verschiedene Vorkehrungen an der Entsorgung von Altgeräten entsprechend ihrem aktuellen Marktanteilen beteiligen. In letzter Sekunde hat die EU-Kommission aber die ausdrückliche Erlaubnis, die Entsorgungskosten auf den Rechnungen getrennt auszuweisen, wieder fallen gelassen.

„Gerade in diesem Punkt gibt es allerdings innerhalb der Elektroindustrie unterschiedliche Auffassungen, “erläutert ZVEI-Konsumgüterspezialist Norbert Knaup. So lehnten Anbieter mit in den letzten Jahren stark gewachsenen Marktanteilen es tendenziell ab, die Entsorgung von Geräten fremder Marken zu finanzieren und Altgeräte, die vor Inkrafttreten der Verordnung in Verkehr gebracht wurden, zu übernehmen. Andererseits seien gerade Unternehmen, deren Marktanteil sich weniger günstig entwickelt habe, auf eine wettbewerbsneutrale Finanzierung der Entsorgung angewiesen. „Wenn diese Hersteller die Entsorgung ihrer Altgeräte allein finanzieren müssen, wird ihre Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigt“, erläutert Knaup. „So lange der Gesetzgeber an dem Grundprinzip festhält, eine zum Zeitpunkt der Rückgabe für den Verbraucher kostenlose Entsorgung von Altgeräten vorzuschreiben, wird er nicht um eine Richtungsentscheidung zu Lasten einer Anbietergruppe mit entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeitsplätze herumkommen.“ Diese schwierige Entscheidung könne er sich nur ersparen, wenn er sich endlich dafür entscheide, dass der Letztbesitzer für die Entsorgung bezahlt.

Für unrealistisch hält der ZVEI bei der Entsorgung des aktuellen Gerätebestandes die geforderten Recyclingquoten von 60 bis 80 Prozent. Solche Quoten seien erst bei den heute angebotenen, konsequent auf Recyclingfreundlichkeit angelegten Geräten führender Markenhersteller realistisch, nicht aber bei oft mehr als 20 Jahre alten Geräten. In vielen Bereichen der Elektroindustrie seien zudem noch immer No-Name- und Billig-Geräte auf dem Vormarsch, über deren Recyclingfähigkeit es kaum verlässliche Informationen gebe. Auch wenn die Elektroindustrie die angepeilten Stoffverbote ablehnt, weil nur in Teilbereichen Ersatz geschaffen werden könne, sei wenigstens für einheitliche Anforderungen innerhalb Europas gesorgt. Die Stoffverbote sollen nämlich in einer eigenen Richtlinie geregelt werden, die keine nationalen Alleingänge zulässt.

Die Kosten für die geforderte Verwertung einschließlich der Abholung von den kommunalen Sammelstellen und der notwendigen Sortierung schätzt der ZVEI auf rund 8 Mrd. € pro Jahr oder rund fünf Prozent des EU-Marktes für die betroffenen elektrotechnischen Gebrauchsgüter. „Angesichts der angespannten Ertragslage der betroffenen Hersteller lassen sich diese Kosten nicht aus den laufenden Erträgen decken,“ sagte Knaup. Zwar werde die Verordnung nach der Verabschiedung im EU-Parlament und der Umsetzung in das Recht der Mitgliedstaaten voraussichtlich erst 2003 in Kraft treten und anschließend sei eine Übergangszeit von fünf Jahren bis zur vollständigen Umsetzung vorgesehen. Dennoch seien spürbare Preiserhöhungen ab 2003 zu erwarten, weil die Firmen dann mit der Bildung der Rückstellungen beginnen müssten.

Quelle und Kontaktadresse:
ZVEI, Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Stresemannallee 19. 60596 Frankfurt am Main, Postfach 70 12 61, 60591 Frankfurt am Main

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