Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

Eltern und Lehrer weiterhin unzufrieden mit Situation am Gymnasium / Vorsitzende der Gymnasialeltern Bayern e.V., Ulrike Köllner, und BLLV-Präsident Klaus Wenzel fordern Entlastung für Schüler, Eltern und Lehrer / Kompetenzerwerb stärken

(München) - Die Vorsitzende der Gymnasialeltern Bayern e.V. (GyB), Ulrike Köllner, und der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, haben in einer gemeinsamen Presseerklärung kritisiert, dass nur 60 Prozent aller Schülerinnen und Schüler, die in ein Gymnasium übertreten, das Abitur erreichen. "Häufig sind dafür immense Investitionen für private Nachhilfe erforderlich", beklagten beide. Sie kritisierten auch den einseitig auf Ziffernnoten und Punkte ausgerichteten Lern- und Leistungsbegriff als "nicht mehr zeitgemäß". "Die Schülerinnen und Schüler eignen sich kurz vor einer Prüfung abfragbares Wissen an, um es danach schnell wieder zu vergessen.
Im 21. Jahrhundert darf es nicht mehr nur um das bloße Vermitteln von Lernstoff gehen", betonten sie. Die Heranwachsenden müssten stattdessen in die Lage versetzt werden, selbständig Kompetenzen zu erwerben, Qualifikationen auszubauen, Bildung zu leben und zu erleben. "Wir müssen vom Lehren hin zum Lernen, von der Wissensvermittlung zum Kompetenzerwerb kommen."

Die Situation an den bayerischen Gymnasien bezeichneten Köllner und Wenzel als "nach wie vor unbefriedigend". Immer noch werde das Problem völlig überfrachteter Lehrpläne ignoriert. "An den Lehrplaninhalten hat sich wenig geändert, sie wurden nur marginal gekürzt", stellte Köllner fest. Von einer echten Entlastung könne keine Rede sein, Im Gegenteil:
"Die Schüler müssen eine extreme Prüfungsdichte bewältigen. Sie hetzen von einer Extemporale und Schulaufgabe zur nächsten, sie versuchen, die Stofffülle irgendwie zu schaffen und finden kaum noch Zeit, das Gelernte zu reflektieren. Jeder, der Kinder auf dem Gymnasium hat, weiß, wie anstrengend der Alltag dort ist. Viele sind nach ein paar Wochen Schule vollkommen ausgepowert. Für Eltern ist es oft schwer, miterleben zu müssen, wie ihre Kinder versuchen zu funktionieren - und doch scheitern, weil sie trotz aller Bemühungen die hohen Hürden nicht schaffen." Der Besuch eines Gymnasiums bedeute für viele Familien nicht nur finanzielle Einbußen, "sondern auch Leid, Frust und vielfach auch Streit", sagte Köllner.

Aus Sicht Wenzels leiden auch viele Gymnasiallehrer/innen unter den vorherrschenden Strukturen: "In den heutigen Massenbetrieben wird es für sie immer schwieriger, zu einzelnen Schülern Beziehungen aufzubauen - obwohl der Lehrerberuf ein Beziehungsberuf ist. Wenn sie pro Vormittag drei bis fünfmal vor einer anderen Klasse stehen, kann das nicht gelingen. Individuelle Lernfortschritte einzelner Schüler können sie kaum noch erfassen. Ich höre auch immer öfter, dass sie es leid sind, die ihnen anvertrauten Schüler wieder aussortieren zu müssen, wenn die Leistungen nicht genügen."

Die GyB-Vorsitzende und Wenzel machten auf die steigenden Kosten aufmerksam, die für den Besuch eines bayerischen Gymnasiums inzwischen erforderlich sind: neben den immensen finanziellen Aufwendungen für die Nachhilfe - "ohne sie geht in vielen Fällen am Gymnasium gar nichts mehr" - kommen noch weitere Ausgaben für den Schulbesuch hinzu:
Unterrichtsmaterialien, Klassenfahrten, Exkursionen, Ausstattung für Sportunterricht und vieles mehr. Richtig teuer ist die Ausstattung für den Computer zu Hause. Für ältere Schülerinnen und Schüler unabkömmlich, denn Referate, Facharbeiten und die dafür erforderliche Recherche erfolgt hauptsächlich am PC. "Ein erfolgreiches Abitur wird mehr und mehr zur Frage des Einkommens der Eltern", bemängelte Köllner. Sie schätzt die Kosten für Nachhilfe pro Schüler zwischen 50 und 150 Euro pro Monat.

Gemeinsam mit dem BLLV forderte die GyB- Vorsitzende Staatsregierung und Kultusministerium auf, Fördermöglichkeiten zu schaffen, die Nachhilfe überflüssig machen. Außerdem müssen ausreichend bedarfsgerechte rhythmisierte Ganztagsangebote geschaffen werden, damit die Schüler nach der Schule wirklich frei haben und keine Hausaufgaben erledigen müssen.
"Es wird zwar viel darüber gesprochen, Eltern, die einen Ganztagsplatz für ihr Kind suchen, finden jedoch in der Regel keinen, weil das Angebot in Bayern der Nachfrage immer noch meilenweit hinterherhinkt", sagte Köllner. Außerdem müssten die Schülerinnen und Schüler rasch entlastet werden. "In einem ersten Schritt müssen die Lehrpläne neu konzipiert und deutlich verschlankt werden."

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Pressestelle Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Telefax: (089) 72100155

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