Endlich härtere Gangart im Umgang mit Missbrauchstätern und mehr Rechte für die Opfer
(Berlin) - Mit deutlicher Mehrheit haben die Abgeordneten des EU- Parlaments in Straßburg gestern einen umfangreichen Vorschlag angenommen, um sexuellen Missbrauch von Kindern EU-weit einheitlich wirksamer bekämpfen zu können. Wir, die Deutsche Kinderhilfe, begrüßen alle im Folgenden dargestellten geplanten Maßnahmen klar.
1. Die Höchststrafen für mehrere Formen von sexuellem Missbrauch sollen angehoben werden
Dazu zählen auch sexuelle Aktivitäten mit Kindern, die zwar das Alter der sexuellen Mündigkeit erreicht haben, in diese Aktivitäten aber nicht einwilligen. Konkret soll auch der Begriff „Einwilligung“ für Minderjährige, die das Alter der sexuellen Mündigkeit erreicht haben, neu gefasst werden. Im gegenseitigen Einvernehmen erfolgende sexuelle Handlungen unter Gleichaltrigen sollten danach nicht unter Strafe stehen, es sei denn, es liegt Abhängigkeit oder Vertrauensmissbrauch vor. Dagegen sollte es als strafbarer erschwerender Umstand gelten, wenn man sich als Gleichaltriger ausgibt.
Strenger bestraft werden soll außerdem, wer Kinder anwirbt, um sie als Prostituierte auszubeuten, wer Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern besitzt oder verbreitet und wer (z. B. finanzielle) Gegenleistungen für bestimmte Straftaten im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern anbietet.
Dies ist vor dem Hintergrund der von der Deutschen Kinderhilfe kritisierten Reduzierung der Mindeststrafandrohung für den Besitz und die Verbreitung von so genanntem kinderpornografischem Material sehr interessant.
2. Keine Verjährungsfristen mehr bei sexuellem Missbrauch von Kindern
Für Straftaten, die unter die aktualisierten Vorschriften fallen, sollen nach dem Willen der Abgeordneten keine Verjährungsfristen mehr gelten, weil es statistisch belegt ist, dass die meisten Opfer die entsprechenden Straftaten erst lange danach anzeigen. Auch für den Anspruch der Opfer auf Entschädigung sollte keine Verjährungsfrist gelten.
Aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe sind das wichtige und längst überfällige Schritte, um Missbrauchsopfern Gerechtigkeit zu verschaffen.
3. KI- generierte Missbrauchsdarstellungen werde in den Fokus genommen/ Vorschriften sollen der technologischen Entwicklung Rechnung tragen
Damit die Rechtsvorschriften der EU mit der technischen Entwicklung in diesem Bereich Schritt halten können, wollen die Abgeordneten den Einsatz von Systemen der künstlichen Intelligenz, die „in erster Linie dazu bestimmt oder angepasst sind, die Erstellung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu ermöglichen“, ausdrücklich unter Strafe stellen. Damit soll realistisches KI-Material wie echtes Material behandelt werden. Die Abgeordneten nahmen auch Bestimmungen über das Livestreaming von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern und deren Online-Verbreitung an. Um Straftäter besser ausfindig machen zu können, macht sich das Parlament zudem für verdeckte Ermittlungen und verdeckte Überwachungsmaßnahmen stark. Auch dies ist aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe uneingeschränkt zu begrüßen, da es aus unserer Sicht die einzige praktikable Möglichkeit darstellt, die Täter fassen zu können.
4. Hilfe für Opfer
Kinder, die Opfer von sexuellem Missbrauch werden, sollen kostenlos Hilfe erhalten. Dazu zählen medizinische und forensische Untersuchungen, Hilfe bei der Dokumentation von Beweismitteln, geschlechtsspezifische medizinische Versorgung und Zugang zu Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Diese Hilfen sollen nach der Parlamentsentscheidung im Einklang mit dem Modell Childhoodhaus stehen, bei dem Dienste unter einem Dach zusammenkommen, um Kinder zu unterstützen, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind. Auch Dritte, z. B. Organisationen der Zivilgesellschaft, sollen Straftaten melden können.
All dies entspricht den langjährigen Forderungen der Deutschen Kinderhilfe.
Schnelle Entscheidung nötig
Nach der eindeutigen Positionierung des Parlaments (die Vorschläge wurden mit 599 Ja-Stimmen, 2 Nein- Stimmen und 62 Enthaltungen angenommen) fordert die Deutsche Kinderhilfe nun eine schnelle Einigung zwischen Parlament und Rat über die endgültige Form des Gesetzes. Dabei dürfen die wichtigen und richtigen Inhalte der Richtlinie nicht wieder, wie bei anderen Vorschriften (Chatkontrollen) aufgeweicht werden.
Hier ringen die Gesetzgeber seit Jahren mit dem Vorschlag für eine Verordnung über die Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet, obwohl das Europäische Parlament seinen Standpunkt zu dem Verordnungsentwurf bereits 2023 festlegte, wartet es bis heute vergeblich darauf, dass der Rat einen gemeinsamen Standpunkt findet. Die Deutsche Kinderhilfe hat seit Jahren immer wieder angemahnt, endlich EU-weit geltende wirksame Regelungen im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen im Netz zu schaffen.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V., Rainer Becker, Geschäftsführende(r) Vorstandsvorsitzende(r), Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin, Telefon: 030 24342940