Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Engelen-Kefer kritisiert Vorschläge des Wirtschaftsministers

(Berlin) - Die im Wirtschaftsbericht 2001 aufgeführten Vorschläge zur Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung hat die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Ursula Engelen-Kefer als nicht nachvollziehbar und unverständlich zurückgewiesen.

In einem Offenen Brief an Wirtschaftsminister Werner Müller betonte Engelen-Kefer, dass die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Arbeitnehmer für eine private Vorsorge allen Reformbemühungen des Gesundheitswesens widerspreche.

Hier der Wortlaut des Briefes:



Sehr geehrter Herr Bundesminister,

die von Ihnen im 'Wirtschaftbericht 2001' gemachten Vorschläge zur zukünftigen Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht nachvollziehbar und stoßen in den Gewerkschaften auf absolutes Unverständnis.

Die von Ihnen geforderte Auszahlung der Arbeit geberbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Lohn, um damit Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, diese für den Aufbau einer privaten Vorsorge nutzen zu können, widerspricht allen derzeitigen Reformbemühungen, deren Hauptanliegen die Verbesserung der Qualität der gesundheitlichen Versorgung ist.

Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat in seinem im Frühjahr 2001 vorgelegten Gutachten nachgewiesen, dass das zentrale Defizit des bundes-deutschen Gesundheitswesens in der Tatsache liegt, dass für eine international vergleichsweise durchschnittliche Gesundheitsversorgung überdurchschnittlich viel Geld ausgegeben wird. Das bedeutet in der Konsequenz, dass eine Erhöhung der finanziellen Ressourcen in der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit der Privatisierung des Gesundheitswesens verbunden wäre, nicht eine Erhöhung des gesundheitlichen Versorgungsniveaus nach sich ziehen wird. Darüber hinaus ist damit nicht die Gewähr verbunden, den zukünftigen Herausforderungen hinsichtlich der demographischen Entwicklung und eines noch immer ungesteuerten medizinisch-technischen Fortschritts sinnvoll begegnen zu können.

Weitere gravierende Defizite des Gesundheitswesens liegen in Wirtschaftlichkeitsreserven von erheblichem Umfang, in der nachgewiesenen Über-, Unter- und Fehlversorgung und in einem fehlenden Wettbewerb auf Seiten der Leistungsanbieter, welcher verantwortlich ist für das Bestehen von Angebotskartellen mit den entsprechenden Preisdiktaten in der medizinischen Versorgung.

Meiner Ansicht nach muss eine Gesundheitsreformdiskussion diese strukturellen Mängel zum zentralen Thema haben.

Internationale Erfahrungen sowohl mit steuerfinanzierten Gesundheitssystemen wie in England als auch mit hauptsächlich von den einzelnen Versicherten getragenen privaten Finanzierungsanteilen wie in den USA und der Schweiz zeigen, dass diese Finanzierungs-formen weder zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung noch zu einer Eindämmung der Gesundheitskosten geführt haben. Ganz im Gegenteil: insbesondere zeigt sich in der Schweiz nach der Umstellung der Finanzierung auf versichertenbezogene Kopfprämien vor einigen Jahren ein überdurchschnittliches Ansteigen der Ausgaben für Gesundheit.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass mit einer Verlagerung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf höhere, privat aufzubringende Anteile der einzelnen Versicherten eine sinnvolle, zukunftsweisende Reform des Gesundheitswesens nicht gewährleistet ist.

Die Verantwortung für und die Gestaltung des Gesundheitswesens muss auch in Zukunft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleiben. Die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam getragene Beitragsfinanzierung muss weiterhin das Finanzierungsmodell der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben. Der Ausbau des Gesundheitssystems muss in Richtung mehr Effizienz, höhere Qualität und größere Wirtschaftlichkeit gestaltet werden.

Alle weiteren Reformoptionen, die nicht die Beseitigung struktureller Defizite zum Ziel haben, sind für die Gewerkschaften nicht tragbar.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0 Telefax: 030/24060-324

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