Engelen-Kefer: Warnung vor Patentrezepten bei der Sozialhilfe
(Berlin) - Der DGB unterstützt jeden Vorstoß, arbeitslose Jugendliche in Ausbildung und Arbeit einzugliedern, warnt jedoch vor vermeintlichen Patentrezepten, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Ursula Engelen-Kefer am 20. August 2001 in Berlin. Sie nahm damit zu dem Vorstoß des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping sowie des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch Stellung, jugendlichen Sozialhilfeempfängern jegliche Unterstützung zu streichen, wenn sie die Eingliederung in Arbeit oder Ausbildung nicht annehmen.
Auf den ersten Blick klängen diese Forderungen zwar einleuchtend, sie würden der tatsächlichen Problemlage aber keinesfalls gerecht, so Engelen-Kefer. Fast jeder zehnte Jugendliche bis 25 Jahre, der auf Sozialhilfe angewiesen sei, sei bereits heute erwerbstätig, und fast jeder fünfte sei in Aus- oder Weiterbildung. Der Großteil der Jugendlichen sei nur kurzfristig auf Sozialhilfe angewiesen, im Schnitt weit weniger als ein Jahr; die 18- bis 21jährigen zum Beispiel durchschnittlich 9,9 Monate. Die DGB-Vizevorsitzende regte erneut an, die Hilfen für benachteiligte Jugendliche zu verbessern und auszuweiten - dies fordert der DGB seit langem. Engelen-Kefer warnte jedoch vor den Konsequenzen, jede öffentliche Unterstützung zu verweigern, wenn diese Arbeiten einmal nicht angetreten würden.
Bereits heute sei nach dem Sozialhilfegesetz jede Arbeit auch Arbeiten mit einer Mehraufwandsentschädigung von beispielsweise 2 DM je Stunde zumutbar; eine Wahlfreiheit gebe es nicht. Ohnehin könne die Sozialhilfe um 25 Prozent gekürzt werden. Zu einem Arbeitserzwingungsinstrument könne und dürfe die Sozialhilfe jedoch nicht ausgeweitet werden.
Auch für die mehr als 50.000 alleinerziehenden Jugendlichen, sowie die mehr als 20.000 Jugendlichen, die krank, behindert, suchtabhängig, überschuldet oder obdachlos sind, muss ein soziales Existenzminimum gesichert werden. Sie brauchen eine Chance zum Überleben, sagte Engelen-Kefer. Unserem Sozialstaat ist es zu verdanken, dass die Kriminalität unter Jugendlichen weit geringer ist, als beispielsweise in den USA.
Viele Modellprojekte im Rahmen des Sofortprogramms zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit hätten gezeigt, dass es auch unter der Mehrzahl der jugendlichen Sozialhilfeempfänger nicht an Arbeitswilligkeit fehle, sondern an ausreichenden Bildungs- und Beschäftigungsangeboten, so die Gewerkschafterin. Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres konnten die Arbeitsämter 49.000 Jugendlichen mit Sozialhilfebezug ein Angebot machen. Kreative Initiativen im Rahmen dieses Programms hätten zugleich gezeigt, dass viele Jugendliche, die die Gesellschaft bereits abgeschrieben habe, wieder motiviert und für eine Qualifizierung oder Erwerbstätigkeit gewonnen werden konnten.
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