Pressemitteilung | Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt)

Erfolgreiche Unterschriftenkampagne gegen das Verbot bestimmter Antibiotika

(Frankfurt am Main) - Innerhalb von nur vier Wochen haben 643.733 Tierärzte/innen und Tierhalter/innen gegen das im EU-Parlament diskutierte weitreichende Verbot von bestimmten Antibiotika für Tiere gestimmt. Die dazu vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) initiierte Unterschriftenkampagne, über die in den letzten Wochen erfreulich viel berichtet wurde, richtet sich insbesondere gegen einen vom Umweltausschusses des EU-Parlaments (ENVI) initiierten Entschließungsantrag, der im Kern die Behandlung von kranken Tieren gefährden könnte. Über den Antrag stimmt das EU-Parlament am kommenden Mittwoch ab. bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder und Geschäftsführer Heiko Färber übergaben die gesammelten Unterschriften vergangene Woche an den Vorsitzenden der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, und an die Vizepräsidentin des EU-Parlaments und stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Nicola Beer und warben dabei nochmals eindringlich für die Zustimmung zum Vorschlag der EU-Kommission vom 26. Mai für einen Delegierten Rechtsakt (DR) zur "Festlegung von Kriterien für die Bestimmung antimikrobieller Wirkstoffe, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind". Ein Übergabetermin mit der S&D-Fraktion im EU-Parlament ist angefragt.

"Die nahezu 650.000 Unterschriften sind ein fulminantes Ergebnis und ein ganz klarer Auftrag für uns, um bei den EU-Abgeordneten für eine Ablehnung des Entschließungsantrags (Veto) des ENVI zu werben", erklärt Moder. "Da in den letzten Tagen viel Falsches zu unserer Kampagne gesagt und geschrieben wurde, will ich noch einmal den Grund für unsere Forderung deutlich machen: Entgegen dem Entschließungsantrag, erarbeitet vom Berichterstatter MEP Martin Häusling, ist der DR der Kommission in seiner jetzigen Form ein wissenschaftlich fundierter und ausgewogener Vorschlag, der einen massiven Beitrag für die Humangesundheit im Sinne des One-Health-Ansatzes leistet, ohne jedoch Kollateralschaden bei der Tiergesundheit zu verursachen."

In diesem DR werden bereits viele Wirkstoffklassen für die Humanmedizin reserviert, die damit gemäß EU-Tierarzneimittelverordnung VO (EU) 2019/6 für den Einsatz bei Tieren verboten sind und auch nicht mehr umgewidmet werden können. Die zugelassenen Medikamente der wenigen verbliebenen Wirkstoffklassen können dann auch nur sehr einschränkt eingesetzt werden, da es dafür jetzt schon in vielen europäischen Ländern erhebliche gesetzliche Hürden gibt (u. a. Antibiotikaleitlinien, Antibiogrammpflicht etc.). "Das Veto des ENVI kann ich deshalb überhaupt nicht nachvollziehen", macht Moder sein Unverständnis deutlich. "Denn mit dem DR wird doch die Humangesundheit zusätzlich geschützt und der Tiermedizin würden nur noch ganz wenige Wirkstoffklassen zur Verfügung stehen, die auch nur im Einzelfall eingesetzt werden dürfen."

Ein weiterer wichtiger Grund gegen das ENVI-Veto und für den DR zu stimmen ist, dass der DR das Ergebnis monatelanger wissenschaftlicher Abstimmungen zwischen den Experten von Europäischer Arzneimittelagentur (EMA), Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), Europäischem Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), Welttiergesundheitsorganisation (OIE) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist. Also endlich einmal ein echter One-Health-Ansatz, der noch dazu die in medizinischen Fragen notwendige Flexibilität bietet, um auf Veränderungen der Resistenzsituation reagieren zu können. Dass manche im Europäischen Parlament offensichtlich ihren eigenen wissenschaftlich gut aufgestellten europäischen Agenturen nicht vertrauen, ist jedenfalls für Moder nur schwer nachvollziehbar.

Nicht unerheblich für die Humangesundheit ist aber auch, dass Art. 118 (1) der VO (EU) 2019/6 Importbeschränkungen für tierische Erzeugnisse vorsieht, die mit einem für die Humanmedizin als kritisch eingestuften Antibiotikum behandelt wurden. "Diese Liste kann vor der Welthandelsorganisation (WTO) nur Bestand haben, wenn sie auf einwandfreier wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet wurde. Ich kann nicht glauben, dass die EU-Parlamentarier auf dieses wichtige Instrument zum Schutz der Humangesundheit verzichten wollen", macht Moder deutlich. Denn die Reziprozitätsklausel ist einer der großen Erfolge des EU-Parlaments bei den Triologverhandlungen zur VO (EU) 2019/6 im Jahr 2018 gewesen. "Dieser Erfolg würde mit der Ablehnung des DR leichtfertig aufs Spiel gesetzt".

Auch wissenschaftliche Fakten sprechen für den DR: Nach Auffassung des (deutschen) Forschungsnetzwerks Zoonotische Infektionskrankheiten, dem führende Wissenschaftler aus Human- und Tiermedizin angehören, liegt bislang nur wenig gesicherte Evidenz darüber vor, in welchem Umfang und für welche Wirkstoffe entsprechend restriktive Maßnahmen, wie ein Verbot von sog. Reserveantibiotika in der Tierhaltung, eine populationsbezogene Auswirkung auf die antimikrobielle Resistenz beim Menschen haben. Außerdem fehlt den Wissenschaftlern zufolge bisher Evidenz dafür, dass ein pauschales Verbot des Einsatzes von Arzneimitteln mit den Wirkstoffgruppen Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Polypeptide sowie Makrolide bei Tieren das Vorkommen von Resistenzen in der Humanmedizin substanziell und nachhaltig beeinflusst.

Im Gegensatz zum ENVI-Entschließungsantag spielt der Delegierte Rechtsakt der EU-Kommission Human- und Tiergesundheit nicht gegeneinander aus, sondern ermöglicht einerseits eine flexible Reaktion auf Veränderungen der Resistenzsituation, stellt aber andererseits auch sicher, dass kranke Tiere weiterhin adäquat behandelt werden können. "Genau darum geht es uns, deshalb bitte ich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bei der Abstimmung am Mittwoch für den Delegierten Rechtsakt der EU-Kommission zu stimmen", so bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) Astrid Behr, Referatsleiterin Kommunikation Hahnstr. 70, 60528 Frankfurt am Main Telefon: (069) 6698180, Fax: (069) 6668170

(sf)

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