Erhebliche Ineffizienzen der öffentlichen Wassermonopole / Neue Studie zeigt: 4,8 Prozent Effizienzsteigerung in der Abwasserentsorgung sind machbar durch Wettbewerb und Anreizsetzung
(Berlin) - Deutschlands Wasserwirtschaft ist wenig produktiv, weil der Wettbewerb vermieden wird. Die Ineffizienzen der Unternehmen gehen zu Lasten der Bürger. Dabei ist es möglich, durch Anreize die hohen Gebühren zu senken und zu bundesweit weitgehend einheitlichen Gebühren zu kommen. Das sind Ergebnisse einer neuen Studie des WIK-Instituts, die der Bundesverband der Deutschen Entsorgungsabend (BDE) vorgestern (23. Mai 2007) Abend im Rahmen eines Parlamentarischen Abends in Berlin präsentierte.
Der Autor der Studie Dr. Mark Oelmann, Leiter Wassermärkte beim Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (WIK), stellte in seiner Rede heraus, dass auch in natürlichen Monopolen der Wettbewerb das geeignete Mittel sei, um die Effizienz zu erhöhen und Kosten zu senken. In Deutschland behinderten die Strukturen der Wasserwirtschaft technische Innovationen und notwendige Investitionen. Der Wettbewerb sei die notwendige Voraussetzung zur Modernisierung der Wasserwirtschaft und damit zur Lösung der anstehenden Herausforderungen Bevölkerungsrückgang, Klimawandel, Investitionsstau. Im Wettbewerb steigerten private Unternehmen ihre Produktivität deutlicher als öffentliche. Gleichzeitig wirke sich der Wettbewerb positiv auf die Produktivität der öffentlichen Unternehmen aus.
Im Einzelnen stellt die WIK-Studie Folgendes fest:
- In der deutschen Wasserwirtschaft bestehen deutliche Ineffizienzen.
- Wettbewerb ist das zentrale Mittel, um Unternehmen in Netzwerkindustrien zu produktiverem Wirtschaften anzuhalten.
- Private Unternehmen zeigen höhere Wachstumsraten der Produktivitätsentwicklung als öffentliche.
- Im Wettbewerb ist die Privatisierung für die Entwicklung der Produktivitätsentwicklung günstig (auch in natürlichen Monopolen).
- Die Produktivitätsentwicklung wird umso höher ausfallen, je mehr Freiheiten den Unternehmen gewährt werden.
- Produktivitätsfortschritte nutzen den Gebührenzahlern.
Dr. Johann Wackerbauer vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung München ergänzte die Ausführungen Oelmanns. Er zeigte, dass der Modernisierungsprozess in der Wasserwirtschaft nicht stattfindet. Die Zementierung kommunaler Strukturen und die Beibehaltung des Steuerprivilegs für öffentliche Unternehmen behinderten den notwendigen Strukturwandel. Das oft geforderte internationale Engagement der deutschen Wasserwirtschaft werde durch die gegebenen Rahmenbedingungen deutlich erschwert.
Der BDE, der die Interessen der privaten Wasserwirtschaft in Deutschland vertritt, sieht sich durch das WIK-Gutachten in seiner Kernforderung nach Wettbewerb in der Wasserwirtschaft bestätigt. Wir müssen dahin kommen, dass die beste Leistung zu den günstigsten Preisen für die Auftragsvergabe bestimmend ist und nicht die Rechtsform der Unternehmen. sagte Dr. Stephan Harmening, der Hauptgeschäftsführer des Verbands. Bisher allerdings wird der Wettbewerb entweder durch ausschreibungsfreie Vergabe ganz ausgeschlossen oder verzerrt: kommunale Unternehmen der Abwasserentsorgung sind in Deutschland anders als private steuerlich bei der Umsatzsteuer, der Gewerbesteuer und der Körperschaftssteuer begünstigt.
Diese einseitige Begünstigung kommunaler Betriebe kommt allerdings beim Verbraucher nicht an. Die deutschen Abwassergebühren sind die höchsten in Europa. Selbst in Holland und Österreich, wo vergleichbare Standards gelten, liegen sie deutlich niedriger. Es ist kein Wunder, dass gerade in Deutschland, das im Europavergleich einen niedrigen Privatisierungsgrad der Wasserwirtschaft hat, die Kosten aus dem Ruder laufen, sagte Harmening.
Aus der Umsatzsteuerprivilegierung ergibt sich auch ein massiver Standortnachteil für die Industrie- und Gewerbekunden kommunaler Wasserbetriebe. Kommunale Unternehmen kaufen Investitionsgüter oder Dienstleistungen bei Privaten ein und zahlen darauf Umsatzsteuer, die als Kostenbestandteil in die Gebührenberechnung einfließt. Weil auf der Gebührenrechnung aber keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird, können Kunden der kommunalen Abwasserunternehmen keinen Vorsteuerabzug vornehmen. Sie werden also mit 119 Prozent dieser Kosten belastet, während Konkurrenten in Ländern mit privatisierter Wasserwirtschaft nur 100 Prozent bezahlen. In der ungleichen Umsatzbesteuerung sieht der BDE außerdem einen gravierenden Verstoß gegen EU-Recht und hat 2006 eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission wegen Nicht-Beachtung des Gemeinschaftsrechts eingereicht. Der Verband rechnet sich gute Erfolgschancen aus.
Eine deutlich stärkere Beteiligung privater Unternehmen der Abwasserwirtschaft ist nach Überzeugung des BDE auch aus einem weiteren Grund erforderlich: der Verband schätzt den Investitionsbedarf ins deutsche Kanalnetz, das zum Teil noch aus der Kaiserzeit stammt, in den nächsten 10 bis 15 Jahren auf 50 bis 55 Milliarden Euro. Ich sehe nicht, wie die hoch verschuldeten Kommunen das stemmen können, sagte Harmening. Hinzu komme der Bevölkerungsrückgang, der nach Ansicht der kommunalen Unternehmen die Gebühren für den einzelnen Verbraucher verteuern werde. Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall hat vorausgesagt, dass die kommunalen Abwassergebühren in den nächsten Jahren nochmals um bis zu 50 Prozent steigen werden. Die demografische Entwicklung muss nach Überzeugung des BDE nicht zwangsläufig zu einer Ausdünnung von Leistungen führen, allerdings zu einer Neudefinition staatlicher Daseinsvorsorge und zur Neuorganisation bisher staatlicher Aufgaben. Es ist dringend erforderlich, künftig verstärkt private Unternehmen in der Wasserwirtschaft zu beteiligen, um gemeinsam mit den Kommunen die Herausforderungen zu meistern, sagte Harmening. Es könne nicht sein, dass diese Strukturen unverändert erhalten blieben, die Kosten dafür aber immer weniger Verbrauchern aufgebürdet würden. Bisher sind allerdings private Beteiligungen dadurch erschwert, dass gesetzliche Rahmenbedingungen für Privatisierungen fehlen. Eine echte Modernisierung aber geht nur mit privaten Unternehmen und privatem Kapital, sagte Harmening. Er bot den Verantwortlichen in Bund und Ländern die Unterstützung der Privatwirtschaft an, einen gemeinsamen Lösungsweg zu formulieren. Ziel müsse es sein, durch das Engagement privater Unternehmer die Belastungen der Bürger im Rahmen zu halten.
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