EU-Chatkontrolle: Ende vertraulicher Kommunikation
(Berlin/Brüssel) - Die Bundesregierung will über ihre Position zur Chatkontrolle entscheiden. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt entschieden vor den Maßnahmen, die in dem neuen, rechtsstaatlich hochproblematischen Vorschlag der dänischen EU-Ratspräsidentschaft enthalten sind, und appelliert an die Bundesregierung, weiterhin Rückgrat zu zeigen und dagegen zu stimmen.
„Auch berechtigte Anliegen – wie den Kinderschutz – können wir nicht mit Maßnahmen verfolgen, die gegen die Grundprinzipien des Rechtsstaats verstoßen“, mahnt Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des DAV. Ein erneuter Vorstoß zur Einführung einer europäischen Chatkontrolle hat die Durchleuchtung elektronischer Kommunikation zum Ziel. „Die Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch ist eine wichtige Aufgabe“, betont die Rechtsanwältin, „eine derartige anlasslose Massenüberwachung kann dadurch jedoch nicht gerechtfertigt werden.“
Gleich mehrere Maßnahmen im Entwurf der dänischen Ratspräsidentschaft würden laut Ruge Grundrechte verletzen. „Die Chatkontrolle wäre das digitale Pendant zu einem Postamt, in dem jeder versandte Brief geöffnet und kontrolliert wird.“ Die Grundrechte auf Datenschutz, Achtung des Privatlebens und Vertraulichkeit der Kommunikation würden dem klar entgegenstehen. Der Vorschlag aus Dänemark sei ein Rückschritt in der Debatte: „Nachdem sich das EU-Parlament bereits für eine Beschränkung der Chatkontrolle auf Verdachtsfälle ausgesprochen und die letzte Ratspräsidentschaft immerhin von einer verpflichtenden auf eine freiwillige Chatkontrolle umgeschwenkt ist, wirft uns der neue Vorschlag wieder zurück zum ursprünglichen Plan, der zurecht von unzähligen nationalen und europäischen Parlamenten und weiteren Interessenträgern aufs Allerschärfste kritisiert worden ist.“
Das Ende verschlüsselter Kommunikation
Der Scan Ende-zu-Ende-verschlüsselter Messenger bedeute in der Praxis eine Umgehung von Verschlüsselungstechnologien. Dadurch entstehe mitnichten mehr Sicherheit: „Im Gegenteil wird so ein Vorgehen neue Gefahren schaffen“, warnt die DAV-Hauptgeschäftsführerin. Es würden zwingend Lücken in der IT-Sicherheit entstehen. „Das betrifft nicht nur die private Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern, sondern ist auch ein immenses Risiko für Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.“ Sichere digitale Kommunikation würde unter der Chatkontrolle massiv leiden.
Die Chatkontrolle darf nicht kommen
Der DAV ruft die Regierung deshalb dringlichst dazu auf, sich im Rat der Europäischen Union klar gegen den Vorschlag zu stellen. „Dieser Verordnung muss endlich eine endgültige Absage erteilt werden“, so die Rechtsanwältin. Eine solche anlasslose Massenüberwachung privater Kommunikation würde den Grundsätzen des europäischen Better-Regulation-Ansatzes nicht gerecht und werde spätestens vor Gericht scheitern.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV), Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 030 7261520