Pressemitteilung | Deutsches Verkehrsforum e.V. (DVF)

EU-Direktor Grillo Pasquarelli zur Liberalisierung im Schienenpersonenverkehr: Letzte nationale Bastion muss fallen

(Berlin) - Bei der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde auf der Fachmesse für Verkehrstechnik "InnoTrans" hat Enrico Grillo Pasquarelli, Direktor Landverkehre Generaldirektion Mobilität und Verkehr Europäische Kommission (EU-Kommission), den inländischen Personenverkehr als letzte nationale Bastion auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Eisenbahnmarkt bezeichnet, die fallen müsse. Daher werde die EU-Kommission 2012 einen Gesetzesvorschlag zur Öffnung der nationalen Märkte für den Personenverkehr vorlegen.

Mit dem kürzlich veröffentlichten so genannten "Recast" zum ersten Eisenbahnpaket will die EU-Kommission den Schienenverkehrsmarkt in Europa schneller für den Wettbewerb öffnen und so mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Dies sei angesichts der historisch gewachsenen Unterschiede in den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade im Personentransport ein schwieriges Unterfangen. Um die konkurrierenden Eisenbahnunternehmen gleich zu stellen, müsse daher rasch mit der gleichmäßigen Marktöffnung in allen Mitgliedsstaaten vorangeschritten werden. Der grenzüberschreitende Schienenpersonenverkehr sei seit Anfang 2010 auf dem Papier möglich, gehe aber zäh voran, da es hohe Eintrittsbarrieren gebe wie z.B. massive Investitionskosten, staatliche Protektion, Netzgebühren oder technische Hürden.

Ulrich Homburg, Präsidiumsmitglied Deutsches Verkehrsforum und Vorstand Personenverkehr DB Mobility Logistics AG, sieht in der europaweiten Öffnung der Schienenverkehrsmärkte enorme Potenziale für Eisenbahnunternehmen. Er appellierte an die EU, auch die technischen Voraussetzungen hierfür zu schaffen: "Das europäische Zugleitsystem ECTS, dass Eisenbahnunternehmen ermöglichen soll durchgängig auf allen Schienennetzen zu fahren, darf nicht mit unterschiedlichen Varianten in den jeweiligen Ländern eingeführt werden. Die Übergangslösung der "Cross Acceptance", d.h. die gegenseitige Anerkennung der Zugzulassungen erfolgt bisher de facto noch nicht in allen Mitgliedsstaaten. Auch hier muss die EU dafür sorgen, dass diese Regelung eingehalten wird."

Michael Cramer MdEP, Mitglied Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr im Europäischen Parlament, setzt sich für die Stärkung des Verkehrsträgers Schiene ein. Er sieht darin auch einen Beitrag zum Klimaschutz, allerdings fehle noch eine europäische Ausrichtung der Nationalstaaten: " Im Schienengüterverkehr hat die Öffnung der Märkte das Potential gesteigert: in Großbritannien plus 60 Prozent, in Holland plus 42 Prozent, in Polen plus 30 Prozent und in Deutschland plus 25 Prozent. In Frankreich ging im selben Zeitrum der Anteil um minus 28 Prozent zurück, weil das Netz für andere verschlossen blieb. Das kostete Arbeitsplätze und unterstützt den Klimawandel. Auch deshalb müssen wir im Eisenbahnverkehr europäischer denken. So gibt es bereits eine europäische Eisenbahnagentur, die mehr Befugnisse braucht, um die Netze für alle Wettbewerber fair zugänglich zu machen. Jedoch wollen die nationalen Regulierungsbehörden keine Kompetenzen an die europäische Eisenbahnagentur abgeben. Das behindert die Öffnung der Schienenmärkte und verhindert das Wachstum im Schienenverkehr."

In Deutschland hat sich seit der Bahnreform im Bereich Schienenpersonennahverkehr eine positive Entwicklung vollzogen, von der nicht nur die Fahrgäste profitieren. Nun müsse auch im Fernverkehr eine solche Entwicklung Einzug halten, so Ulrich Lange MdB, Mitglied Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Deutschen Bundestag: "1994 war die Bahnreform für Deutschland ein enormer Schritt hinsichtlich des Wettbewerbs und es gab große Erfolge im Schienenpersonennahverkehr. Allerdings sieht es im Fernverkehr anders aus. Hier gibt es bis heute nur 1 Prozent Wettbewerber."

Für Dr. Axel Sondermann, Geschäftsführer Veolia Verkehr GmbH, zeigte sich in Deutschland mit der Regionalisierung ein Erfolg für den Steuerzahler und die Wettbewerber: "Die Regionalisierung im Schienenpersonennahverkehr wurde in Deutschland deshalb zum Erfolg, weil verschiedene Aspekte wie z.B. die Ausschreibung von Nahverkehrsdienstleistungen und die Einbeziehung der Sozialpartner bei der Umsetzung berücksichtigt wurden. Gleichwohl sind im einzelnen die Bedingungen z.B. in den Bereichen Tarif und Vertrieb, Einnahmenaufteilung oder investitionssichernder Rahmenverträge im Fernverkehr noch wettbewerbsfreundlicher zu gestalten. In Frankreich ist die Öffnung des nationalen Marktes für Schienenpersonenverkehr hingegen bei weitem noch nicht so weit gediehen; hier fehlt es in der EU eindeutig an gleichen Wettbewerbsbedingungen."

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Verkehrsforum e.V. Ingrid Kudirka, Leiterin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Klingelhöferstr. 7, 10785 Berlin Telefon: (030) 2639540, Telefax: (030) 26395422

(el)

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