Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
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EU-Konferenz in Liverpool: Europäische Verbraucher gegen Schleichwerbung / Redaktionelle Inhalte werden käuflich: "Glaubwürdigkeit des Fernsehens wird zerstört"

(Berlin/Liverpool) - Vor einer Legalisierung von Product Placement im Fernsehen hat der Europäische Verbraucherverband BEUC gewarnt. Das Thema steht auf einer Konferenz der britischen EU-Ratspräsidentschaft in Liverpool zur Reform der europäischen Fernsehrichtlinie. "Die Pläne der EU-Kommission bedeuten, dass man die Einflussnahme auf die redaktionellen Inhalte künftig kaufen kann,", sagte Patrick von Braunmühl, Leiter des Fachbereichs Wirtschaftsfragen im Verbraucherzentrale Bundesverband und Vertreter von BEUC auf der Konferenz. "Das zerstört die Glaubwürdigkeit des Fernsehens und gefährdet unabhängigen Journalismus."

Besonders umstritten ist der Vorschlag der Europäischen Kommission, das bisherige Verbot bezahlter Produkt-Plazierung mit werbendem Charakter im Fernsehen aufzuheben. Damit würde einer der Grundpfeiler des Medienrechts zerstört, nämlich die klare Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung: Gegen Bezahlung könnten Unternehmen und Lobbyverbände Einfluss auf die redaktionellen Inhalte nehmen.

Die EU-Kommission hält an ihren Plänen ungeachtet der ablehnenden Haltung der Bundesregierung, der Zeitschriftenverleger, der Journalistenverbände und der europäischen Verbraucherverbände fest. Das bisherige absolute Verbot von Product Placement und Schleichwerbung soll durch eine simple Kennzeichnungspflicht ersetzt werden: So soll künftig im Vor- oder Abspann der Sendungen auf die Finanzierung durch Werbekunden hingewiesen werden.

Die Verbraucherorganisationen halten diesen Vorschlag für wirklichkeitsfremd: Erfahrungsgemäß sieht kaum ein Zuschauer eine Sendung von Anfang bis Ende einschließlich Vor- und Abspann. Außerdem bliebe für die Zuschauer weiterhin unklar, in welcher Weise die Sendung den Wünschen der Werbekunden angepasst wurde.

BEUC und der Verbraucherzentrale Bundesverband befürchten, dass mit einer Freigabe von Product Placement, der Druck auf Filmautoren und Journalisten zunehmen wird, ihre "Produkte" kommerziellen Interessen unterzuordnen. Am Ende würde der Druck der Werbewirtschaft und der Unternehmen auch auf die Print-Medien übergreifen und die Unabhängigkeit der Medien insgesamt gefährden.

Für eine Lockerung der Werberegeln wird vor allem mit Hinweis auf die USA argumentiert. Dort sei Product Placement tägliche Praxis. Der vzbv hält dieses Argument für wenig überzeugend: "Gerade deswegen sollten wir diesem angeblichen Vorbild nicht folgen", sagte von Braunmühl.

"Die jüngst aufgedeckte Praxis jahrelanger Schleichwerbung hat deutlich gemacht, dass eine wie auch immer geartete Freigabe der Produkt-Platzierung und die Aufhebung des Trennungsgebots falsch sind," sagte von Braunmühl. Das Trennungsgebot ist und bleibt nach Auffassung nicht nur des Verbraucherzentrale Bundesverbandes eine unabdingbare Voraussetzung für die Sicherstellung unabhängiger Berichterstattung.

Kennzeichnung für Product Placement - ein absurder Vorschlag
Ein Blick in die Praxis zeigt, wie absurd und realitätsfern der Vorschlag der EU-Kommission ist. Sie will das bisherige Trennungsgebot von Werbung und redaktionellem Inhalt durch eine bloße Kennzeichnungspflicht ersetzen.

Folgendes fiktive Beispiel macht anschaulich, worum es geht:
In fast jeder Ausgabe der täglichen Vorabendserie "Warme Tage, kühle Tage" gibt es Szenen, in denen gegessen oder getrunken wird. Die Protagonisten unterhalten sich dabei immer wieder auch über gesunde Ernährung und über aktuelle Empfehlungen von Ernährungsexperten. In einer Folge sieht man Hauptdarstellerin Jenny, wie sie sich vor einer schwierigen Prüfung mit einem Schokoriegel stärkt. Als ihre Freundin ihr einen zweiten Riegel anbietet, lehnt sie jedoch ab.
Im Abspann der Sendung ist dann zu sehen: "Diese Sendung wurde ermöglicht durch finanzielle Unterstützung des Verbandes der Deutschen Zuckerindustrie" und der "Zentrale für gesunde Ernährung".
Der Informationsgehalt derartiger Aussagen wäre dürftig: Wer steckt hinter der "Zentrale für gesunde Ernährung"? Hat Hauptdarstellerin Jenny deswegen darauf verzichtet, noch einen zweiten Schokoriegel zu essen? Oder kam es überhaupt zum Verzehr von Süßigkeiten, weil es aus Sicht der Süßwarenhersteller keine "ungesundenden" Lebensmittel gibt und der Konsum von Süßwaren in einem positiven Umfeld dargestellt werden sollte?

Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Markgrafenstr. 66, 10969 Berlin Telefon: 030/258000, Telefax: 030/25800218

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